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Wer löst den gordischen Knoten? / Über den Umgang mit Pädophilie und die Weiterentwicklung des Kinderschutzes.

Geschrieben am 16-11-2007

Karlsruhe (ots) - Barbara Schäfer-Wiegand, 1. Vorsitzende der
Stiftung Hänsel+Gretel fordert eine Ausweitung der Maßnahmen zum
Kinderschutz. Sie unterstreicht die Bedeutung des Dunkelfeldprojektes
"Kein Täter werden" der Charité Berlin. Nach ihrer Meinung muss eine
bedeutende Ausweitung der Sichtweisen auf den Kinderschutz
stattfinden:

Etwa 50 % aller verurteilten Sexualstraftaten gegen Kinder werden
von Menschen mit pädophilen Neigungen verübt. Die übrigen 50 %
verurteilte Sexualstraftaten gehen zu Lasten von sogenannten
Ersatztätern oder opportunistischen Gelegenheitstätern. Diesem
"Hellfeld" der Täter steht ein "Dunkelfeld" von Tätern gegenüber, das
mindestens sechsmal so groß ist. Ihre Taten begehen sie, unerkannt
und nicht verurteilt, vor allem im familiären und sozialen Nahraum
der Kinder. Alle Täter, die verurteilten wie die nicht verurteilten
und erst recht die potentiellen Täter sind sexualmedizinisch
behandlungsbedürftig. Der bessere Schutz von Kindern könnte allein
schon durch verbesserte präventive Behandlung Pädophiler erreicht
werden. Doch wie ist es um diese präventive Behandlung bestellt?

Pädophilie ist eine sexuelle Orientierung, die sich wie auch alle
anderen sexuellen Orientierungen in der Pubertät eines Menschen
erstmals manifestiert und lebenslang erhalten bleibt. Nach
ernstzunehmenden neuesten Einschätzungen der Forschung leben in
Deutschland 200 000 jugendliche und erwachsene Pädophile. Sie sind
ebenso wie die nicht pädophilen potentiellen und realen Täter im
Dunkelfeld ein großes Gefahrenpotential für Kinder. Diese Pädophilen
sind chronisch krank und benötigen eine komplexe präventive
Behandlung aus Psychotherapie und medizinischer Behandlung, damit sie
Gefahrenbewusstsein für sich selbst erwerben und Kindern nicht
gefährlich werden. Wenn es auch nur zu einem gewissen Prozentsatz
gelingen würde, sie präventiv zu behandeln, wäre für den Kinderschutz
in unserem Land mehr getan als viele gut gemeinte und wichtige
Kinderschutzprojekte je bewirken können.

Nicht alle pädophil veranlagten Menschen werden in der Realität zu
Tätern, missbrauchen Kinder. Viele nutzen die Kinderpornographie im
Internet, um ihre Neigungen zu befriedigen, in der irrigen Meinung,
dies "schade keinem Kind". Wir wissen aber, daß hinter
kinderpornographischen Darstellungen in der Regel ein Gewaltakt an
einem Kind steckt, von gewissenlosen Geschäftemachern mit oder ohne
pädophile Neigung verübt, gefilmt und weltweit über das Internet
verkauft und verbreitet. Die Selbsttäuschung, das mangelnde
Unrechtsbewußtsein Pädophiler ist kennzeichnend für ihre Neigung.
Besitz, Erwerb und Verbreitung von Kinderpornographie stehen in
Deutschland wie in vielen weiteren Ländern unter Strafe. Immer
häufiger enttarnt die Kriminalpolizei einzelne Täter und Tätergruppen
bei der Nutzung von Kinderpornographie, Täter, die allen
gesellschaftlichen Einkommens- und Bildungsschichten angehören,
darunter also beispielsweise auch Ärzte, Richter, Oberbürgermeister
und Pfarrer. Die Folge ihrer Aufdeckung ist gesellschaftliche
Ausgrenzung, moralische, soziale und rechtliche Verurteilung. Die
Folgen für die Familienangehörigen sind entsprechend. Das
gesellschaftliche Tabu Pädophilie wirkt. Es wäre besser, im Vorfeld
von Verfolgung, Kriminalisierung und Bestrafung, von viel
menschlichem Leid und schwierigem gesellschaftlichen Miteinander die
Realität zu sehen, Hilfe anzubieten, und nicht nur Verurteilung.

Was eine sexualmedizinische präventive Behandlung ausmacht, wie
das Dunkelfeld der Pädophilie erhellt werden könnte, untersucht und
erprobt derzeit ein Großprojekt des Instituts für Sexualwissenschaft
und Sexualmedizin der Charité Berlin unter Leitung des
Sexualmediziners Prof. Klaus Beier. Reine Psychotherapie ist ohne
sexualmedizinische medikamentöse Begleitbehandlung unzulänglich. Rein
medizinische Behandlung ohne Psychotherapie ist ebenso unzulänglich.
Deutschland ist das Ursprungsland der Sexualwissenschaft. Doch wo
sind die Sexualmediziner und die Sexualpsychologen? Wo ist die
Anerkennung der Sexualmedizin durch diejenigen, die dafür
Verantwortung tragen, durch die Medizinischen Fakultäten? Für manche
Studenten der Psychologie und der Rechtswissenschaften ist die
Sexualwissenschaft Wahlpflichtfach, selten jedoch für Studierende der
Medizin. Sollten nicht alle Ärztinnen und Ärzte ausreichende
Kenntnisse über die menschliche Sexualität und ihre -teilweise
hochgefährlichen- Störungen erhalten? Wo sind die
Weiterbildungsangebote der Landesärztekammern in Sexualmedizin, wo
sind die Anlaufstellen für Menschen mit derart schwierigen sexuellen
Problemen? Jugendliche und Erwachsene mit potentiell schädlichen
sexuellen Neigungen irren unbetreut umher.

Und warum sollten Medizinstudierende das Fach Sexualmedizin
wählen, wenn es nicht ausreichend im Leistungskatalog der
Krankenkassen verankert ist? Wo ist die Fallpauschale für die
sexualmedizinische präventive Versorgung von Patienten mit
gemeingefährlichen Sexualstörungen?

Im Interesse des Kinderschutzes können wir es uns nicht länger
leisten, die Augen zu verschließen und tatenlos zu bleiben. Die nicht
entdeckten Hunderte von sexuellen Übergriffen auf Kinder, die
alltäglich im familiären und sozialen Umfeld begangen werden, oft mit
schrecklichen, nie therapierten Folgen für die Seele des einzelnen
Kindes, sollten uns nicht ruhen lassen. Hier ist ein Feld, das Feld
der Primärprävention, auf dem konkret potentiellen Tätern vorbeugende
Hilfe angeboten werden könnte, wenn die Verantwortlichen in Politik,
Wissenschaft, berufsständischen Organisationen und Sozialversicherung
es nur wollten.

Um Mißverständnissen vorzubeugen: Es geht nicht um die
Emanzipation der Pädophilie, sondern um den Kinderschutz. Niemand ist
verantwortlich für seine sexuelle Neigung, wohl aber für den Umgang
damit. Menschen mit sexuellen Störungen, die anderen, in diesem Fall
Kindern gefährlich werden können, benötigen präventive
sexualmedizinische Hilfestellung, um gerade das leisten zu können.

Barbara Schäfer-Wiegand

Sozialministerin a.D. Baden-Württemberg Vorsitzende der Stiftung
Hänsel + Gretel

P.S.

Anlässlich des Jubiläums der Stiftung Hänsel+Gretel findet ein
Expertengespräch, unter anderem mit Beteiligung der
Bundesjustizministerin Brigitte Zypries und von Innenminister
Heribert Rech am 21. November 2007, 18:30 Uhr, in die Vertretung des
Landes Baden-Württemberg beim Bund, Tiergartenstraße 15, 10785
Berlin, statt.

Originaltext: Hänsel + Gretel
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/38843
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_38843.rss2

Pressekontakt:
Stiftung Hänsel+Gretel
Veilchenstr. 23
76227 Karlsruhe
Tel. 0721-9431922
eMail: b.schaefer@haensel-gretel.de


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