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Experten beleuchten die Rolle des Opfers im Ermittlungs- und Strafverfahren (FOTO)

Geschrieben am 27-03-2014

Mainz (ots) -

Einen breiten Diskurs bot das Expertengespräch zur Rolle des
Opfers im Ermittlungs- und Strafverfahren. Die WEISSE RING-Stiftung
hatte hochrangige Kapazitäten dazu eingeladen, das Thema aus ihrer
fachlichen Perspektive zu beleuchten und daraus Eckpunkte für ein
Forschungsprojekt zu entwickeln. Roswitha Müller-Piepenkötter,
Bundesvorsitzende des Vereins und Vorsitzende des Kuratoriums WEISSER
RING-Stiftung, moderierte die Diskussion. Sie verwies darauf, dass
sich im Bericht des NSU-Untersuchungsausschusse sehr eindringliche
Schilderungen von Opfern über das Leid, das die jahrelangen
Ermittlungsverfahren mit sich brachten. Diese Probleme waren für die
WEISSE RING-Stiftung Anlass, das Thema Belastungen von
Kriminalitätsopfern in Ermittlungs- und Strafverfahren grundlegend
untersuchen zu lassen.

Jörg Ziercke, Präsident des Bundeskriminalamtes stellte fest:
"Eine gezielte Aufklärung der Bevölkerung über die Erscheinungsformen
von Kriminalität und über die Praktiken von Straftätern gehört ebenso
zu den Aufgaben der Polizei, wie eine fortlaufende Sensibilisierung
zu einem umsichtigen und Risiken minimierenden Verhalten. Die Polizei
allein kann diese Aufgabe allerdings nicht leisten. Hier müssen wir
vielmehr gesamtgesellschaftlich agieren und mit allen Akteuren an
einem Strang ziehen um dort wirken zu können, wo es erforderlich ist
- vor Ort! Denn nur so können wir Menschen davor bewahren, überhaupt
erst zu Opfern von Straftaten zu werden."

Harald Range, Generalbundesanwalt, erklärte: "Wir sehen, dass das
allein tat- und täterbezogene Schuldstrafrecht dann seinen Zwecken
nicht gerecht wird, wenn es den Schutz von Verletzten vernachlässigt
und damit der staatlichen Verantwortlichkeit für Opfer von Straftaten
als soziale Aufgabe und Gebot der Gerechtigkeit nicht mehr
ausreichend Rechnung trägt. Es birgt die Gefahr in sich, dass das
Opfer in Ermittlungs- und Strafverfahren, die allein auf die
Ergreifung und Aburteilung des Täters gerichtet sind, als Zeuge
instrumentalisiert wird, ohne dass in ausreichender Weise auf seine
seelische und soziale Krisensituation Rücksicht genommen wird.
Hierdurch kann die Anzeige- und Zeugnisbereitschaft eines Opfers
nachhaltig beeinflusst werden mit der Folge, dass ein großes
Dunkelfeld nicht angezeigter, damit nicht bekannt gewordener,
folglich nicht verfolgter Kriminalität entsteht. Kriminologische
Forschungserkenntnisse zeigen, dass Opfer bewusst oder unbewusst
vor der Anzeige in der Regel eine 'Kosten-Nutzen-Analyse' vornehmen:
Erst wenn es sich aus Opfersicht "lohnt", zusätzlich zu der
Primärviktimisierung entstehende Belastungen des Ermittlungs- und
Strafverfahrens auf sich zu nehmen, werden die Straftaten den
Strafverfolgungsbehörden gemeldet."

Angelika Vöth, Opferanwältin, sagte: "Opfer und insbesondere Opfer
als Zeugen sind in einem Strafprozess vielfachen schweren Belastungen
in einem ihnen unbekannten Verfahren ausgesetzt. Sie verdienen daher
einen respektvollen und sensiblen Umgang. In der Praxis gibt es
jedoch viele Probleme: einige unzureichende gesetzliche Vorschriften,
die manchmal mangelhafte Umsetzung bestehender Gesetze, fehlende
Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse der Opfer und strukturelle
Defizite beim Opferschutz in Strafverfahren."

Prof. Dr. phil. Renate Volbert, Psychologin an der Charité Berlin,
erläuterte: "Belastungen entstehen für Geschädigte in besonderer
Weise in Verfahren, in denen Aussage gegen Aussage steht und keine
anderen Beweismittel existieren, da in diesen Fällen eine
ausführliche Darstellung des Delikts erfolgen muss und sich die
Prozessbeteiligten besonders kritisch mit der belastenden Aussage
beschäftigen. Eine solche Aussage-gegen-Aussage-Konstellation ist
besonders häufig bei Sexualdelikten gegeben. Da in einem
rechtsstaatlichen Verfahren aber gründlich und kritisch geprüft
werden muss, ob eine vorgeworfene Straftat nachzuweisen ist, handelt
es sich hierbei letztlich um verfahrensimmanente Belastungen, die
auch durch Reformmaßnahmen nicht grundsätzlich vermieden werden
können. Die Bereitschaft von Geschädigten, eine solche Belastung
vorübergehend auf sich zu nehmen, ist vermutlich dann am ehesten zu
wecken, wenn andererseits Bemühungen erkennbar sind, potentiell
vermeidbare Belastungen tatsächlich zu vermeiden. In welchem Ausmaß
bisherige Reformmaßnahmen zum Opferschutz tatsächlich zu Entlastungen
für Geschädigte geführt haben, lässt sich wegen weitgehend fehlenden
Evaluationen nicht abschließend beurteilen."

Prof. Dr. Christine Knaevelsrud, Dipl.-Psychologin,
Psychotherapeutin, FU Berlin: "Gerichtsverfahren sind für Opfer
emotional hochbelastend. Ob sie allerdings langfristig zu emotionalen
Beeinträchtigungen führen, hängt neben der vorbestehenden
Verwundbarkeit unmittelbar mit den Interaktionserfahrungen zusammen,
die die Betroffenen vor Gericht machen. Wenngleich die Befunde zu den
einzelnen Variablen widersprüchlich sind, zeigt sich vor allem das
Bedürfnis, Kontrolle über die Situation zu erlangen, gehört zu
werden, Gerechtigkeit zu finden, Abschluss finden, öffentliche
Anerkennung für das zugefügte Leid, Rache, Hoffnung auf
Entschuldigung (durch den Täter) als relevante Aspekte, die
Berücksichtigung finden sollten."

Moderatorin Müller-Piepenkötter kam zu dem Schluss, dass der
WEISSE RING mit dem Expertengespräch und dem folgenden
Forschungsprojekt einmal mehr seine Rolle als Lobbyorganisation der
Kriminalitätsopfer gerecht wird. Schon oft hat der WEISSE RING
Forschungsprojekte unterstützt, deren Ergebnisse später in die
Verbesserung der Rechte von Opfern einflossen. So wurde die
Stalking-Gesetzgebung nur deshalb möglich, weil der WEISSE RING
Forschungen in Mannheim und Heidelberg unterstützte.



Pressekontakt:
WEISSER RING e. V.
Verantwortliche: Bianca Biwer, Bundesgeschäftsführerin
Weberstr. 16
55130 Mainz
Telefon 06131-830338
Fax 06131-830360
Mail presse@weisser-ring.de
Internet www.weisser-ring.de


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