(Registrieren)

Börsen-Zeitung: Ritt über den Bodensee, Kommentar zur geplanten Übernahme der Dresdner Bank durch die Commerzbank von Bernd Wittkowski

Geschrieben am 01-09-2008

Frankfurt (ots) - Martin Blessing wird wohl noch ein wenig
Überzeugungsarbeit leisten müssen, bis die Investoren bereit sind,
die "ökonomische Logik" dieser Übernahme zu honorieren. Mit einem
Kursrutsch von mehr als 10% reagierte die Aktie der Commerzbank zum
Wochenbeginn auf die Konditionen, zu denen die Allianz ihr Sorgenkind
Dresdner Bank an die Gelben verkauft - eine Klatsche. Zu teuer, diese
Akquisition? Ja und nein. In Zeiten einer schwelenden Finanzkrise
eine Bank zum Buchwert plus Besserungsschein von fast 1 Mrd. Euro
loszuwerden ist in der Tat zunächst mal ein gelungener Deal aus
Verkäufersicht.

Andererseits: Wenn sich denn wirklich die "einmalige Chance"
bietet, durch eine Übernahme zur führenden Privat- und
Firmenkundenbank in Deutschland mit mehr als 11 Millionen Kunden
aufzusteigen, hätte es aus Käufersicht durchaus schlechtere
Zeitpunkte und Bedingungen geben können. Geht demnächst die
Bankenwelt unter? Trotz fast alltäglicher Schreckensnachrichten: wohl
nicht. Dann aber stiege die Allianz vermutlich nahe dem zyklischen
Tief bei ihrer Banktochter aus und ließe sich deren Aufwärtspotenzial
entgehen - das bessere Geschäft hätte die Commerzbank gemacht.

Jenseits der finanziellen Details dieser Transaktion darf man auch
mal notieren: Respekt, Commerzbank! Das Institut, das früher gerne
damit kokettierte, unter den deutschen Großbanken die kleinste zu
sein, hat innerhalb kurzer Zeit die Hackordnung im hiesigen
Kreditgewerbe auf eine Weise umgekrempelt, wie man es sich noch vor
wenigen Jahren nicht vorzustellen vermochte. Dazu gehören freilich
immer mindestens zwei: ein Aufsteiger und ein Absteiger. Den
undankbaren Part in diesem Spiel hat die Dresdner Bank übernommen.
Auch hier gilt: Noch vor vielleicht zehn Jahren wäre das Szenario
eines solchen Niedergangs mit tragischem Ende - Verlust von
eigenständiger Existenz und Identität 137 Jahre nach
Unternehmensgründung - als Hirngespinst verworfen worden.

Glorifizierte Konsolidierung

Nun kann allerdings Größe ebenso wenig Selbstzweck sein wie die
vielzitierte Bankenkonsolidierung, die in Deutschland
merkwürdigerweise in der Politik ebenso wie in Teilen von Wirtschaft,
Wissenschaft oder Medien oft geradezu glorifiziert wird, übrigens
trotz des hohen Preises, der dafür in Form von Arbeitsplatzverlusten
zu zahlen ist. Was heißt denn "Konsolidierung"? Ein Wettbewerber wird
aus dem Markt genommen, damit die anderen leichteres Spiel haben.
Angesichts der hierzulande vorherrschenden Konkurrenzsituation wird
das im aktuellen Fall nicht notwendigerweise zulasten der Kunden
gehen. Aber die Begeisterung über eine Entwicklung, in der nicht
selten sogar intakte Geschäftsmodelle dem Streben nach Größe geopfert
werden sollen, ist schwer verständlich. Für die Beteiligten selbst
kann Konsolidierung ohnehin nur sinnvoll sein, wenn sie mehr bringt,
als sie kostet. Auch wenn diese Rechnung im Fall Commerzbank/Dresdner
auf dem Papier aufgehen mag: Eine Übernahme, bei der auf der
Ertragsseite nur Dissynergien durch die Verkleinerung des Geschäfts
stehen, wirkt doch eher seltsam defensiv.

Nicht ohne Widersprüche

Auch sonst ist die Schaffung der "neuen Commerzbank" nicht frei
von Widersprüchen. Erstens: Kaum wächst man durch die Übernahme in
eine neue Dimension, schon soll die Bilanz bis 2011 um mehr als ein
Viertel verschlankt werden. Zweitens: Hinsichtlich internationaler
Präsenz und der Aktivitäten im Investment Banking kann man, anders
als im Privatkundengeschäft, auch nach der Verschmelzung nicht mit
der Deutschen Bank mithalten, trotzdem wird gerade Dresdner Kleinwort
geschrumpft. Drittens: Die Allianz muss mehr oder weniger offen
eingestehen, dass sie als Bankeigentümer die falsche Adresse ist,
dennoch behält sie die Oldenburgische Landesbank in ihrer Gruppe.
Viertens: Die Allianz wird mit knapp 30% größter Aktionär der neuen
Commerzbank (was durchaus die Fantasie anregen könnte, begann doch
die Übernahme der Dresdner Bank durch die Allianz auch mal mit einer
Schachtel). Doch dann erklärt Allianz-Chef Diekmann en passant, er
gehe davon aus, die neue Bank als Großaktionär (nur?) "einen gewissen
Weg lang" zu begleiten.

Fünftens und nicht zuletzt: Die Commerzbank entschließt sich, um
besagte "einmalige Chance" wahrzunehmen, zu einer schrittweisen, fast
10 Mrd. Euro teuren Übernahme, die sie sich mangels Finanzkraft auf
einen Rutsch nicht leisten kann. Und wenn sich die Aktionäre -
darunter dann allerdings schon mit 18,4% die Allianz - auf der
außerordentlichen Hauptversammlung Anfang 2009 doch der "ökonomischen
Logik" verweigern, dem zweiten Schritt zuzustimmen - dann will
Blessing die Anteile einfach über die Zeit von der Allianz erwerben.
Gegen den erklärten Willen der freien Aktionäre?

Der Deal ist nicht unbedingt zu teuer, aber er ist extrem komplex
und mit hohem Risiko verbunden - er kann für alle Beteiligten zum
Ritt über den Bodensee werden. Mit der Unterzeichnung des
Kaufvertrags und der Zustimmung der Aufsichtsräte hat für Diekmann
und Blessing der schwerste Teil der Strecke erst begonnen.

Originaltext: Börsen-Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/30377
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_30377.rss2

Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

156332

weitere Artikel:
  • Güterverkehr auf der Schiene nimmt weiter zu Wiesbaden (ots) - Auf dem deutschen Schienennetz wurden im ersten Halbjahr 2008 insgesamt 189,8 Millionen Tonnen transportiert. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, waren das 5,4% oder 9,7 Millionen Tonnen mehr als im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Die Verkehrsleistung - also das Produkt aus Tonnage und Versandweite - lag mit 59,7 Milliarden Tonnenkilometern über dem Vorjahresergebnis (+ 3,7%). Die durchschnittliche Transportweite verringerte sich mit 315 Kilometer im Vergleich zum Vorjahr leicht (2007: 320 Kilometer). mehr...

  • Telefon ist beliebter Angriffspunkt der Wirtschaftsspione / Wirtschaftsschäden in dreistelliger Millionenhöhe Darmstadt/Karlsruhe (ots) - Nach Angaben des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen, Abteilung Verfassungsschutz, nimmt die Gefahr der Wirtschaftsspionage beständig zu. Insbesondere IT und Kommunikationseinrichtungen sind sensible Angriffspunkte. Nach Ansicht der Experten bleiben nahezu 80% der Spionageattacken zunächst unentdeckt. Der wirtschaftliche Schaden geht in die dreistellige Millionenhöhe. Mit der virtuellen Telefonanlage von toplink ist nach Angaben des Unternehmens eine abhörsichere Telefonlösung am Markt, die weder mehr...

  • Oncolytics Biotech Inc. kündigt klinische Phase-2-Kombinationsstudie in den USA für Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkrebs mit K-RAS oder EGFR-aktivierten Tumoren an Calgary, Kanada (ots/PRNewswire) - Oncolytics Biotech Inc. ("Oncolytics") (TSX: ONC, NASDAQ: ONCY) gab heute bekannt, das Unternehmen initiiere nach Prüfung durch die U.S. Food and Drug Administration (FDA) eine klinische Phase-2-Studie für die USA zur intravenösen Verabreichung von REOLYSIN(R) in Kombination mit Paclitaxel und Carboplatin bei Patienten mit nicht kleinzelligem Lungenkrebs (NSCLC, Non-small Cell Lung Cancer) mit K-RAS oder EGFR-aktivierten Tumoren. Principal Investigator ist Dr. Miguel Villalona-Calero, Professor der Division mehr...

  • Einzigartige Initiative ostwestfälischer Topfirmen im Wettbewerb um junge Talente Ostwestfalen Lippe (ots) - Powerbrands OWL - Zukunft entsteht aus neuen Ideen Die Macht der Marken Kaum eine Region in Europa verfügt über eine vergleichbare, exklusive Kombination aus wirtschaftlicher Potenz und unverbrauchter Umwelt. Die Rede ist von Ostwestfalen-Lippe. Auf dem Weltmarkt führende Firmen wie Miele, Schüco, Bertelsmann, Oetker oder Phoenix Contact sind hier im großstädtischen Grün zuhause. Eine innovative Kampagne soll nun bei hochkarätigen Mitarbeitern die Region am Teutoburger Wald noch bekannter machen. mehr...

  • INQA und ddn auf der Messe Zukunft Personal 2008 Dortmund (ots) - Sie denken zum Thema Demographie sei schon alles gesagt? Weit gefehlt, denn die Weichen müssen erst gestellt werden. Diskutieren Sie am Stand von INQA und ddn mit den führenden Demographieexperten Deutschlands. Profitieren Sie vom geballten Praxiswissen unserer Referenten und erfahren Sie, wie Sie den demographischen Wandel auch in Ihrem Unternehmen in eine Erfolgsstory ummünzen können! In der Halle 5.1 am Stand K.01 von INQA, der Initiative Neue Qualität der Arbeit, und ddn, das Demographie Netzwerk, finden Sie das mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Wirtschaftsnews

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

DBV löst Berechtigungsscheine von knapp 344 Mio. EUR ein

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht