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Börsen-Zeitung: Im Niemandsland, Börsenkommentar "Marktplatz" von Christopher Kalbhenn

Geschrieben am 07-11-2008

Frankfurt (ots) - Die Turbulenzen an den Kapitalmärkten und in der
Finanzbranche regen die Fantasie von Analysten und Strategen an. Mit
kreativen Überschriften reizen sie die Kundschaft ihrer Institute zur
Lektüre ihrer Analysen. Ein gelungenes, für die derzeitige Situation
sehr treffendes Beispiel lieferten dieser Tage die Analysten der
Deutschen Bank, die ein Aktien-Strategiestück mit "In No Man's Land"
betitelten.

Die Akteure an den Aktienmärkten sind derzeit hin- und hergerissen
zwischen unterschiedlichen Signalen, die teils auf weitere Verluste
und neue Kurstiefen, teils auf Gegenbewegungen nach oben hindeuten.
Für Letzteres spricht z.B. die Saisonalität der Aktienmärkte. Die
Jahreszeit, in der sie, wie die Statistik belegt,
überdurchschnittlich gut abschneiden, hat begonnen. Hinzu kommen
psychologische Faktoren. Der kürzlich erfolgte Einbruch der Märkte,
der den Dax bis auf 4000 drückte, wurde von eindeutigen Symptomen
einer Anlegerkapitulation begleitet - ein klassisches Signal für
Marktwenden nach oben. Außerdem befinden sich die KGV-Bewertungen
(Kurs-Gewinn-Verhältnis) auf niedrigen Niveaus, wenngleich sie auf
Schätzungen beruhen, die noch deutlich nach unten revidiert werden.

Bezeichnend für die aktuelle Stimmung, aber auch für die
außergewöhnliche Lage, in der sich Finanzindustrie und Kapitalmärkte
derzeit befinden, sind die vielen Vergleiche mit dem Crash von 1929,
dem die Große Depression folgte. So sehr gewisse Analogien vorhanden
sind, so sehr ist doch zu betonen, dass es fundamentale Unterschiede
gibt, die gegen eine Wiederholung oder eine wirklich vergleichbare
Entwicklung sprechen. Der entscheidende Unterschied ist die
Wirtschaftspolitik. Weltweit findet derzeit eine konzertierte Aktion
statt, wie sie die Wirtschaftsgeschichte noch nicht gesehen hat. In
allen großen Wirtschaftszonen werden die Zinsen gesenkt, die
Bankensysteme mit Liquidität geflutet und Konjunkturpakete geschnürt.
Länder, die in Bedrängnis geraten, erhalten von anderen Staaten oder
aber internationalen Organisationen Liquiditätshilfen und Kredite, um
eine ökonomische Implosion abzuwenden. Das sind alles Notmaßnahmen
und Belege dafür, wie schlimm die Krise ist. Im Unterschied zur
Großen Depression wird dem Patienten heute jedoch nicht durch
Zinserhöhungen und einen kräftigen Tritt auf die Fiskalbremse der
Rest gegeben. Es besteht daher durchaus die Aussicht, dass über kurz
oder lang niedrige Bewertungen und massive Stützmaßnahmen positive
Wirkungen auf Wirtschaft und Finanzmärkte haben.

Doch das hilft den Marktakteuren noch nicht. Die Wirtschaftsdaten
und die Quartalsberichte der Unternehmen zeigen immer noch eine
beunruhigende Verschlechterung an. Das hat zuletzt der
Arbeitsmarktbericht der USA gezeigt. Es wurde befürchtet, dass die
amerikanische Volkswirtschaft im Oktober per saldo 200000
Arbeitsplätze abgebaut haben könnte. Tatsächlich waren es aber
240000. Bestürzende Nachrichten in der Unternehmenslandschaft bietet
derzeit insbesondere die Automobilindustrie. Manager erzählen, noch
nie einen derartigen Einbruch erlebt zu haben. Die gesamte Branche
fährt ihre Produktion massiv zurück. Eine Kettenreaktion ist die
Folge. Auch die Automobilzulieferer sowie die Stahlindustrie
reduzieren angesichts der wegbrechenden Nachfrage ihre Produktion.

Dass sich die Investoren im Niemandsland zwischen stützenden
Faktoren und sehr negativen Nachrichten bewegen, illustrieren auch
die Marktbewegungen der zurückliegenden Tage. Unmittelbar nach der
Präsidentschaftswahl folgte der Obama-Euphorie ein starker
Kurseinbruch. Zwar haben die Notenbanken am Donnerstag eindrucksvoll
ihre Entschlossenheit unter Beweis gestellt, der Krise zu Leibe zu
rücken, indem sie die Zinsen massiv gesenkt haben. Nach einem kurzen
Anstieg im Anschluss an den extremen Zinssenkungsschritt der Bank of
England um 150 Basispunkte folgte jedoch der nächste Rückschlag. Die
Zinssenkungen werden erst mittelfristig und eben nicht unmittelbar
helfen, von einer politischen Wende in den Vereinigten Staaten ganz
zu schweigen. Da gleichzeitig keine vernünftigen Anhaltspunkte für
die Annahme bestehen, dass sich der düstere Nachrichtenfluss in
absehbarer Zeit ein wenig aufhellen wird, werden die Marktteilnehmer
bis auf Weiteres orientierungslos im Niemandsland umherirren.

(Börsen-Zeitung, 8.11.2008)

Originaltext: Börsen-Zeitung
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