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Börsen-Zeitung: Höhenangst, Marktkommentar von Stefan Schaaf

Geschrieben am 30-05-2014

Frankfurt (ots) - Alles war vorbereitet: die Fernsehkameras auf
die Kurstafel der Frankfurter Börse gerichtet, Chroniken geschrieben
und Grafiken erstellt worden. Die deutschen Finanzmedien hatten sich
in der abgelaufenen Handelswoche auf den ersten fünfstelligen Kurs
des Dax eingestellt. Vielleicht war sogar im Handel die eine oder
andere Flasche Champagner kaltgestellt worden, auch wenn das Geschäft
immer mehr von Maschinen statt von Menschen gemacht wird.

Nur, die Investoren spielten nicht mit, die medial bedeutsame
Marke von 10.000 Punkten mochte einfach nicht fallen, am Ende fehlten
hierzu knapp 30 Indexpunkte. Bei 9970,77 Punkten - immerhin einem
Rekordhoch - war am Freitag Schluss. Scheuen die Anleger also die
Marke von 10.000 Zählern? Diese Frage unterstellt, dass Aktienmärkte
noch immer eine nationale Angelegenheit sind. Doch die marktmachenden
Investoren sind globale Player, bei denen ein Teil ihrer Allokation
auf deutsche Aktien entfällt und die nicht vor der 10.000 auf der
Kurstafel zurückschrecken würden.

Dennoch ist das Verharren des Dax knapp unter der Fünfstelligkeit
ein Symptom für den Zustand der Aktienmärkte der Industrieländer. Wer
behauptet, Anleger scheuten die 10.000-Punkte-Marke, könnte genauso
gut sagen, Investoren scheuten die 1950 Zähler im S&P 500 oder 3300
Stellen im Euro Stoxx 50. Denn unabhängig von gern als psychologisch
wichtige Marken charakterisierten Indexständen hat sich quer durch
die Aktienmärkte Höhenangst breitgemacht. Nahezu alle wichtigen
Indizes der Industrieländer verharren nahe von Rekordhochs wie der
Dax und der S&P 500 oder auf Mehrjahreshochs wie der Euro Stoxx 50.

Offenkundig ist den Aktienmärkten in den vergangenen Tagen der
Aufwärtsschwung abhandengekommen. Viele Investoren sehen scheinbar
keinen Grund mehr, Aktien nachzukaufen, was die Kurse weiter nach
oben treiben würde. Gleichzeitig ziehen sie ihr Geld aber auch nicht
ab. Diese abwartende Haltung spiegelt sich in der extrem niedrigen
Volatilität wider. Der VDax-New, der die Volatilität im Dax misst,
befindet sich auf Tiefstständen. Nicht viel besser sieht es bei
seinem US-Pendant VIX aus, der laut Bloomberg-Berechnungen in Chicago
derzeit 40% unter seinem langjährigen Durchschnitt handelt. Manche
spotten daher schon, die Märkte seien eingeschlafen.

Für den Attentismus gibt es dieser Tage allerdings auch einen
triftigen Grund: die anstehende Zinsentscheidung der Europäischen
Zentralbank (EZB). Die Notenbank hat die Erwartungen hochgehängt für
eine weitere Lockerung ihrer Geldpolitik. Zinssenkung, negative
Einlagezinsen, ABS-Aufkäufe, gar ein großvolumiges
Anleihekaufprogramm - quasi eine Dicke Bertha 2.0 - werden am Markt
diskutiert. Doch möglicherweise dämmert es inzwischen dem einen oder
anderen, dass die EZB keine Federal Reserve ist und die Erwartungen
des Marktes an eine quantitative Lockerung ziemlich überzogen sind.
Kommt es am nächsten Donnerstag aber "nur" zu einer Zinssenkung, dann
dürfte die Enttäuschung groß sein.

Die EZB scheint dies zu ahnen. Die Geister, die sie mit ihrer
bisherigen lockeren Geldpolitik rief, bereiten ihr offenbar Sorgen.
Wie wäre sonst die Warnung im jüngsten Finanzstabilitätsbericht zu
lesen? Die Notenbank warnt darin vor einem abrupten Ende der
Renditejagd. Das heißt nichts anderes, als dass kräftige Kursverluste
und eine Korrektur drohen, wenn aus irgendeinem Grund das
Marktsentiment kippt. Dies beträfe den Aktienmarkt, aber auch die
Staatsanleihen der Europeripherie. Die Angst vor einer Korrektur
könnte Investoren Zurückhaltung üben lassen.

Investmentprofis sprechen in solchen Situationen gern vom
"mittelfristig intakten Aufwärtstrend" - und haben recht damit. Der
Anlagenotstand wird wegen der weiterhin extrem niedrigen Zinsen
anhalten. Dividendenpapiere sind eine Antwort auf diese Lage. Hinzu
kommt, dass langfristig niedrige Zinsen die Bewertungsmaßstäbe für
Aktien verändern. Berechnen Analysten den fairen Wert einer Aktie, so
haben sie die diskontierten künftigen Erträge aus dem Wertpapier im
Blick. Sind jedoch die Zinsen und damit der Diskontierungsfaktor
niedrig, sind künftige Erträge etwa aus Dividenden heute mehr wert
als bei höheren Zinsen. Folglich "verträgt" ein höherer Gewinn auch
einen höheren Kurs, um zur gleichen Bewertung zu kommen. Die Frage
nach der fairen Bewertung einer Aktie oder eines Index muss sich
jeder Anleger ständig beantworten. Daran änderte auch ein Dax über
10.000 Punkten nichts.



Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de


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