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Neue Studie der Otto Brenner Stiftung: 20 von 30 Dax-Unternehmen betreiben aktiv Lobbyismus an Schulen

Geschrieben am 07-10-2019

Frankfurt (ots) - +++ OBS-Studie analysiert Formen, Umfang und
Inhalte von Lobbyismus an Schulen +++ Kostenlose
Unterrichtsmaterialien prägen Aktivität der DAX-Unternehmen +++
Ergebnis: Zwei Drittel produzieren Lehr- und Lernmaterialien, fast
alle davon auch für die Kleinsten der Kleinen (Primarstufe) +++
Privatisierung der Lehrpläne und Instrumentalisierung der Schulen
drohen zur Gefahr für den "Schonraum Schule" zu werden +++ Autor und
Stiftung fordern nachhaltige Prüfung und wirksame Begrenzungen +++

Sanierungsbedürftige Schulgebäude, gesunkene Schulbuchetats,
begrenzte Kopierkontingente und die wachsende Bedeutung fachfremder
Lehrkräfte ebnen mehr und mehr Privatunternehmen den Weg hinter die
Schultore. Das ist ein Ergebnis der Studie "Wie DAX-Unternehmen
Schule machen", die jetzt von der Otto Brenner Stiftung
veröffentlicht worden ist. Die Untersuchung analysiert den stetig
wachsenden Einfluss von Industrie und Wirtschaft auf die Schulen in
Deutschland. Sie zeigt, dass Unternehmen intensiver denn je im
einstigen "Schonraum Schule" für ihre Produkte und Dienstleistungen
werben, dort um künftige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer buhlen
oder mittels Lehrmaterialien auf die Prägung der Vor- und
Einstellungen von Schülerinnen und Schülern setzen. Kostenlose
Unterrichtsmaterialien stellen dabei der Studie zufolge die
prägendste Form der Beeinflussung dar.

Zwei Drittel der DAX-Unternehmen in Schulen präsent

Studienautor Tim Engartner, Professor für die Didaktik der
Sozialwissenschaften mit dem Schwerpunkt politische Bildung an der
Goethe-Universität Frankfurt, hat erstmalig die Verbreitung von Lehr-
und Lernmaterialien durch große deutsche Unternehmen untersucht. Sein
Befund: Zwanzig von dreißig DAX-Unternehmen bieten entsprechende
Materialien an. "Die Finanzierung, Entwicklung und zumeist kostenlose
Verbreitung von Unterrichtsmaterialien stellen heute das zentrale
Vehikel zur Einflussnahme auf den Unterricht dar", konstatiert
Engartner. Der profilierte Experte auf dem Gebiet der (schulischen)
Lobbyismus-Forschung hat zudem festgestellt, dass Unternehmen
bisweilen dieses Engagement mit der Entsendung unternehmenseigener
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Lehrpersonal verbinden.
Engartner befürchtet, dass der "unternehmerische Zugriff" auf die
Schule als "Erfahrungs-, Schutz- und Sozialisationsraum für Kinder
und Jugendliche" durch die steigende Zahl fachfremder Lehrkräfte und
die Erosion der Lernmittelfreiheit künftig noch zunehmen wird.

Wie die Studie zeigt, reicht das Engagement schon jetzt von
Unterrichtsmaterialien, die das Zeichnen von Briefmarken
thematisieren (Deutsche Post), über die Gestaltung von Wimmelbüchern
(Bayer) bis hin zu Illustrationen im Pixi-Format (Deutsche Börse).
Die Materialien orientieren sich dabei inhaltlich meist an den
Aktivitäten und Branchen der Unternehmen. Sie unterscheiden sich
jedoch nicht nur thematisch, sondern auch mit Blick auf Qualität und
Intensität. "Die meisten der untersuchten Unterrichtsmaterialien
lösen keinen Allgemeinbildungsanspruch ein, sondern fokussieren
Themen der Finanz-, Energie- und Automobilwirtschaft", bilanziert
Jupp Legrand, Geschäftsführer der Otto Brenner Stiftung. Und weil
dies in teils tendenziöser Art und Weise geschieht, diene das
Schul-Engagement oftmals weniger der Förderung des Gemeinwohls, als
dem Eigennutz der Unternehmen, so die Analyse von Autor und Stiftung.

Die Kleinsten der Kleinen im Visier

Fast alle der im Feld der Unterrichtsmaterialien aktiven
DAX-Unternehmen (17 von 20) adressieren mit speziellen Angeboten
explizit auch Grundschulkinder (Primarstufe), einige wenige erstellen
zusätzlich Materialien für Kindergärten. "Die Kleinsten der Kleinen
schon direkt anzusprechen zeigt exemplarisch, um was es mit diesem
Engagement viel zu oft geht: Frühzeitige Kundengewinnung, aber auch
die Propagierung bestimmter Weltbilder", konstatiert Legrand, "der
`Schonraum Schule´ wird damit zum Marktplatz und die Lerninhalte
verlieren ihre demokratische Legitimation." Vielfach stünde nicht die
Würde des Menschen im Mittelpunkt dieser unternehmerischen
Bemühungen, sondern die Freiheit des Marktes, heißt es im Vorwort des
Geschäftsführers zur Studie.

Als Konsequenz schlagen Autor und Stiftung eine stärkere
Regulierung privater Lehr- und Lernmaterialien vor. So gäbe es zwar
lobenswerte Beispiele, wie sich Schulen gegen Lobbyeinflüsse wehren,
aber eine "kohärente Praxis kritischer Wachsamkeit", beispielsweise
durch eine bundesweite Prüfstelle für Unterrichtsmaterialien privater
Content-Anbieter, liege "leider noch in weiter Ferne", stellt Prof.
Engartner nüchtern fest. Er appelliert an die bildungspolitisch
Verantwortlichen, diese (Schul-)Aufgabe koordiniert anzugehen.

Tim Engartner: "Wie DAX-Unternehmen Schule machen - Lehr- und
Lernmaterial als Türöffner für Lobbyismus", OBS-Arbeitsheft 100,
Frankfurt am Main, Oktober 2019. Kostenfreier Download unter
www.otto-brenner-stiftung.de/wie-dax-unternehmen-schule-machen/



Pressekontakt:
Otto Brenner Stiftung
Jupp Legrand
Telefon: 069 - 6693 2810
E-Mail: info(at)otto-brenner-stiftung.de

Autor:
Prof. Dr. Tim Engartner
Professur für Didaktik der Sozialwissenschaften
Goethe-Universität Frankfurt
Telefon: 069-798-36545
E-Mail: engartner(at)soz.uni-frankfurt.de

Original-Content von: Otto Brenner Stiftung, übermittelt durch news aktuell


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