(Registrieren)

Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum EU-Kommissionspräsidenten

Geschrieben am 30-05-2014

Bielefeld (ots) - »Wahlbetrug« ist kein schönes Wort, sondern ein
sehr schwerwiegender Vorwurf. Erst recht unter politischen Freunden.
Wenn es der renommierte Bielefelder CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok
trotzdem für nötig hält, alle EVP-Regierungschefs samt »seiner«
Kanzlerin öffentlich vor Wahlbetrug zu warnen, weiß man, was die
Stunde geschlagen hat. Im Streit um die Benennung des neuen
EU-Kommissionspräsidenten geht es um weit mehr als um eine
Personalie. Hat das nun auch Angela Merkel eingesehen und deshalb
eingelenkt? Ihre Äußerung auf dem Katholikentag deutet darauf hin,
lässt aber Raum für Interpretationen. Für den Moment war der Druck
wohl zu groß geworden. So hat die Kanzlerin in Regensburg erklärt,
sich für die Wahl von Jean-Claude Juncker »einzusetzen«. Das freilich
ist etwas anderes, als seine Wahl - sagen wir es einmal im besten
Merkel-Deutsch - alternativlos zu nennen. Ein Zweifel bleibt: Zu oft
hat sich die Kanzlerin als Meisterin des Ungefähren bewiesen. Dabei
steht fest: Wird jemand anderes als Juncker Kommissionspräsident, so
trifft Broks Vorwurf in all seiner Schärfe zu. Der Schaden für die
europäische Idee wäre immens. Die Wähler müssten sich vollends an der
Nase herumgeführt vorkommen. Die Frage lautet: Nimmt der mit dem
Vertrag von Lissabon angestoßene Demokratisierungsprozess der EU
weiter an Fahrt auf, oder setzt sich wieder die Hinterzimmerkungelei
der Staats- und Regierungschefs durch? Ersteres war das Versprechen
dieses Wahlkampfes, für den mit Juncker und seinem sozialistischen
Gegenkandidaten Martin Schulz erstmals Personen standen. Gewiss kann
man viel an Juncker wie an Schulz aussetzen. Man kann beide als
Vertreter des etablierten Europa und einer EU des »Weiter so«
schelten. Doch all das hätte vor ihrer Kür erwogen werden müssen.
Oder sollte der EVP-Nominierungsparteitag in Dublin bloß Laientheater
gewesen sein? Volksverdummung auf ganz großer Bühne? Gelänge es den
vom britischen Premierminister David Cameron angeführten
Juncker-Kritikern in der EVP-Familie doch noch, die Wahl des
Luxemburgers zu verhindern, dürfte sich niemand über die Folgen
wundern. Selbst jene, die allen Krisen und sämtlichen Glühbirnen- wie
Gurken-Verordnungen zum Trotz stets an Europa geglaubt haben, hätten
dann Grund, sich abzuwenden. Natürlich muss sich die Politik fragen,
welcher Konsequenzen es bedarf nach einer Wahl, die in zu vielen
Mitgliedsländern Europaskeptikern, ja sogar offenen Europagegnern
satte Zugewinne gebracht hat? Doch weniger Demokratie kann nicht die
Antwort sein. Angela Merkel bleibt nur die Wahl, ob sie den Streit im
Europäischen Rat aushält, der den Kommissionspräsidenten mit
qualifizierter Mehrheit vorschlägt, oder ob sie den Streit mit dem
Europaparlament vorzieht, das den vorgeschlagenen Kandidaten wählt.
Letzteres mag bequemer sein, falsch wäre es trotzdem. Und es träfe
Europa ins Herz!



Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

530392

weitere Artikel:
  • Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Steinigung der schwangeren Farzana Parveen in Pakistan Bielefeld (ots) - Was ist das für eine »Ehre«, mit der in Pakistan der Mord an einer Schwangeren gerechtfertigt wird? Was ist das für eine Moral, die eine Hochzeit aus Liebe mit dem Tod bestraft? Was ist das für ein Vater, der selbst den Stein gegen seine 25-jährige Tochter schleudert? Was sind das für Brüder, die ihre Schwester umbringen statt den Tätern in den Arm zu fallen? Was ist das für eine Dorfgemeinschaft, die aufhetzt statt zu beschwichtigen? Was ist das für eine Gesellschaft, in der Frauen immer wieder Opfer von so brutaler mehr...

  • Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Ärztetag Bielefeld (ots) - Wird ein Termin beim Arzt verschwitzt, soll das künftig Folgen haben - allerdings sehr kuriose. So will es der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, der das Problem diagnostiziert hat. Um die Krankheitssymptome wie hohe Kosten und proppenvolle Wartezimmer zu bekämpfen, hat der Mediziner bereits das passende Mittel parat: Sanktionen. Die Krankenkassen sollen zahlen, auch wenn der Patient nicht kommt. Montgomerys Wundermittel entpuppt als eine bittere Pille, die jeder gesetzlich Versicherte schlucken mehr...

  • Schwäbische Zeitung: Das ganz normale Sterben - Leitartikel Ravensburg (ots) - Seit Wochen und Monaten dominiert ein Thema mit seinen vielen Facetten die Nachrichtenlage: Die Proteste auf dem Maidan in Kiew wurden zum Auslöser für die Krim-Krise, die Krim-Krise wuchs sich zur Ukraine-Krise aus, die Ukraine-Krise mündet gerade in nichts weniger als einen Bürgerkrieg im Osten des Landes. Eines Landes, das fast vor unserer Haustür liegt. Die Menschen fliehen aus den heftig umkämpften Städten wie Donezk. Aufseiten der ukrainischen Armee wie in den Reihen der aufständischen Separatisten steigen die mehr...

  • Weser-Kurier: Zu Merkels EU-Politik schreibt Joerg Helge Wagner: Bremen (ots) - Hört, hört! Angela Merkel, Bundeskanzlerin und Chefin einer immer noch weitgehend konservativen Volkspartei, unterstützt nun den Spitzenkandidaten der europäischen Konservativen für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten. Sie führt jetzt Gespräche "genau in diesem Geiste", nämlich dass Jean-Claude Juncker den Job bekommt. Die angeblich mächtigste Frau der Welt wirkt nicht besonders mächtig, wenn sie solche Beteuerungen abgeben muss. Denn in Muttis Machtküche stehen zu viele Töpfe unter Dampf: die eigene Partei, die konservativen mehr...

  • Weser-Kurier: Zur Aufnahme von syrischen Flüchtlingen schreibt Birgit Svensson: Bremen (ots) - Es ist lobenswert, dass Deutschland jetzt noch mehr für syrische Flüchtlinge tun will. Und dass Frank-Walter Steinmeier bei seinem Besuch im Libanon gleich fünf Millionen Euro im Gepäck hatte, zeigt, dass der Bundesaußenminister gut über die prekäre Lage der Menschen informiert ist. Denn Libanon und Jordanien, zwei an der Bevölkerungszahl gemessen kleine Länder, schultern die größte Last des syrischen Bürgerkrieges. Im Libanon wird die Lage noch dadurch erschwert, dass es keine Lager gibt wie in Jordanien, in der Türkei mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht