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Börsen-Zeitung: Ist das schon alles gewesen?, ein Marktkommentar von Dieter Kuckelkorn

Geschrieben am 01-07-2016

Frankfurt (ots) - Ist das schon alles gewesen? Das muss man sich
fragen, wenn man sich die Reaktionen der Kapitalmärkte auf das
britische Votum für einen Austritt aus der Europäischen Union
(Brexit) ansieht.

Während kontinentaleuropäische Politiker und auch britische
Brexit-Gegner keine Gelegenheit auslassen, die britischen Wähler
zumindest verbal für ihre Entscheidung abzustrafen, indem sie die
Zukunft in möglichst düsteren Farben malen, machen die Märkte auf
Tiefenentspannung. Die starken Verluste und die extreme Nervosität
haben gerade einmal zwei Handelstage angehalten. Die Erholung, die
daraufhin einsetzte, hat sich bislang als recht tragfähig erwiesen.

So steht der FTSE 100 mittlerweile auf einem höheren Niveau als
unmittelbar vor der Entscheidung. Im bisherigen Jahresverlauf hat er
7,2 Prozent zugelegt. Vergleicht man dies mit der Performance anderer
europäischer Aktienindizes, so könnte man meinen, dass eher ein
"Gexit" oder noch naheliegender ein "Italexit" auf dem Programm
steht: Der Dax hat im Vergleich zu seinem Stand vom Jahresanfang 9,4
Prozent eingebüßt, der FTSE Mib sogar 22,3 Prozent.

Nun ist das Bild sicher nicht vollständig, wenn man neben den
Aktien nicht auch die anderen Märkte betrachtet. An den
Renditeniveaus von Staatsanleihen aus Kernstaaten wie Deutschland
oder den USA lässt sich schon eine Flucht in Qualität ablesen. Zudem
stehen Yen und Schweizer Franken unter starkem Aufwertungsdruck, das
Pfund hat noch keine ernsthaften Anstrengungen unternommen, seine
hohen Verluste nach dem Brexit-Votum auszugleichen. Zudem hat der
Goldpreis seit Jahresanfang kräftig zugelegt. Angesichts eines
Niveaus von rund 1330 Dollar je Feinunze lässt sich aber kaum von
tiefgreifender Panik an den Finanzmärkten sprechen.

Für die erstaunliche Ruhe an den Aktienmärkten gibt es mehrere
Gründe. So glaubt die Mehrheit der Marktteilnehmer schlicht nicht an
das von vielen EU-Politikern gezeichnete Bild einer völligen
Abnabelung Großbritanniens von der Union mit desaströsen
Konsequenzen. Das Szenario einer künftigen Sonderstellung der Briten
nach dem Vorbild der Schweizer wird letztlich für wesentlich
wahrscheinlicher gehalten.

Dahinter steckt folgendes Kalkül: Mit einer ökonomischen
Abstrafung Großbritanniens würden sich auch EU-Kernländer wie
Deutschland selbst erheblich wehtun. Letztlich ist es kaum denkbar,
dass eine harte Trennung von Großbritannien gegen den Widerstand der
Bundesregierung möglich wäre. In Berlin wiederum haben Branchen wie
die Autoindustrie und die Banken einen besonderen Einfluss und ein
großes Interesse daran, dass sich an den ökonomischen Realitäten
möglichst wenig verändert. Wenn sich die öffentliche Aufregung in
Europa in ein paar Monaten gelegt hat, so glaubt man an den Märkten,
dürfte in den Hinterzimmern in Brüssel eine für alle Seiten
akzeptable Lösung ausgehandelt werden.

Zudem sehen mittlerweile die Fundamentaldaten am deutschen und
europäischen Aktienmarkt wieder recht attraktiv aus. Gemessen am
Kurs-Gewinn-Verhältnis ist das Bewertungsniveau deutlich niedriger
als an den US-Börsen. Nach der Korrektur, die übrigens auch ohne
Brexit zu erwarten gewesen wäre, sind die erwarteten
Dividendenrenditen mit 3,5 Prozent für den Dax und 4,2 Prozent für
den Euro Stoxx 50 wieder deutlich angestiegen. Demgegenüber sind die
Renditen zehnjähriger deutscher Staatsanleihen auf ein neues
Allzeittief gesunken. Es mangelt also nach wie vor an alternativen
Anlagemöglichkeiten.

Auf absehbare Zeit dürfte zudem die Gewinnentwicklung der
Unternehmen stabil bleiben. An eine Rezession im kommenden Jahr als
Folge der Brexit-Entscheidung glaubt kaum jemand - sonst würde der
Dax bereits jetzt deutlich unter Druck geraten, weil seine
Mitgliedskonzerne rund 53 Prozent ihrer Umsätze in Europa erzielen.
Nicht wenige Analysten raten gegenwärtig dazu, die niedrigen Kurse
für Käufe zu nutzen. Außerdem ist man sich sicher, dass die
Notenbanken bei Bedarf zur Unterstützung der Märkte herbeieilen
werden.

Allerdings gilt es eine Gefahr zu beachten: Sollte sich wider
Erwarten doch abzeichnen, dass die Briten für ihre Entscheidung büßen
sollen, wird die Erholung sofort in sich zusammenbrechen.



Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de


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