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Landeszeitung Lüneburg: "Die Verknüpfung zweier Welten" - Stephan Tromp,stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Einzelhandelsverbandes HDE, sieht in digitaler Verzahnung zwischen Einzelhandel und O

Geschrieben am 02-06-2016

Lüneburg (ots) - Der klassische Einzelhandel in den Innenstädten
empfindet das Internet vor allem als Bedrohung. "Bis zu 50.000 Läden
sind in Gefahr", sagt Stephan Tromp, der stellvertretende
Hauptgeschäftsführer des Einzelhandelsverbandes HDE. In kleinen und
mittleren Städten droht die Verödung. Aber Tromp sieht auch positive
Effekte: "Die Verzahnung des Digitalen und des Analogen wird einen
Innovationsschub auslösen. Die Ladentheke wird online verändert,
Bezahlen wird einfacher."

Handel war schon immer Wandel. Erlebt der Einzelhandel im
digitalen Zeitalter seinen größten Wandel?

Stephan Tromp: Der aktuelle Strukturwandel, den Digitalisierung
und demografischer Wandel ausgelöst haben, ist zweifellos der größte
Umbruch im Einzelhandel seit der Einführung der Selbstbedienung. Da
kommen große Herausforderungen gerade auf die kleinen und
mittelständischen Händler vor Ort zu.

Ernst & Young prognostizieren sogar dem Lebensmittelhandel, der
bisher weitgehend gegen die Konkurrenz aus dem Netz immun war, einen
rasanten Anstieg des Verkaufs über das Internet. Ist die Zukunft des
Einzelhandels digital?

Tromp: Digital ist die Zukunft des Handels auf jeden Fall. Aber
das heißt nicht, dass in Zukunft Handel nur noch online stattfindet.
Vielmehr erleben wir eine zunehmende Verknüpfung von analoger und
digitaler Welt. Immer mehr Händler sind sowohl online als auch im
stationären Handel aktiv. Diese Entwicklung wird von den Kunden
getrieben. Sie erwarten ihren Lieblingshändler sowohl beim
Stadtbummel als auch beim Surfen auf der heimischen Couch. Viel
Potenzial liegt noch in der Verbindung beider Welten etwa durch
Services wie Click & Collect, also der Bestellung der Ware im
Internet und der anschließenden Abholung im Geschäft. Darüber hinaus
werden wir die Digitalisierung der Innenstädte und der Geschäfte im
stationären Handel erleben. WLAN im Handel und in den Stadtzentren
wird zur Normalität werden. Viele Händler wollen ihre Kunden mobil
erreichen, Serviceleistungen und Angebote auf dem Handy anbieten.
Eine nur geringe Rolle spielt der Online-Handel bisher im
Lebensmittelhandel in Deutschland. Hier liegt der Umsatzanteil des
Online-Geschäfts derzeit bei unter einem Prozent. Das hat sicher auch
etwas mit der guten Nahversorgung und den hervorragenden Angeboten
des stationären Handels zu tun. Die Kunden können bequem um die Ecke
Lebensmittel kaufen, nur selten sind die Wege lang. Außerdem wollen
viele die frischen Produkte vor dem Kauf sehen und riechen können.
Angesichts des noch niedrigen Online-Anteils in diesem Bereich liegt
hier noch viel Potenzial. Es wird spannend, in den nächsten Jahren zu
beobachten, wie sich das weiterentwickelt.

Jeder fünfte Konsument bummelt seltener durch die Innenstadt, weil
er per Mausklick kauft. Wird das Ladensterben abseits der Metropolen
chronisch?

Tromp: Die Branche steht vor einem großen Umbruch: Bis 2020
könnten 50 000 Handelsstandorte wegfallen. Wer sich am Markt
behaupten will, muss auf jeden Fall prüfen, ob es nicht Sinn macht,
selbst in den Online-Handel einzusteigen. Das muss ja am Ende nicht
der eigene Online-Shop sein, viele Händler verkaufen beispielsweise
auch über Online-Marktplätze. Am Ende muss zumindest jeder Händler im
Internet auffindbar sein. Und wenn er nur in den einschlägigen
Suchmaschinen registriert und in den Bewertungsportalen aktiv ist.

Wie hoch ist der Online-Anteil am Einzelhandelsumsatz und welche
Prognosen gibt es?

Tromp: Derzeit liegt der Online-Anteil am Einzelhandelsumsatz bei
rund zehn Prozent. Bis 2020 könnten es dann 20 Prozent sein. Dabei
verläuft das Online-Wachstum nicht in allen Produktgruppen mit der
gleichen Dynamik: Bei Unterhaltungselektronik zum Beispiel kommt es
derzeit kaum mehr zu Verschiebungen von offline zu online. Das liegt
daran, dass hier schon über die vergangenen Jahre viele Umsätze ins
Internet gewandert sind. Dagegen wachsen die Online-Ausgaben
beispielsweise im Bereich Garten- und Grillgeräte sehr schnell. Diese
Produkte haben die meisten Kunden bisher im stationären Handel
gekauft.

Was macht Einkaufen zu einem Erlebnis, das den Klick auf den
Einkaufskorb aussticht?

Tromp: Es geht ja nicht nur darum, besser als der Online-Handel zu
sein. Das Gegeneinanderausspielen von Offline und Online bringt
nichts. Die Verknüpfung beider Kanäle zum Multi- oder
Crosschannelhandel ist das Entscheidende. Vom stationären Handel
erwarten die Kunden dabei gute und individuelle Beratung sowie ein
besonderes Einkaufserlebnis. Im Geschäft können die Kunden die Ware
anfassen und ausprobieren. Deshalb setzen beispielsweise Sporthändler
auf Kletterwände, an denen man die Bergausrüstung direkt testen kann.

Steigt die Bedeutung der Vorweihnachtszeit für den Einzelhandel,
weil hier für viele ohnehin das Einkaufserlebnis im Vordergrund
steht?

Tromp: Das Weihnachtsgeschäft ist schon immer die wichtigste Zeit
für die Händler gewesen. Dann kaufen die Kunden Geschenke für
Verwandtschaft, Familie, Bekannte und Freunde. Und auch sich selbst
gönnt man zum Fest etwas Besonderes, da sitzt der Geldbeutel
lockerer.

Welche Trumpfkarten können spezialisierte Einzelhändler gegenüber
dem Online-Versandriesen amazon ausspielen?

Tromp: Für spezialisierte, kleinere Händler geht es darum, den
persönlichen Kontakt zum Kunden zu pflegen, eine perfekte Beratung
abzuliefern. Nur wer seine Kunden kennt, kann sie auch passend
beraten. So entstehen Stammkunden,- und die sind das Wertvollste, was
ein Händler erreichen kann.

Beim Kofferkauf stutzte ich jüngst über das Fotografierverbot in
dem Laden. Doppelfrage: Wie können sich Einzelhändler sonst noch
gegen den Beratungsklau wappnen? Gibt es auch den umgekehrten Trend:
Information im Netz, Kauf um die Ecke?

Tromp: Der Beratungsklau ist ein überschätztes Phänomen. Nur bei
1,4 Prozent aller Non-Food-Ausgaben informieren sich die Kunden zuvor
im stationären Handel. Häufiger ist es dagegen, dass sich die Kunden
im Internet einen Überblick verschaffen und dann im Laden vor Ort
einkaufen. Das betrifft immerhin rund vier Prozent aller Ausgaben.
Für die Handelsunternehmen wird immer wichtiger, die Kunden auf
beiden Kanälen abzuholen und sowohl im Internet als auch im Laden um
die Ecke ansprechbar zu sein.

Muss sich der Einzelhändler, der auch einen Online-Auftritt plant,
eine Nische suchen, um sich abzusetzen?

Tromp: Generell gilt im Einzelhandel: Alleinstellungsmerkmale sind
wichtig. Die Kunden brauchen nicht den tausendsten identischen
Online-Shop. Der stationäre Handel sollte auch im Internet seine
lokale Verankerung betonen und sein Online-Angebot sinnvoll mit
seinem Geschäft vor Ort verknüpfen. Das erhöht die Identifikation der
Kunden mit dem Unternehmen.

Inwieweit ist das Digitale eine Chance, etwa, indem Einzelhändler
dem bummelnden Passanten Werbung oder Rabatte aufs Smartphone
aufspielen?

Tromp: Die Digitalisierung des stationären Handels ist eine
Riesen-Chance. Werbung oder Rabatte sind dabei nur eine von vielen
Möglichkeiten. Der Wegfall der WLAN-Störerhaftung wird dazu führen,
dass dem Kunden im Handel vermehrt freie WLAN-Angebote angeboten und
Services mit dem WLAN verknüpft werden. Das wird einen
Innovationsschub im stationären Handel auslösen und die digitale
Verzahnung zwischen stationärem Geschäft und Online vorantreiben. Da
geht es um die Verknüpfung des Stores mit dem Online-Angebot des
Handelsunternehmens über elektronische Preisetiketten, die gezielt
das Smartphone ansteuern können. Die sogenannte verlängerte
Ladentheke ermöglicht es dem Kunden, vor Ort das Produkt seiner Wahl
zu begutachten, aber dann via Online zusätzliche Produktinformationen
zu erhalten und die gewünschte Produktkonfiguration
zusammenzustellen. Außerdem werden Payment- und Loyalty-Lösungen
stärker genutzt werden. Die Ausrüstung von Kassenplätzen mit
WLAN-Empfang wird die Verknüpfung von Kassensystemen mit dem
Smartphone der Kunden vorantreiben und moderne Zahlungssysteme
etablieren. Mit Hilfe von Apps werden Handelsunternehmen
Zahlungsfunktion, Kundenbonusprogramme und Couponaktionen stärker als
bisher verzahnen. Auch sind mehr Multimediaangebote bei der
Produktinformation und -bewerbung vorstellbar. Vernetzte Angebote für
den Standort Innenstadt sind eine große Chance. HDE und eBay haben
deshalb erst vor Kurzem den Wettbewerb die digitale Innenstadt
ausgerufen. So wollen wir zum einen insbesondere mittelständische
Unternehmen motivieren, online Produkte und Services über Marktplätze
anzubieten. Zum anderen soll das die Digitalisierung und Vernetzung
aller Akteure am Standort Innenstadt voranbringen.

Welche Länder sind in Sachen Innovationen im Handel Vorreiter?

Tromp: Bei der Digitalisierung sind sicher die USA und
Großbritannien ganz vorne.

Klassische Online-Händler wie Zalando eröffnen eigene Läden. Stößt
E-commerce an Grenzen und ist die Zukunft analog-digital gemischt?

Tromp: Den Kunden kommt es nicht auf den Kanal an. Sie wollen
möglichst einfach das passende Produkt kaufen - egal ob online oder
offline. Deshalb geht der Trend zum Multichannel- oder
Crosschannelhandel, der Verknüpfung beider Kanäle. Das erkennen
zunehmend auch bisher reine Online-Händler. Und dieser Trend wird in
den nächsten Jahren sicherlich noch stärker.

Das Interview führte

Joachim Zießler



Pressekontakt:
Landeszeitung Lüneburg
Werner Kolbe
Telefon: +49 (04131) 740-282
werner.kolbe@landeszeitung.de


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