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Mittelbayerische Zeitung: Müde Triumphatorin / Merkel geht nach dem Scharmützel mit Seehofer angeschlagen, aber letztlich erfolgreich in den Urlaub. Der Streit verlagert sich in die Reihen der CSU. Vo

Geschrieben am 20-07-2018

Regensburg (ots) - Horst Seehofer hatte gewiss nicht die Absicht,
als Bettvorleger der Kanzlerin zu landen. Dennoch ist er das faktisch
geworden. Der einstige bayerische Löwe hatte gebrüllt, hatte die
Regierung an den Abgrund geführt, hätte um ein Haar die
Fraktionsgemeinschaft der Union und die GroKo mit den
Sozialdemokraten gleich mit platzen lassen. Doch nicht der trotzige
Bundesinnenminister, sondern die nervenstarke Kanzlerin ging
erfolgreich aus dem politischen Scharmützel hervor, das die Republik
wochenlang in Atem hielt. Merkel verabschiedete sich gestern als
etwas müde Triumphatorin halbwegs vergnügt in den verdienten Urlaub.
Der Bundesinnenminister indes muss nachsitzen. Und zwar gleich in
mehrfacher Hinsicht. So sind diverse Unregelmäßigkeiten bei der
Abschiebung von Flüchtlingen aus Deutschland, vor allem ins
Kriegsland Afghanistan, aufzuklären. Gar nicht lustig war auch seine,
als Witz gedachte Äußerung, dass ausgerechnet an seinem 69.
Geburtstag genau 69 Flüchtlinge an den Hindukusch abgeschoben wurden.
Einer von ihnen hatte sich erhängt. Mehrere sind offenbar
unrechtmäßig per Flugzeug nach Kabul transportiert worden. Seehofer
und das ihm unterstehende Nürnberger Bundesamt für Flüchtlinge und
Migration jedenfalls haben einiges zu erklären. Dabei hatte Seehofer
doch - als Reaktion auf die vielen Unregelmäßigkeiten bei der
BAMF-Außenstelle in Bremen - angekündigt, die Strukturen und Abläufe
auf Vordermann zu bringen. Wenn Bremen möglicherweise noch auf die
Kappe seines Vorgängers im Ministeramt, Thomas de Maizière, gehen
könnte, trägt Seehofer für die jüngste Abschiebung einen Großteil der
Verantwortung. Und warum ausgerechnet viele gut integrierte und um
Ausbildung bemühte Afghanen in den Flieger gesetzt wurden, erschließt
sich nicht. Oder wollte da etwa jemand ein Exempel statuieren und als
besonders harter Hund und Abschieber Beifall einheimsen? Dieser
Verdacht drängt sich zumindest auf. Die für die CSU dramatisch
niedrigen Umfragewerte besagen jedenfalls, dass die Karte
Zurückweisung von Flüchtlingen an der deutschen Grenze nicht gezogen
hat. Und sollte nun noch der Streit zwischen Söder und Seehofer
eskalieren, wer für die mickrigen Werte der Christsozialen im
Freistaat verantwortlich sei, dann verschärft das nur noch die Misere
der bayerischen Staatspartei. Und das wenige Wochen vor dem wichtigen
Urnengang im weiß-blauen Freistaat am 14. Oktober. Die Kanzlerin
jedenfalls kann sich - ob Urlaub oder nicht - wieder mehr den anderen
Herausforderungen des Landes und denen auf dem internationalen
Parkett widmen. Und davon gibt es eine ganze Menge. Vielen Menschen
brennt unter den Nägeln, dass sie keine bezahlbare Wohnung finden
können. Aus der Pflege kommen weiter Notsignale. Und die Klimaziele
werden krachend verfehlt. Doch, einmal kurz in den Abgrund geschaut,
scheint es der CDU-Chefin sogar wieder Spaß zu machen, Krisen zu
managen, mit den Polit-Machos Donald Trump, Wladimir Putin oder Recep
Tayyip Erdogan die Klingen zu kreuzen, mit der überforderten
britischen Premierministerin Theresa May über den unsäglichen Brexit
zu verhandeln oder mit Frankreichs charismatischem Präsidenten
Emmanuel Macron an der neuen EU zu basteln. Man kann der
Langzeitkanzlerin vieles vorwerfen, etwa dass sie viele schöne
Versprechen mache, die Menschen mit ihrer "Wir-schaffen-das"-Attitüde
einlulle, ihre Entscheidungen herauszögere, dass sie keine zündenden
Reden halten könne und dass es ihr doch nur um die Macht gehe. An
allem ist etwas dran. Doch dass Merkel im 13. Jahr ihrer Amtszeit
amtsmüde geworden ist, kann man ihr nun wirklich nicht nachsagen.
Jedenfalls hat sie gestern alles unternommen, um diesen Eindruck gar
nicht erst aufkommen zu lassen.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de

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