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Börsen-Zeitung: Sicherheit ist Trumpf, Marktkommentar von Kai Johannsen

Geschrieben am 17-08-2018

Frankfurt (ots) - Die Erholung der türkischen Lira ist nicht von
langer Dauer gewesen. Die Worte des türkischen Finanzministers Berat
Albayrak, die der Beruhigung der Finanzmärkte dienen sollten,
verschafften der Währung des Landes nur eine kurze Atempause von
gerade mal einem Handelstag.

Unterstützungszusagen für heimische Banken, Ankündigungen, die
Inflation unter Kontrolle zu bringen und Einschätzungen, dass das
Land aus der Währungskrise gestärkt hervorgehen könnte, waren am
Freitag nur noch Schall und Rauch. Der Abstieg der Lira wurde wieder
aufgenommen. Am Freitagabend stand dann ein Tagesverlust gegenüber
dem Dollar von 4,3 Prozent zu Buche. Im Vergleich zum Euro waren es
4,7 Prozent. Seit Jahresanfang hat die Lira damit gegenüber dem
Greenback gut 60 Prozent verloren, im Vergleich zum Euro knapp 53
Prozent.

Bei den in Dollar denominierten Staatsanleihen der Türkei setzten
die Renditen wieder zur Klettertour an, bei den in Lira begebenen
Anleihen verharrten die Renditen im Laufzeitenband von zwei bis zehn
Jahren in der Spanne von fast 27 Prozent (zwei Jahre Laufzeit) bis
gut 21 Prozent (zehn Jahre Laufzeit). Die Renditestrukturkurve ist
somit invertiert. Vor Pleiten hat man das schon häufiger gesehen.
Dies ist ein Strudel, aus dem sich die Türkei derzeit offenkundig
nicht befreien kann. Mit warmen Worten wird das schon gar nicht
funktionieren.

Am Markt heißt es, dass es zwar gut war, dass Finanzminister
Albayrak der Inflationsbekämpfung in seinem Land die höchste
Priorität einräumt. Doch das sind eben alles nur Worte. Es müssen
Taten folgen, auf der fiskalischen Seite, vor allem aber auch seitens
der türkischen Notenbank. Doch da Staatspräsident Recep Tayyip
Erdogan als Feind der Zinsen gilt, wird es mit der so dringend
benötigten Leitzinsanhebung in der Türkei wohl so schnell nichts
werden. Deshalb wird der Verfall der Währung weitergehen. Dafür
braucht man keinen Blick in die Kristallkugel.

Die Türkei ist damit ein sehr großer Unsicherheitsfaktor für die
Kapitalmärkte - zusammen mit dem Handelskonflikt der USA mit China
und anderen Ländern. Es geht die Sorge um, dass diese beiden Faktoren
die internationale Konjunkturentwicklung empfindlich beeinträchtigen
könnten. Das bekämen natürlich nicht nur die entwickelten
Volkswirtschaften wie etwa die Länder der Eurozone zu spüren, sondern
auch die Emerging Markets. Sie sind ein sehr großer Abnehmer von
Industriemetallen, die in den vergangenen Tagen aufgrund der Sorge,
dass die hohe Nachfrage nach Kupfer & Co. zurückgehen könnte, auf
Tauchstation gingen. Ebenso sah die Kursreaktion beim Rohölpreis aus.

Doch beunruhigt noch ein dritter Faktor die Marktakteure sehr, und
das ist Italien. Es gibt zwar rund um den vereinbarten
Haushaltsrahmen derzeit keine neuen Nachrichten, die die Sorgen
weiter befeuern könnten. Aber allein die Angst, es könnte zu
deutlichen Ausgabensteigerungen im Budget für 2019 kommen und damit
neuer Streit in Italiens Politik heraufbeschworen werden, lässt die
Anleger dazu übergehen, lieber die Finger von italienischen
Staatsanleihen zu lassen. Im zehnjährigen Laufzeitenbereich ging es
bis fast auf 3,2 Prozent hinauf. Der Spread zu den deutschen Pendants
liegt derzeit bei knapp 300 Basispunkten. Erste Erinnerungen an die
Staatsschuldenkrise werden wach.

Damit kommt auch wieder die Flucht in Sicherheit in Gang. Die
Anleger steuern in dieser von hohen Unsicherheiten geprägten
Gemengelage die sicheren Häfen an. Von dem Ansteuern der sicheren
Häfen - auch das kennt man nur zu gut aus der Staatsschuldenkrise,
aber auch der Finanzmarktkrise - profitieren die Bundesanleihen.

Es ist beeindruckend, wie weit die Renditen schon wieder gepurzelt
sind. Bei der zehnjährigen Bundesanleihe sind es aktuell noch um die
0,3 Prozent, am Freitag ging es bis auf knapp unter 0,29 Prozent
herunter. Damit ist das Jahrestief von 0,19 Prozent, das Ende Mai
durch die Italien-Unsicherheiten erreicht wurde, nur noch einen
Katzensprung entfernt. Das kann also in wenigen Tagen erreicht sein.
Dafür reicht die nächste Episode im US-Handelsstreit, eine weitere
Abwertungswelle der türkischen Lira oder ein Disput italienischer
Politiker. Das ist alles durchaus wahrscheinlich.

Wer noch sichere 1 Prozent haben will, muss lange suchen. Bei den
Bundesanleihen gibt es diesen Satz selbst bei den Langläufern von 30
Jahren nicht mehr. Die tauchten nun auch am Primärmarkt in der
abgelaufenen Woche unter 1 Prozent. Am Sekundärmarkt waren es am
Freitag noch gerade einmal 0,97 Prozent. Wer mag da noch an das Wort
Zinswende denken.



Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de

Original-Content von: Börsen-Zeitung, übermittelt durch news aktuell


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