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Quantencomputer aus gängigen Halbleitermaterialien / Magnetfeld hilft Qubit-Elektronen, Informationen länger zu speichern

Geschrieben am 02-12-2015

München (ots) - Physiker der Technischen Universität München, des
Los Alamos National Laboratory und der Universität Stanford (USA)
spürten in Halbleiter-Nanostrukturen Mechanismen auf, aufgrund derer
gespeicherte Informationen verloren gehen können - und stoppten das
Vergessen mit Hilfe eines externen Magnetfeldes. Die neu entwickelten
Nanostrukturen bestehen aus gängigen Halbleitermaterialien,
kompatibel zu üblichen Herstellungsprozessen.

Quantenbits, kurz Qubits, sind die Grundelemente der
"Quanten-Informationstechnologie" (QIT), die möglicherweise die
Zukunft der Computer darstellt. Weil er Probleme quantenmechanisch
verarbeitet, könnte ein solcher Quantencomputer einmal komplexe
Probleme mit weit höherer Geschwindigkeit lösen als heutige, so die
Hoffnung.

Prinzipiell gibt es verschiedene Möglichkeiten, solche Qubits zu
realisieren: Photonen kommen hier ebenso in Frage wie gefangene Ionen
oder Atome, deren Zustand jeweils gezielt mit Hilfe eines Lasers
verändert werden kann. Die Kernfrage für eine mögliche Anwendung als
Speicherbaustein ist, wie lange sich Informationen in einem System
sichern lassen und welche Mechanismen zum Verlust einer gespeicherten
Information führen.

Physiker um Alexander Bechtold und Professor Jonathan Finley vom
Walter-Schottky-Institut der Technischen Universität München und des
Exzellenzclusters Nanosystems Initiative Munich (NIM) haben nun ein
aus einem einzelnen Elektron bestehendes System vorgestellt, welches
in einer Halbleiter-Nanostruktur gefangen ist. Informationsträger ist
hierbei der Elektronenspin.

Die Forscher konnten einerseits verschiedene Verlustmechanismen
erstmals exakt nachweisen und andererseits zeigen, dass sich die
gespeicherte Information mit Hilfe eines starken, äußeren Magnetfelds
dennoch erhalten lässt.

Elektron gefangen im Quanten-Dot

Die TUM-Physiker bedampften für ihre Nanostruktur ein Substrat aus
Gallium-Arsenid mit Indium-Gallium-Arsenid. Aufgrund der
unterschiedlichen Gitterabstände beider Halbleitermaterialien
entsteht am Übergang eine Verspannung im Kristallgitter. Das System
bildet daher in regelmäßigen Abständen wenige Nanometer große
"Hügel", sogenannte Quanten-Dots.

Kühlt man die Quantenpunkte auf die Temperatur flüssigen Heliums
und regt sie optisch an, ist es möglich, ein einzelnes Elektron
gezielt in diesen Quanten-Dots gefangen zu halten. Die Spin-Zustände
des Elektrons lassen sich dabei als Informationsspeicher nutzen.
Laserpulse können sie optisch von außen lesen und verändern. Daher
stellt das System einen idealen Grundbaustein zum Aufbau künftiger
Quantencomputer dar.

Spin-up oder Spin-down entsprechen hierbei den klassischen
Informationseinheiten 0 und 1, dazu kommen aber außerdem noch die
Zwischenzustände aus den quantenmechanischen Überlagerungen von up
und down.

Bisher unbekannte Verlustmechanismen

Allerdings gibt es ein Problem: "Wir haben herausgefunden, dass
die Verspannungen im Halbleitermaterial zu einem neuen bis vor kurzem
noch unbekannten Verlustmechanismus führen", sagt Alexander Bechtold.
Die Verspannungen erzeugen nämlich winzige elektrische Felder im
Halbleiter, die sich auf den Spin der Atomkerne auswirken.

"Das ist eine Art piezoelektrischer Effekt", sagt Bechtold. "Es
kommt dabei zu unkontrollierten Fluktuationen der Kernspins." Diese
können wiederum den Spin des Elektrons, also die gespeicherte
Information, verändern. Innerhalb von hundert Nanosekunden würde sie
verloren gehen.

Darüber hinaus konnte das Team um Alexander Bechtold noch weitere
Verlustmechanismen nachweisen, etwa dass generell jeder
Elektronenspin von den Spins der ihn umgebenden etwa 100.000
Atomkerne beeinflusst wird.

Rettung vor dem quantenmechanischen Vergessen

"Beide Verlustkanäle lassen sich jedoch abschalten, wenn wir ein
etwa 1,5 Tesla starkes Magnetfeld anlegen", sagt Bechtold. "Das
entspricht der Magnetfeldstärke eines starken Permanentmagneten.
Damit stabilisieren wir die Kernspins, und die Informationen bleiben
gespeichert."

"Das System ist insgesamt äußerst vielversprechend", so Jonathan
Finley, Leiter der Forschungsgruppe. "Die Halbleiter-Quanten-Dots
haben den Vorteil, ideal mit bestehender Computertechnologie zu
harmonieren, da sie aus ähnlichen Halbleiter-Materialien bestehen."
Sie ließen sich sogar mit elektrischen Kontakten versehen und so
nicht nur optisch mit dem Laser, sondern zusätzlich mit Hilfe etwa
von Spannungspulsen ansteuern.

Die Arbeiten wurden gefördert mit Mitteln der Europäischen
Gemeinschaft (S3 Nano und BaCaTeC), des US Department of Energy, des
US Army Research Office (ARO), der Deutschen Forschungsgemeinschaft
(Exzellenzcluster Nanosystems Initiative Munich (NIM) und SFB 631),
der Alexander von Humboldt Stiftung und des TUM Institute for
Advanced Study (Focus Group Nanophotonics and Quantum Optics).

Publikation:

Three-stage decoherence dynamics of an electron spin qubit in an
optically active quantum dot; Alexander Bechtold, Dominik Rauch,
Fuxiang Li, Tobias Simmet, Per-Lennart Ardelt, Armin Regler, Kai
Müller, Nikolai A. Sinitsyn and Jonathan J. Finley; Nature Physics,
11, 1005-1008 (2015) - DOI: 10.1038/nphys3470
http://www.nature.com/nphys/journal/vaop/ncurrent/full/nphys3470.html

Bildmaterial:

https://mediatum.ub.tum.de/?id=1285211

--

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Pressekontakt:
Prof. Dr. Jonathan J. Finley
Walter Schottky Institut
Technische Universität München
85748 Garching, Germany
Tel.: +49 89 289 11481
E-Mail: jonathan.finley@wsi.tum.de
Web: http://www.wsi.tum.de


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