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Börsen-Zeitung: Das Zittern geht weiter, Kommentar zu den Finanzmärkten von Christopher Kalbhenn

Geschrieben am 19-09-2008

Frankfurt (ots) - Wer nicht schwindlig ins Wochenende gegangen
ist, ist mit Sicherheit nicht in der Finanzbranche tätig. Was sich da
in nur einer Woche ereignet hat, ist in der Wirtschaftsgeschichte
einmalig und in so kurzer Zeit fast nicht zu verarbeiten. Per
Bankrott, Fusion und Verstaatlichung verschwinden reihenweise große
Finanzinstitutionen von der Bildfläche bzw. verlieren ihre
Unabhängigkeit. Die gesamte Finanzindustrie wird umgepflügt mit
derzeit noch schwer vorstellbaren langfristigen Folgen für die
Branche. Nicht zu beneiden sind die Akteure in den Handelssälen, die
nicht nur um ihre Arbeitgeber bangen müssen, sondern auch noch mit
heftigsten Kursschwankungen zu kämpfen haben.

"Wie geht es nun weiter?", fragen sich die Akteure an den
Finanzmärkten, nachdem sie eine regelrechte Achterbahnfahrt der
Gefühle erlebt haben. Zunächst drohte im Anschluss an die
Lehman-Pleite der Crash, ehe die Gegenmaßnahmen von Notenbanken und
Regierungen, darunter immense Liquiditätsspritzen,
Börsenstabilisierungsmaßnahmen und insbesondere der Vorschlag des
amerikanischen Finanzministers Henry Paulson, über einen Staatsfonds
Banken notleidende Kredite abzukaufen, zuletzt zu einer kräftigen
Gegenbewegung an den Aktienmärkten führten. Ihr Ausmaß war so stark,
dass sie mehr unheimlich als beruhigend wirkte.

"Wie tief fallen wir?" Diese Überschrift im Strategieausblick
einer deutschen Bank ist symptomatisch für die Stimmungslage an den
Aktienmärkten. Etwas oberhalb von 5800 im Dax ist der Kursrutsch
gestoppt worden, ehe der wie ein Befreiungsschlag wirkende Vorschlag
des US-Finanzministers zu der Gegenbewegung auf fast 6200 Zähler
führte. Es gibt durchaus gute Argumente für die Vermutung, dass die
Aktienmärkte nun ihren Tiefpunkt gesehen haben oder zumindest eine
vorübergehende Erholungsphase bevorsteht. So haben sich in der
Geschichte der Börsen sehr häufig Situationen, in denen die
Marktteilnehmer mit Horrornachrichten überschüttet wurden, im
Nachhinein als Wendepunkte erwiesen. Zu erinnern ist hier an den
Golfkrieg des Jahres 2003. Damals begann wenige Tage vor dem Ausbruch
der Feindseligkeiten der große Bullenmarkt, der bis in das
zurückliegende Jahr anhielt. Darüber hinaus haben die Behörden
weltweit an einigen Schwachpunkten angesetzt, die zuletzt maßgeblich
für den Kurseinbruch verantwortlich waren. So sind nun Leerverkäufe
in Finanzwerten in den USA und Großbritannien untersagt. Auch die vom
US-Finanzminister ventilierte große Lösung für notleidende Kredite
könnte gerade bei den Finanzwerten nachhaltig stabilisierend wirken.
Hinzu kommen die massenhaften Ausverkaufssignale, die die Märkte in
den letzten Tagen gegeben haben. Sie zeigten Symptome der
Kapitulation, so den Anstieg des Goldpreises um 100 Dollar in nur 36
Stunden oder die auf nahezu null gefallene Rendite dreimonatiger
T-Bills. Kapitulation gilt als Vorbote für eine Trendwende.

Im freien Fall

Doch Gewissheit kann das alles nicht geben. Denn die aktuelle Lage
ist einmalig und entzieht sich dem Versuch, ihrer durch historische
Erfahrungen oder markttechnische Gesetzmäßigkeiten Herr zu werden.
Sicher ist derzeit nur, dass das Zittern an den Finanzmärkten
weitergeht. Die Krise ist noch lange nicht ausgestanden. Nach wie vor
befinden sich die Immobilienpreise in den USA im freien Fall, was
weitere Probleme im Finanzsektor heraufbeschwören wird. An den
Aktienmärkten muss jeden Tag damit gerechnet werden, dass neue
Hiobsbotschaften aus der Branche eingehen, auch wenn jetzt vor dem
Wochenende etwas Erleichterung geschaffen worden ist.

Schließlich weiß niemand so genau, welche Belastungen der
Finanzsektor noch aushalten muss. Wie wird sich beispielsweise die in
ihrem Ausmaß bisher einmalige Kontraktabwicklung an den Kreditmärkten
auswirken, die von der Verstaatlichung der Hypothekenagenturen Fannie
Mae und Freddie Mac sowie der Insolvenz von Lehman Brothers
losgetreten worden ist? Außerdem ist immer noch nicht einschätzbar,
wie stark sich die Weltwirtschaft abschwächen wird. Auf eines können
sich die Banker in den Handelssälen in den nächsten Wochen aber
einstellen: nervenaufreibende, äußerst heftige Kursschwankungen.

Originaltext: Börsen-Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/30377
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_30377.rss2

Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0


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