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Börsen-Zeitung: Absteiger des Jahrzehnts, Kommentar zu Hoeneß von Bernd Wittkowski

Geschrieben am 13-03-2014

Frankfurt (ots) - Wann ist ein Urteil gerecht? Darüber gehen die
Meinungen in den meisten Fällen auseinander. Uli Hoeneß und die
während des viertägigen Strafprozesses im Angesicht von Zockereien
und Steuerhinterziehung jeweils in Fantastillionenhöhe anscheinend
schon etwas geschrumpfte Zahl seiner Fans mögen die Verurteilung zu
dreieinhalb Jahren Haft für ungerecht oder das Strafmaß, so
Staranwalt Hanns Feigen, "in der Oktave für völlig verfehlt" halten,
weshalb der Verteidiger ja sogleich Revision ankündigte - ein Schuss,
der auch nach hinten losgehen, also strafverschärfend wirken kann,
denn die Staatsanwaltschaft, die unter der Annahme eines besonders
schweren Falles fünfeinhalb Jahre gefordert hatte, verfügt über das
gleiche Rechtsmittel.

Ein gut vertretbares Urteil

Man muss sich aber auf die Frage "Gerecht oder nicht?", die den
einen oder anderen aufgeregten Politiker umtreibt, gar nicht
einlassen. In der Juristerei kommt es maßgeblich darauf an, ob eine
Entscheidung nachvollziehbar, schlüssig, gut vertretbar ist. Das kann
man von neutraler Warte aus für das Urteil des Münchener Landgerichts
bejahen. Richtig ist: Für die Wirksamkeit einer Selbstanzeige spielt
die Höhe der Steuerverkürzung keine Rolle. Aber kann eine
Selbstanzeige, aus der die Strafverfolger in ihrer Anklage
hinterzogene 3,5 Mill. Euro ableiten, aus denen in der
Hauptverhandlung auf geradezu bizarre Weise von der Verteidigung
abgenickte 27,2 Mill. Euro werden, inklusive "Soli" jetzt 28,5 Mill.
Euro, kann diese Selbstanzeige, die angeblich auch eine Steuerschuld
von 70 Mill. Euro hergegeben hätte, überhaupt die Bedingungen
erfüllen, an die die strafbefreiende Wirkung geknüpft ist, nämlich
unter anderem Vollständigkeit? Schwer vorstellbar.

War die Selbstanzeige aber "verunglückt", hätte es bei der hier
vorliegenden Dimension enormer Fantasie bedurft, sich noch eine
Bewährungsstrafe - maximal zwei Jahre - vorzustellen. Zur Einordnung
nur ein Beispiel, auch wenn natürlich jeder Fall anders gelagert ist:
Eine ebenso wie Hoeneß nicht vorbestrafte, weitgehend geständige
frühere Geliebte des 2010 verstorbenen Frankfurter "Bierkönigs" Bruno
H. Schubert ("Henninger") wurde soeben wegen der Hinterziehung von
770000 Euro Schenkungssteuer zu zweieinhalb Jahren verurteilt. Der
Vergleich zeigt zumindest eines: dass das Münchener Strafmaß nicht
jenseits von Gut und Böse liegt, auch wenn das Gericht
interessanterweise keinen besonders schweren Fall erkannt hat.

Der amtierende Präsident von Bayern München und
Aufsichtsratsvorsitzende der FC Bayern München AG ist, wenn dieses
Urteil jedenfalls dem Grunde nach Bestand hat, ein Krimineller. Noch
ist das vom Kammervorsitzenden Rupert Heindl verkündete Verdikt zwar
nicht rechtskräftig. Mit der Feststellung, dass der 62-jährige Hoeneß
im internationalen Fußballgeschäft mindestens der Absteiger des
Jahrzehnts ist, verletzt man dennoch nicht die Unschuldsvermutung. Es
ist, als würde der deutsche Fußballrekordmeister direkt nach dem
Gewinn des Triple in die Regionalliga durchgereicht. Am Rande: Die
Höhe der nicht gezahlten Steuern war ja hier absolut
Champions-League-reif.

Das Beste, was man dem Fußballweltmeister von 1974 jenseits seiner
unbestrittenen Verdienste um den Sport und als sozial engagierter
Wohltäter mit sehr viel Goodwill zugutehalten kann, ist, dass er als
Zocker und Steuerbürger offenbar in einer Parallelwelt gelebt und
dort den Überblick nicht nur über seine persönlichen Finanzen
verloren hat, sondern vor allem auch darüber, was geht und was nicht
geht. Hoeneß, der so überzeugend für Anstand und Zivilcourage
eintrat, war Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Als Letzterer hat er nach
Überzeugung der Ankläger in Deutschland 25 Mill. Euro Steuern gezahlt
und gleichzeitig in der Schweiz 27 Mill. Euro hinterzogen - was,
nebenbei bemerkt, auch nicht übermäßig für die Beratungsqualität am
diskreten Bankenplatz Zürich spricht.

Wer die von ihm selbst öffentlich hochgehaltenen Ansprüche und
Werte durch sein Handeln derart flagrant verrät, zerstört sein noch
so beeindruckendes Lebenswerk eigenhändig und ist auch ohne Rücksicht
auf das strafrechtliche Urteil moralisch extrem tief gefallen, in
diesem Fall aus beachtlicher Höhe. Hoeneß sollte unabhängig von der
Revision besser heute als morgen von sämtlichen Ämtern zurücktreten
und uns allen tränenreiche, dem Rechtsbewusstsein des Publikums
äußerst abträgliche Inszenierungen fortan ersparen. Falls er sein
Aufsichtsratsmandat nicht freiwillig niederlegen sollte: Wie lange
wollen ihm die anderen Mitglieder des Gremiums, darunter die
Vorstandsvorsitzenden von Adidas, Audi, Deutscher Telekom und
Volkswagen sowie Bayerns Ministerpräsident a.D. Edmund Stoiber, noch
die Stange halten?

Realitätsverlust

Hinterfragen müssen sich auch jene, die den Medienhype kritisieren
bzw. sich - wie der Chef des Bayern-München-Sponsors HypoVereinsbank,
Theodor Weimer - künstlich darüber erregen, mit welcher
"Sensationslust" diese Causa "bespielt" werde. Wer wenn nicht die
Fußballbranche und ihr Umfeld lebt denn von dem geradezu bis zum
Exzess gesteigerten Rummel und der Sensationslust und fördert beides
zum eigenen Nutzen? Und dann wundert man sich, wenn das Publikum auch
nach Sensationen wie einem beispiellosen Kriminalfall eines der
Hauptakteure giert? Auch das hat etwas von Realitätsverlust.

Vor dem scheint im Übrigen auch die Verteidigung nicht völlig
gefeit zu sein. Oder wozu sollte der Hinweis gut sein, die von Hoeneß
nicht versteuerten Gewinne seien längst wieder verloren? Müssen die
Bayern-Anhänger jetzt noch für ihn sammeln, damit er seine Schulden
beim Fiskus begleichen kann?



Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de


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