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Landeszeitung Lüneburg: "Methoden aus dem 19. Jahrhundert" / CDU-Spitzenkandidat David McAllister über die Rolle Russlands in der Ukraine-Krise und zur Zukunft der Europäischen Union

Geschrieben am 08-05-2014

Lüneburg (ots) - Die Finanz- und Wirtschaftskrise ist noch lange
nicht überwunden, sondern allenfalls unter Kontrolle, sagt David
McAllister. In Brüssel will sich der Spitzenkandidat der CDU für die
Europawahl für eine effektive Finanzmarktaufsicht, strukturelle
Reformen für mehr Wachstum und eine dauerhaft stabile Währung
starkmachen. Große Herausforderungen sieht der frühere
Ministerpräsident aber vor allem in der Außen- und
Sicherheitspolitik.

Sie haben betont, dass die Ukraine-Krise konservative Mehrheiten
in Europa erfordern würde. Glauben Sie, dass die Sozialdemokraten
oder die Sozialisten keinen Druck auf Moskau ausüben können?

David McAllister: Dieses mir zugeschriebene Zitat habe ich auch
gelesen. Allerdings hatte ich das anders formuliert: Die
besorgniserregende Lage in der Ukraine verdeutlicht, dass Frieden und
Freiheit keine Selbstverständlichkeit  in Europa sind. Wir brauchen
ein starkes und sicheres Europa. Das erfordert stabile und
handlungsfähige Mehrheiten im nächsten Europäischen Parlament. Dafür
steht die Europäische Volkspartei ebenso wie andere konstruktive
europäische Kräfte auch.

Was sagen Sie denn zu den mehr als 75 Prozent der Bürger, die
einen Kalten Krieg befürchten?

McAllister: Wir wollen ein gutes, partnerschaftliches Verhältnis
zu allen Teilen der Welt, zu allen Nachbarn der Europäischen Union,
auch zu Russland. In den vergangenen Jahren standen die Beziehungen
zu Russland auf einer soliden Basis. Es gab Hoffnung auf weitere
Verbesserungen. Doch mit Blick auf die völkerrechtswidrige Annexion
der Krim hat die russische Führung leider Methoden aus dem 19. und
20. Jahrhundert angewandt, die wir im 21. Jahrhundert für überwunden
hielten. Die Ukraine ist ein souveräner Staat und hat wie alle
anderen Staaten das Recht, dass ihre territoriale Souveränität und
Integrität respektiert werden. Die russische Führung hat jeden
weiteren Schritt zu unterlassen, der die Lage in der Ukraine noch
weiter zuspitzen könnte. Wir arbeiten daran, dass es ein ordentliches
Verhältnis zu Russland gibt. Dafür muss der Kreml aber Teile seiner
Politik wieder verändern.

Hat die NATO mit Russland wieder ein Feindbild?

McAllister: Nein. Die NATO ist ein Verteidigungsbündnis. Sie
definiert sich positiv und nicht negativ gegenüber anderen Staaten.
Die NATO strebt auch mit Russland vertrauensvolle Beziehungen an. Die
Situation in der Ukraine bereitet unseren NATO-Partnern in Osteuropa
große Sorgen, die wir ernst nehmen. Aber fest steht: die Krise in der
Ukraine kann militärisch nicht gelöst werden, eine militärische
Option ist ausgeschlossen. Wir müssen und werden einen friedlichen
und diplomatischen Weg finden. Internationale Organisationen wie die
Europäische Union, die Vereinten Nationen, die OSZE und die NATO
leisten dazu einen Beitrag.

Abseits der Ukraine steht die EU aber noch vor weiteren großen
Herausforderungen. Was zählt Ihrer Meinung nach zu den größten
Problemen?

McAllister: Neben den neuen Herausforderungen in der Außen- und
Sicherheitspolitik ist die Frage, wie Europa dauerhaft stärker aus
der Krise kommt. Die schwere Finanz- und Wirtschaftskrise ist noch
lange nicht überwunden, sondern allenfalls unter Kontrolle. Wir
brauchen einen Dreiklang, um die Krise hinter uns zu lassen: Eine
effektive Finanzmarktaufsicht und Regulierung, eine Politik, die auf
strukturelle Reformen für mehr Wachstum und Arbeit setzt und eine
Politik der Konsolidierung nationaler Haushalte, damit unsere
gemeinsame Währung dauerhaft stabil bleibt.

Brauchen wir auch eine gemeinsame Fiskal- und Wirtschaftspolitik,
die es nach Meinung vieler Euro-Kritiker schon vor Einführung des
Euro hätte geben müssen?

McAllister: Bei der  Einführung des Euro ist die
Wirtschaftspolitik nicht hinreichend koordiniert worden. Das war eine
der Ursachen für die Krise in einzelnen Mitgliedsstaaten. Künftig
werden wir in der Eurozone die Wirtschaftspolitik noch enger
koordinieren.

Die CDU möchte also mehr Europa, die CSU weniger. Wie passt das
zusammen?

McAllister: Die beiden Europawahl-Programme von CDU und CSU
zeigen, dass beide Parteien in den wesentlichen Themen
übereinstimmen. Ich setze mich ein für ein besseres und effektiveres
Europa bei den großen Zukunftsherausforderungen,  die die Staaten
alleine nicht mehr sinnvoll bewältigen können. So brauchen wir mehr
Gemeinsamkeit in der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik.
Der Binnenmarkt muss vollendet werden. Und auch die Energiepolitik
sollte in der Europäischen Union enger abgestimmt werden. Wir
brauchen ein starkes und entschlossenes Europa bei der Durchsetzung
unserer bewährten Standards beim Daten-, Verbraucher- und
Umweltschutz. Auf der anderen Seite ist nicht jedes Thema in Europa
ein Thema für Europa. Die EU-Kommission darf sich nicht im
bürokratischen Klein-Klein verzetteln. Es geht um die großen,
wesentlichen Zukunftsaufgaben und nicht den Anspruch, alles von
Schweden bis Malta und von Portugal bis Rumänien bis ins Detail zu
regulieren.

Kann denn die EU noch stärker, noch effektiver werden, wenn sie
sich noch mehr ausdehnt?

McAllister: Die Europäische Union ist ein sehr attraktives
Angebot. Deshalb wollen viele weitere Länder Mitglied der EU werden,
etwa Serbien, Montenegro, Albanien oder auch die Republik Mazedonien.
Es ist auch im deutschen Interesse, dass diese Länder den nicht
einfachen Weg zu unseren hohen europäischen Standards von Demokratie,
Rechtsstaatlichkeit und Marktwirtschaft gehen. Aber es ist eben ein
sehr weiter Weg, den diese Länger zu gehen haben. Ich halte weitere
Beitritte zur EU in den nächsten fünf Jahren für ausgeschlossen.
Angesichts der großen Herausforderungen geht es jetzt darum, dass die
28 Mitgliedsstaaten ihre Zusammenarbeit festigen und vertiefen. Das
hat Priorität, bevor wir weitere Länder aufnehmen. Aber grundsätzlich
sollte die EU offen bleiben für weitere Bewerber.

Was gilt denn für die Türkei?

McAllister: Die Türkei ist ein wichtiger strategischer und
wirtschaftlicher Partner. Wir wollen daher eine möglichst enge
Zusammenarbeit in außen- und sicherheitspolitischen sowie
wirtschaftspolitischen Fragen. Eine Vollmitgliedschaft der Türkei -
unabhängig von den derzeitigen problematischen Entwicklungen - kann
ich mir nicht vorstellen. Angesichts der Größe des Landes und seiner
Wirtschaftsstruktur wäre die Europäische Union überfordert.

Die SPD setzt alles auf Martin Schulz, bei der CDU konzentriert
sich alles auf Kanzlerin Angela Merkel, in Wahlkampagnen tauchen Sie
oder der europäische Spitzenkandidat Jean-Claude Juncker kaum auf.
Stört Sie das manchmal?

McAllister: Plakatieren die Sozialisten ihren europäischen
Spitzenkandidaten denn in Frankreich, Großbritannien oder Finnland?
Nein, Herr Schulz wird ausschließlich in Deutschland plakatiert.
Insofern ist das eine Debatte, die sehr aus deutscher Sicht geführt
wird. Die CDU wirbt als Team gemeinsam für unser Programm, für alle
unsere Kandidaten und für Jean-Claude Juncker. Er soll der nächste
Präsident der Kommission werden. Und selbstverständlich werben wir
auch für und mit Angela Merkel. Sie ist hoch angesehen, und es geht
um die Unterstützung ihrer erfolgreichen Europa-Politik. Es gibt
übrigens drei bundesweite Plakatwellen der CDU, in der dritten wird
auch David McAllister zu sehen sein. In Niedersachsen bin ich als
Spitzenkandidat ohnehin flächendeckend zwischen Ems und Elbe
plakatiert.

Das Interview führte Werner Kolbe



Pressekontakt:
Landeszeitung Lüneburg
Werner Kolbe
Telefon: +49 (04131) 740-282
werner.kolbe@landeszeitung.de


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