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ROG erleichtert über Freilassung von russischem Investigativ-Journalisten

Geschrieben am 11-06-2019

Berlin (ots) - Reporter ohne Grenzen ist erleichtert darüber, dass
alle Anschuldigungen gegen den Investigativ-Journalisten Iwan Golunow
in Moskau fallen gelassen wurden. Der russische Innenminister
Wladimir Kolokolzew sprach am Dienstagnachmittag von einem Mangel an
Beweisen in dem Fall und kündigte an, zwei leitende Polizeibeamte der
Stadt zu entlassen. Der Hausarrest gegen den Journalisten werde
aufgehoben und das staatliche Ermittlungskomitee werde den Fall
untersuchen.

"An Golunows Unschuld bestand für uns kein Zweifel, wir freuen uns
sehr, dass er wieder frei ist", sagte ROG-Geschäftsführer Christian
Mihr. "Entscheidend ist jetzt, dass die Verantwortlichen für seine
Festnahme gefunden werden und die Ermittlungen nicht im Sande
verlaufen, sobald die internationale Aufmerksamkeit für den Fall
nachlässt."

SOLIDARITÄT IM IN- UND AUSLAND

Golunows Festnahme hatte zu einer beispiellosen Welle der
Solidarität geführt. Die führenden Wirtschaftszeitungen Russlands
(Kommersant, Wedomosti, RBK) erschienen am Montag mit identischer
Titelseite, auf der in großen Buchstaben stand: "Wir sind Iwan
Golunow" (https://ogy.de/dyzf). Der Fernsehsender NTW, sonst ein
verlässliches Sprachrohr für Verlautbarungen aus dem Kreml,
kritisierte die Festnahme in scharfen Worten (https://ogy.de/3mfz).
Bemerkenswert fanden Beobachter, dass sich selbst die Chefredakteurin
des russischen Auslandssenders RT, Margarita Simonjan, für Golunow
einsetzte (https://ogy.de/49uj). Fast 4.000 Journalisten hatten schon
am Freitag in einem offenen Brief die Freilassung ihres Kollegen
gefordert (https://ogy.de/a5mx).

Zeitungen druckten aus Protest Golunows Berichte nach - das
Nachrichtenportal Meduza, für das Golunow schrieb, hatte sie zur
freien Nutzung online gestellt (https://ogy.de/tpnh). Eine Petition,
die die Freilassung des Journalisten forderte, unterschrieben bis
Dienstagabend rund 180.000 Menschen (https://ogy.de/kivu). In Moskau
versammelten sich Hunderte spontan zu öffentlichen Protesten.

OHNE ANWALT UND NAHRUNG IN GEWAHRSAM

Iwan Golunow war am Donnerstag in der Moskauer Innenstadt auf dem
Weg zum Gespräch mit einem Informanten festgenommen worden. Die
Polizei behauptete, im Rucksack des 36-Jährigen und in dessen Wohnung
Kokain und die Partydroge Mephedron gefunden zu haben. Er wurde unter
dem Vorwurf festgehalten, Drogenhandel in großem Stil vorbereitet zu
haben - dafür drohen in Russland bis zu 20 Jahre Haft.

Erst rund 13 Stunden nach Golunows Festnahme informierten die
Beamten die Freundin des Journalisten über dessen Verbleib, sodass
diese einen Anwalt einschalten konnte. 24 Stunden lang durfte Golunow
in Polizeigewahrsam weder essen noch schlafen und wurde nach eigenen
Angaben von Beamten geschlagen. Zur Vernehmung am Samstag erschien er
völlig entkräftet und kommentierte, er habe nicht damit gerechnet,
dass er einmal bei seiner eigenen Beerdigung dabei sein würde.
(https://ogy.de/6am6)

FALL MIT ZAHLREICHEN UNREGELMÄSSIGKEITEN

Golunow, einer der angesehensten Investigativ-Journalisten
Russlands, recherchierte unter anderem zu Korruption im Beerdigungs-
und Baugeschäft in der russischen Hauptstadt. In seinen Texten ging
er Geldflüssen nach und nannte die Namen derer, in deren Taschen
öffentliche Mittel illegal flossen. Beobachter vermuteten, Golunows
Festnahme habe nicht die Staatsspitze angeordnet, vielmehr sei sie
von Männern aus der mittleren Leitungsebene der Geheimdienste
ausgegangen, die Golunows Recherchen hätten stoppen wollen.
(https://ogy.de/3fkz)

Reporter ohne Grenzen hatte bereits am Freitag auf diverse
Unregelmäßigkeiten in dem Fall hingewiesen (https://ogy.de/myfg). So
wurde Golunow die Bitte, Gewebeproben von seinen Händen und seinem
Rucksack zu nehmen, zunächst abgeschlagen. Die Beamten entnahmen die
Proben erst, nachdem seine Festnahme international für Empörung
gesorgt hatte - und Innenminister Kolokolzew zitierte eben jene
negativen Proben schließlich als Grund für Golunows Freilassung.
Außerdem musste die Polizei zugeben, dass eine Reihe der Bilder, die
sie zunächst im Zusammenhang mit dem Fall veröffentlicht hatte, gar
nicht aus Golunows Wohnung stammten. Auch, dass das Gericht am
Samstag keine Untersuchungshaft, sondern Hausarrest für den
Journalisten anordnete, überraschte viele.

HARSCHE STRAFEN FÜR REGIMEKRITIKER

In Russland werden immer wieder Regimekritikerinnen und -kritiker
unter dem Vorwand verhaftet, sie würden Drogen besitzen oder mit
ihnen handeln. Jüngst traf dies den Vertreter der
Menschenrechtsorganisation Memorial in Tschetschenien, Ojub Titijew,
der in einem umstrittenen Verfahren im März zu vier Jahren Haft
verurteilt wurde. Mit welch drakonischen Strafen regimekritische
Journalistinnen und Journalisten rechnen müssen, zeigt der Fall des
Herausgebers Igor Rudnikow aus Kaliningrad, für den die
Staatsanwaltschaft in einem klar politisch motivierten Verfahren zehn
Jahre Lagerhaft fordert. Das Urteil in seinem Prozess wird am 17.
Juni erwartet. (https://ogy.de/cnhr)

Auf der ROG-Rangliste der Pressefreiheit steht Russland auf Platz
149 von 180 Staaten.



Pressekontakt:
Reporter ohne Grenzen
presse@reporter-ohne-grenzen.de
www.reporter-ohne-grenzen.de/presse
T: +49 (0)30 609 895 33-55
F: +49 (0)30 202 15 10-29

Original-Content von: Reporter ohne Grenzen e.V., übermittelt durch news aktuell


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