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Börsen-Zeitung: Regulierung richtig dosieren! Leitartikel von Markus Frühauf zum Ende der Ära der US-Investmentbanken und deren künftig strengere Beaufsichtigung

Geschrieben am 22-09-2008

Frankfurt (ots) - Goldman Sachs und Morgan Stanley flüchten in den
sicheren Hafen einer strengeren Aufsicht. Vor kurzem wäre diese
Aussage noch als missglückter Scherz aufgefasst worden. Doch seit dem
Kollaps von Lehman Brothers und dem Notverkauf von Merrill Lynch an
die Bank of America steht das kaum regulierte Investment Banking nach
Wall-Street-Art vor dem Aus. Die Finanzkrise, deren Ursprung nicht
nur der US-Immobilienmarkt, sondern auch der an Wahnsinn grenzende
Risikoappetit der Investmentbanker aus Lower Manhattan ist, hat
inzwischen Verluste verursacht, die die Billionengrenze überschritten
haben.

Der US-Staat schnürt ein 700 Mrd. Dollar schweres Rettungspaket.
Hinzu kommen die von Instituten weltweit vorgenommenen
Wertberichtigungen über gut 500 Mrd. Dollar. Die Flucht der beiden
letzten reinen Investmentbanken in das deutlich schärfer regulierte
Geschäftsmodell der Universalbanken kommt einem Offenbarungseid
gleich: Nicht nur weil Goldman Sachs und Morgan Stanley wegen der
kaum noch vorhandenen Refinanzierungsmöglichkeiten keine Perspektiven
mehr für ihr altes Geschäftsmodell sahen, sondern weil sie auch eine
strengere Regulierung bewusst in Kauf nehmen.

Die Banken haben derzeit schlechte Karten, wollen sie ein
strengeres Aufsichtsregime verhindern. Diese Schlacht ist angesichts
des öffentlichen Drucks nicht zu gewinnen. In vielen Punkten haben
die großen Finanzhäuser dieser Welt sogar selbst aufgezeigt, wo ein
Umdenken erforderlich ist. So hat das Institute of International
Finance - Vorsitzender des weltweiten Finanzverbands ist
Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann - im Juli in seinem Schlussbericht
die Vergütungspraxis der Banken als eine Ursache der Finanzkrise
bezeichnet.

So konnten die Investmentbanker an Wall Street und in der Londoner
City üppig Boni verdienen, da sich diese variable Gehaltskomponente
am kurzfristigen Erfolg orientierte. Dass damit aber enorme Risiken
ins Buch geholt wurden, blieb in der Vergütungspraxis außer Acht. Die
Ziele des Risikomanagements und das langfristige Interesse der
Aktionäre an einem stabilen Unternehmen müssen in Zukunft in der
Vergütung Berücksichtigung finden. Ein neues Aufsichtsregime muss
dabei die Rahmenbedingungen definieren. Innerhalb derer sollen die
Institute aber die Freiheit behalten, mit eigenen Mitteln den
Wettbewerb um die Talente erfolgreich zu gestalten.

Ein wunder Punkt der Krise sind zudem die Exzesse bei der
Schaffung neuer Wertpapiere, die mit Forderungen besichert sind. Die
Verbriefungsmärkte sind nun tot. Die Verbriefung von Krediten bleibt
aber ein hervorragendes Mittel zur Diversifizierung der Risiken. Die
EU-Kommission will erreichen, dass die Emittenten künftig einen Teil
ihrer Verbriefungstransaktion im Buch behalten. Die hier ansässigen
Banken sollen nur noch in Papiere investieren dürfen, bei denen diese
Bedingung erfüllt ist. Wenn die kreditgebende Bank weiterhin im
Risiko bleibt, besteht ein Eigeninteresse an strengen
Kreditvergabestandards.

In den USA wurden die Kreditnehmer vor Ausbruch der Krise gar
nicht mehr geprüft. Die Wall-Street-Häuser wollten nur noch Masse für
Verbriefungen, die bei Investoren wegen der attraktiven Verzinsung
reißenden Absatz fanden. Wenn die verbriefenden Banken einen
Bruchteil der Risiken selbst behalten, ist dies als
vertrauensbildende Maßnahme zu begrüßen. Dies kann aber nicht über
eine Einschränkung der Anlagemöglichkeiten und im europäischen
Alleingang erreicht werden. So stellen die Pläne aus Brüssel für
europäische Banken bislang einen Wettbewerbsnachteil dar.

Die größte Gefahr ist eine regulatorische Überreaktion. Sie
bestraft auch die Banken, die aufgrund ihres strikten
Risikomanagements den Exzessen fernblieben, und schränkt die
Wachstumsmöglichkeiten ein. Ein zu strenges Aufsichtsregime birgt die
Gefahr, den Regulator zu überfordern. Die Marktteilnehmer würden sich
möglicherweise zu sehr auf die Aufsicht verlassen, ähnlich wie vor
der Krise auf das Urteil der Ratingagenturen. Eigene
Risikobeurteilung muss aber unerlässlich bleiben. Auch dies ist eine
Lehre der Krise, sich nicht nur auf externe Einschätzungen zu
verlassen.

Die regulatorische Aufarbeitung von Krisen hat einen
entscheidenden Nachteil: Sie erfolgt a posteriori. Deshalb schützt
sie nicht vor künftigen Krisen, denen im Finanzsektor in der Regel
spekulative Übertreibungen vorausgehen. Vor den Fehlern, die die
Banken begangen haben, warnt bereits jedes Lehrbuch für
Bankkaufleute. Die eigenen Risikostandards sind im Rausch missachtet
worden. Hier hat die Krise ihren Anfang genommen, und hier müssen
zuerst interne Sanktionen greifen. Die Vergütung muss die in Kauf
genommenen Risiken widerspiegeln. Schließlich darf nicht vergessen
werden, dass der Markt selbst der strengste Regulator ist. Das Ende
der Wall-Street-Häuser hat seine Ursache im Misstrauen der
Investoren. Die Banken müssen deren Vertrauen aus Eigeninteresse
selbst zurückerobern. Eine richtig dosierte Regulierung kann dabei
hilfreich sein, eine Überdosierung ist es nicht.

(Börsen-Zeitung, 23.9.2008)

Originaltext: Börsen-Zeitung
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Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0


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