(Registrieren)

Börsen-Zeitung: Das Eis wird dünner, Marktkommentar von Christopher Kalbhenn

Geschrieben am 10-06-2016

Frankfurt (ots) - Mit einem mulmigen Gefühl sind die
Marktteilnehmer am Freitag ins Wochenende gegangen. Nach einer
bereits schwachen Tendenz am Vortag gab der Dax noch deutlicher nach.
Der Index fiel nicht nur unter die Schwelle von 10000, sondern gleich
noch unter 9900 bis auf 9819 Punkte. Zum Schluss wies er einen
Verlust von 2,5% auf 9835 Zähler auf. Die Verunsicherung war auch an
den vermeintlich sicheren Assets ablesbar. Die Rendite der
zehnjährigen Bundesanleihe sank auf ein Rekordtief von nur noch einem
Basispunkt und schrammte damit fast den Negativbereich, der Preis der
Feinunze Gold stieg auf ein Dreiwochenhoch von 1278 Dollar.

Das alles andere überschattende Thema an den Märkten war das am
23. Juni anstehende Votum der Briten über den Verbleib oder den
Austritt (Brexit) aus der EU. Angesichts der möglichen Turbulenzen,
die ein Brexit zur Folge hätte, sind die Marktteilnehmer wohl auch
gut beraten, sich vorerst nicht allzu weit aus dem Fenster zu lehnen.
Umfragen zeigten zuletzt ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit dünnem Vorsprung
für die Anhänger des Verbleibs in der EU oder abgekürzt "Bremain".

Beunruhigende Szenarien

Beunruhigende Szenarien über die Folgen eines Brexit nicht nur für
Großbritannien werden derzeit zuhauf publiziert. So ist die auf
Risikomodelle spezialisierte Axioma der Auffassung, dass im Falle des
Brexit ein Einbruch der europäischen Aktienmärkte um 24% droht. Die
Citigroup glaubt, dass eine Stampede in den sicheren Hafen der
US-Staatsanleihen deren Renditen auf Rekordtiefstände drücken könnte.
Ihrer Einschätzung nach würde ein Brexit zu massiven Abflüssen aus
Großbritannien und zu kräftigen Zuflüssen in Treasuries führen. Das
Rekordtief der zehnjährigen Treasury-Rendite, die derzeit bei 1,65%
liegt, wurde im Jahr 2012 mit 1,38% erreicht.

Darüber hinaus haben sich die Märkte noch mit weiteren politischen
Risiken auseinanderzusetzen. Nach dem Brexit-Votum folgt noch in
diesem Monat eine ebenfalls brisante Parlamentswahl in Spanien, und
danach rückt der US-Präsidentschaftswahlkampf zunehmend in den Fokus,
in dem es Donald Trump noch nicht gelingt, sich als Wunschkandidat
der Finanzmärkte zu positionieren.

Doch auch das fundamentale Umfeld entwickelt sich aus Sicht des
Aktienmarktes zurzeit alles andere als rund. Seitdem der
US-Arbeitsmarktbericht mit einem deutlich hinter den Erwartungen
zurückgebliebenen Stellenaufbau geschockt hat, sind die Sorgen über
die Aussichten der Weltwirtschaft wieder ins Rampenlicht gerückt, ein
weiterer Grund dafür, dass Dividendentitel derzeit schwächeln und
Staatsanleihekurse anziehen. In der abgelaufenen Woche folgte dann
die nächste Hiobsbotschaft. Die Weltbank reduzierte ihre Prognose für
das Wachstum der Weltwirtschaft, und zwar drastisch von 2,9% auf nur
noch 2,4%. Begründet wurde dies mit einer beunruhigend langen Liste
von Gründen: Schleppendes Wachstum in den entwickelten
Volkswirtschaften, anhaltend niedrige Rohstoffpreise, ein schwacher
Welthandel und schwindende Kapitalflüsse. 40% der Abwärtsrevision
entfielen auf Rohstoffe exportierende Schwellenländer, für die in
diesem Jahr nur noch ein Wachstum von 0,4% nach im Januar noch
angenommenen 1,6% erwartet wird. Die Wirtschaft Brasiliens wird der
Weltbank zufolge in diesem Jahr um 4% nach 3,8% im Vorjahr
schrumpfen, und auch für das nächste Jahr wird nun mit einem
negativen Wachstum von 0,2% gerechnet.

Damit setzt sich der Trend abbröckelnder Erwartungen für das
globale Wachstum ungebrochen fort, und das kann für die Aktienmärkte
nur eine negative Nachricht sein. Denn wenn dieser Trend nicht bald
zum Stillstand kommt, wird auch das Eis für die Unternehmensgewinne
bzw. für die Ergebnisschätzungen immer dünner. Derzeit liegen die
Konsensprognosen für das Wachstum der Gewinne je Aktie dieses Jahres
für die amerikanischen und europäischen Unternehmen noch knapp über
der Nulllinie. Sinken sie noch weiter, müssen auch die
Ertragserwartungen an Aktieninvestments und Indexziele nach unten
angepasst werden.

Die geldpolitischen Impulse und der Mangel an Anlagealternativen
bleiben zwar als Stützen für Dividendentitel erhalten. Angesichts der
politischen und fundamentalen Belastungsfaktoren scheint jedoch
fraglich, dass oberhalb der Schwelle von 10000 Zählern derzeit
erhebliches weiteres Aufwärtspotenzial vermutet werden kann. Eher
entsteht der Eindruck, dass im Bereich zwischen 10500 bis 11000
Punkten der obere Rand der für die kommenden Monate erwartbaren
Bandbreite des Dax liegen könnte.



Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

592769

weitere Artikel:
  • Statement zum heutigen Gerichtstermin am Landgericht Darmstadt (FOTO) Rüsselsheim (ots) - Wir haben vor Gericht die Vorwürfe der Deutschen Umwelthilfe zurückgewiesen. Wir haben bei lediglich zwei Punkten zugestimmt, in gewissen Pressemitteilungen die Angaben zu NOx-Abgas-Emissionen des Opel Zafira Tourer zu präzisieren. Kurz zusammengefasst haben wir zugestimmt, auf Aussagen zu verzichten, dass (1.) der Opel Zafira Tourer die niedrigsten Stickoxidemissionen hat, in der konkreten Weise, wie es in einer Pressemitteilung von Februar 2015 erfolgt war, und dass (2.) das Fahrzeug so sauber wie ein Benziner mehr...

  • ViiV Healthcare Announces FDA Approval to Lower the Weight Limit for dolutegravir in Children and Adolescents Living With HIV London (ots/PRNewswire) - Reduction of weight limit to at least 30kg means more children and adolescents will be eligible for dolutegravir ViiV Healthcare today announced that the US Food and Drug Administration (FDA) has approved a supplemental New Drug Application (sNDA) for dolutegravir 10mg and 25mg oral tablets, reducing the weight limit from at least 40kg to at least 30kg, in ages 6 to less than 12 years old, for the treatment of HIV-1 in children and adolescents.[1] Dolutegravir, in line with the current label, mehr...

  • Den Ertrag im Blick: Automatische Überwachung von Photovoltaikanlagen Bonn (ots) - Mit GreenSynergy stellt das Bonner Start-up Northbridge Development auf der Intersolar Europe vom 22. - 24. Juni 2016 eine innovative und leistungsstarke Photovoltaik(PV)-Überwachungslösung vor. Das webbasierte GreenSynergy liest Leistungsdaten verschiedener Hersteller und bietet große Flexibilität in der Verarbeitung und Visualisierung der gelieferten Messwerte. Zentrale Komponenten von GreenSynergy sind die automatische Überwachung der PV-Anlagen sowie die Erstellung von detaillierten Berichten zu Anlagenleistung. mehr...

  • Zum sechsten Jahr in Folge würdigte Gartner MobileIron als "Leader" im "Magic Quadrant for Enterprise Mobility Management Suites" MobileIron ist der einzige unabhängige EMM-Anbieter, der dieses Jahr als Leader geehrt wird. Mountain View, Kalifornien (ots/PRNewswire) - MobileIron (NASDAQ: MOBL) verkündete heute, dass Gartner, Inc. MobileIron zum sechsten Jahr in Folge als einen Leader in seinem "Magic Quadrant for Enterprise Mobility Management Suites" [1] positioniert hat. Logo - http://photos.prnewswire.com/prnh/20140923/147891 "MobileIron ist der einzige unabhängige EMM-Anbieter, der im diesjährigen Leaders Quadrant erscheint. Unsere Unabhängigkeit mehr...

  • Deutsches Nitroglycerin Präparat mit amerikanischer Zulassung: Pohl-Boskamp erhält FDA-Zulassung für weltweit erstes kurzwirksames Angina pectoris Medikament in Pulverform Hohenlockstedt (ots) - Pohl-Boskamp, Pharmaproduzent aus Schleswig-Holstein, hat heute die FDA-Zulassung für sein neuestes kurzwirksames Angina pectoris Medikament erhalten. Es ist damit weltweit das erste und einzige von der FDA (Food and Drug Administration) zugelassene einzeldosierte kurzwirksame Nitroglycerin Präparat in Pulverform. Heute erteilte die U.S. Food and Drug Administration (FDA) einem neuen Nitroglycerin-Präparat der G. Pohl Boskamp GmbH & Co. KG die Zulassung für den US-Markt. "Das Produkt wird zur Behandlung mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Wirtschaftsnews

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

DBV löst Berechtigungsscheine von knapp 344 Mio. EUR ein

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht