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Landeszeitung Lüneburg: Es läuft auf den Steuerzahler hinaus-Bankenexperte Prof. Dr. Burghof über die italienische Bankenkrise und Mario Draghis Rolle dabei

Geschrieben am 14-07-2016

Lüneburg (ots) - Die Banken in Italien stecken in einer schweren
Krise. Faule Kredite in Milliardenhöhe und eine lahmende Wirtschaft
bilden einen Teufelskreis, den die italienische Regierung mit einem
Rettungspaket für die Banken durchbrechen will. Allerdings würde dies
die Regeln verletzen, die mit der Bildung der Bankenunion als
Reaktion auf die schwere Finanzkrise 2008 aufgestellt wurden. Viele
führende EU-Politiker lehnen daher Staatshilfen für Banken strikt ab
- noch. "Ich fürchte, am Ende wird man Italiens Bankensystem eben
doch mit Steuergeld retten wollen", sagt der Bankenexperte Prof. Dr.
Hans-Peter Burghof im Gespräch mit unserer Zeitung.

Ganz Europa fürchtet die Folgen des Brexit. Gleichzeitig zieht
eine neue Bankenkrise herauf. Muss sich Europa davor mehr fürchten?

Prof. Dr. Hans-Peter Burghof: Das eine ist das größere politische,
das andere das größere ökonomische Problem. In der Kombination ist
das eine große Herausforderung für Europa, die wir erst einmal
meistern müssen.

In den Bilanzen von Italiens Banken türmen sich faule Kredite in
Höhe von rund 360 Milliarden Euro - das entspricht einem Drittel der
gesamten faulen Darlehen in der Eurozone. Wie konnte es so weit
kommen?

Burghof: In Italien wurde immer alles auf die lange Bank
geschoben. Wir haben über die Jahre verschleppte Reformen. Und die
Banken haben nach der Finanzkrise eher dem Staat als den Unternehmen
Kredit gegeben. Das hat die Unternehmen weiter geschwächt. Heute
schlägt sich dies massiv in den Bilanzen der Unternehmen nieder.
Gegenwärtig haben wir daher eine deutliche Verschlechterung der
wirtschaftlichen Situation in Italien, und das trifft auch wieder die
Banken. Es ist ein Teufelskreis.

Der Abbau fauler Kredite kann nur gelingen, wenn die Bank diese
mit deutlichen Verlusten verkauft und hohe Abschreibungen vornimmt.
Dafür aber fehlen die Kapitalpuffer - trotz mehrerer
Kapitalerhöhungen und zweier Rettungsaktionen durch den Staat seit
der Finanzkrise 2008. Haben die Alarmsysteme beziehungsweise die
Bankenregulierer erneut versagt?

Burghof: Offenkundig ist das der Fall. Die Bankenaufsicht in
Italien hat ihre Aufgabe nicht erfüllt. Sie hat Transaktionen
getätigt, die die Probleme überdecken sollten, statt sie wirklich zu
lösen. Die Strukturen, die Anreize, die dazu geführt haben, dass man
sich so verhält, sind nicht aufgehoben, sondern eher noch verstärkt
worden. Denn mit der Perspektive einer Rettung durch Europa geht man
ein Geschäft natürlich ganz anders an, als wenn man weiß, dass man
selbst dafür bluten muss.

Der Chefökonom der Deutschen Bank, David Folkerts-Landau, hat
vorgeschlagen, 150 Milliarden Euro in die Rekapitalisierung der
europäischen Banken zu stecken. Reicht das aus?

Burghof: Ob das ausreicht, ist schwer zu sagen. Es hängt davon ab,
wie sich die Krise weiter verschärft. Aber ich finde es interessant,
dass gerade der Chefökonom der Deutschen Bank sich so äußert. Denn
natürlich arbeitet er damit auch pro domo: Die Deutsche Bank ist
intensiv vernetzt mit anderen Banken. Und wenn eine allgemeine
Bankenkrise kommt, wäre das auch ein Problem für die Deutsche Bank.
Sie ist im Kapitalmarkt zwar gut aufgestellt, hätte aber wenig Freude
daran, wenn zusätzliche Verluste ihre Bilanzen belasten würden.

Vor allem die Traditionsbank Monte dei Paschi di Siena (MPS) steht
im Fokus. Es wird davon ausgegangen, dass die Bank ihre faulen
Kredite im Wert von fast 44 Milliarden Euro nicht ohne staatliche
Hilfe abbauen kann, wie von der Europäischen Zentralbank gefordert.
Der neuen EU-Bankenrichtlinie zufolge dürfen staatliche Hilfen für
angeschlagene Banken aber erst fließen, nachdem Aktionäre und private
Gläubiger herangezogen wurden. Was hätte das für Auswirkungen für den
gesamten Finanzsektor?

Burghof: Dass man zunächst nicht auf staatliche Hilfen
zurückgreift, wenn man eine Bank abwickelt, ist einer der
wesentlichen Bausteine der europäischen Bankenunion. Man könnte auch
sagen, dass es eine der Bedingungen war, die erfüllt sein mussten,
damit sich die Länder mit besseren, solideren Banksystemen bereit
erklärt haben, in diese doch gemeinschaftliche Haftung der
Bankenunion hineinzugehen. Wenn man diese Regeln brechen würde, wäre
damit die gesamte europäische Bankenunion infragezustellen. Deshalb
ist es verständlich, dass die Europäische Zentralbank als europäische
Bankenaufsichtsbehörde zunächst einmal fordert, dass es keine
staatlichen Hilfen gibt. Dies erscheint aber leider politisch
unrealistisch. Italien hat bereits bei mehreren kleineren
Regionalbanken die vereinbarten Verfahren durchgezogen. Das hat zu
erheblichen Protesten geführt, weil private Gläubiger mehrere hundert
Millionen Euro verloren haben. Die Regierung will natürlich
wiedergewählt werden. Da es in Italien mehrere alternative Parteien
und Strömungen gibt, die eine teilweise sehr extreme Position
gegenüber Europa einnehmen, wird man eine Wahlniederlage der
aktuellen Regierung nicht riskieren wollen. Hier vermischt sich das
Ökonomische und das Politische in einer sehr unerfreulichen Weise.
Ich fürchte, am Ende wird man Italiens Bankensystem eben doch mit
Steuergeld retten wollen.

Auch bei der größten Bank des Landes, Unicredit, wachsen die
Sorgen vor neuen Lücken. Sie gilt als global systemrelevant.

Burghof: Die einzige wirklich große international tätige Bank
Italiens hat schon mehr getan im Abbau alter Probleme. Aber
letztendlich trifft natürlich auch die Unicredit die Tatsache, dass
sich die Bewertung italienischer Kredite massiv verschlechtert hat -
auch weil sich die gesamtwirtschaftliche Situation Italiens so
verschlechtert hat. Die ganzen aufgeschobenen Reformen, die
Unfähigkeit des politischen Systems, sich zu reformieren, die ganze
damit verbundene Ineffizienz ist über eine Schwelle gestiegen,
jenseits derer es den Unternehmen nicht mehr möglich ist, sich
dagegen zu wehren. Das trifft jede Bank, die in Italien in
erheblichem Umfang Geschäfte macht.

Deutsche und französische Banken sind auch stark in Italien
engagiert. Befürchten Sie auch hier Ausfälle?

Burghof: Ich würde mal vermuten, dass die Kredite, die eine
ausländische Bank gibt, nicht per se besser sind als die, die eine
inländische Bank vergibt.

Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem hat ein neues
milliardenschweres Banken-Rettungsprogramm aus Steuergeldern
abgelehnt. EU-Chef Jean-Claude Juncker ist hingegen bekannt dafür,
dass er immer mal wieder politische Lösungen abseits von vereinbarten
starren Regeln anstrebt. Glauben Sie, dass es eine Art "Lex Italia"
geben wird?

Burghof: Ja, das würde ich sehr stark vermuten. Es gibt auch noch
andere Gründe, die dafür sprechen, wie eben die Gefahr der
politischen Destabilisierung Italiens. Außerdem war der heutige
Präsident der Europäischen Zentralbank Mario Draghi von 2006 bis 2011
Chef der italienischen Zentralbank, und gerade in diesen Jahren und
damit unter seiner Verantwortung wurden die Probleme des
italienischen Bankensystems eben nicht angegangen, sondern auf die
lange Bank geschoben. Dies hat im Ergebnis zu der Verschärfung der
Lage geführt, mit der wir heute konfrontiert sind. Mario Draghi wird
dieses Versagen nicht bloßstellen wollen. Er wird daher nach einer
Lösung suchen, bei der die Probleme möglichst unauffällig beseitigt
werden, ohne dass man einen genaueren Blick auf die Ursachen und die
Rolle der italienischen Zentralbank dabei werfen muss. Dafür braucht
er aber viel Geld - und die Frage ist, wo er dieses Geld herbekommt.

Was sagen Sie denn generell zur Null-Zins-Politik Draghis?

Burghof: Ganz allgemein ist diese Null-Zins-Politik sehr
unerfreulich für jene Länder, die eine solche Politik zur Förderung
ihres Wirtschaftswachstums gar nicht benötigen. Sie ist aber auch
unwirksam, denn wir befinden uns eigentlich in einer Art
keynsianischer Liquiditätsfalle: Das Geld, das in den Markt gepumpt
wird, kommt nicht da an, wo es ankommen soll. Damit bleiben nur die
negativen Effekte, und die sind für Deutschland besonders drastisch.
Die Null-Zins-Politik schneidet vor allem kleinen und regionalen
Banken eine wesentliche Ertragsquelle ab, nämlich die der günstigen
Refinanzierung über Kundeneinlagen. Unter den aktuellen
Marktbedingungen müssten sie anstelle einer Zinszahlung an die Kunden
von den Kunden eine Aufbewahrungsgebühr fordern. Im Massengeschäft
ist aber ein solcher Negativzins kaum durchsetzbar, da er die Kunden
sehr verärgern würde, vor allem aber, weil die Kunden das Geld
einfach in bar abheben könnten, was im Ergebnis zu einem Run auf das
Bankensystem und damit zu hohem Schaden für Staat und Gesellschaft
führen würde. Die meisten Banken machen daher mit ihrer
Einlagenfinanzierung schlichtweg Verlust. Dies trifft vor allem die
kleinen, kundenorientierten Institute mit vielen Zweigstellen,
während die großen, am Kapitalmarkt orientierten Banken den
Negativ-Zins durchaus an ihre Finanziers weitergeben können.
Langfristig bewirkt daher die Null-Zins-Politik eine
Strukturveränderung des deutschen Bankensystems, die überhaupt nicht
in unserem Sinne ist: weg von der Dezentralität, weg von der
Mittelstands- und Kunden-Orientierung, hin zu großen Instituten, hin
zu am Ende weniger Wettbewerb in der Fläche.

Konterkariert die Null-Zins-Politik am Ende auch die
Sparbemühungen der Staaten?

Burghof: Rein buchhalterisch stärkt diese Politik die
Sparbemühungen, weil die Staaten keine oder nur geringe Zinsen zahlen
müssen. Aber aus ökonomischer Perspektive muss man auch Politikern
Anreize setzen, das Richtige zu tun. Ein ordentlicher, solider Zins
ist ein solcher Anreiz, weil er den Politikern klarmacht: Wenn du
heute einen Kredit aufnimmst, ist dein finanzieller Spielraum morgen
kleiner. Diesen Anreiz gibt es heute nicht. Manche Politiker und
Journalisten träumen sogar davon, mit der zusätzlichen Kreditaufnahme
Geld zu verdienen.

Die Euro-Gruppe treibt auf der einen Seite die Defizitverfahren
gegen Spanien und Portugal voran, auf der anderen Seite scheint sie
Italien an der langen Leine zu lassen, Haben Sie dafür noch
Verständnis?

Burghof: Nein, denn es ist eine rein politische Geschichte. Die
Defizitverfahren per se sind viel zu langsam. Eine Bestrafung durch
den Kapitalmarkt wäre viel unmittelbarer wirksam, ist aber nicht mehr
erwünscht. Anders ausgedrückt: Was in Europa gemacht wird, ist
asymmetrisch statt ökonomisch - und hängt vor allem vom politischen
Einfluss der jeweiligen Akteure ab.

Das Interview führte

Werner Kolbe



Pressekontakt:
Landeszeitung Lüneburg
Werner Kolbe
Telefon: +49 (04131) 740-282
werner.kolbe@landeszeitung.de


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