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Grüne Woche 2014: Global Forum for Food and Agriculture: Nur eine widerstandsfähige Landwirtschaft kann die Welternährung sichern

Geschrieben am 19-01-2014

Berlin (ots) - Mit drei Veranstaltungen der Spitzenklasse fand
gestern das 6. Global Forum for Food and Agriculture (GFFA) seinen
Höhepunkt. Nachdem am Vormittag rund 1.500 Gäste die Diskussion auf
dem GFFA-Podium verfolgt hatten, traf sich am Nachmittag die
Lebensmittel- und Ernährungsindustrie auf dem Internationalen
Wirtschaftspodium. Zeitgleich hielten Agrarministerinnen und
-minister aus fast 70 Ländern mit hochrangigen Vertretern der
Weltbank, der EU-Kommission, der Welternährungsorganisation FAO und
des UN-Umweltprogramms UNEP den Berliner Agrarministergipfel ab.

Die größte globale Aufgabe ist es, den Hunger in der Welt zu
beseitigen und das Menschenrecht auf Nahrung zu verwirklichen. Dies
betonten 69 Ministerinnen und Minister zum Abschluss des 6. Berliner
Agrarministergipfels, zu dem Bundeslandwirtschaftsminister Hans-Peter
Friedrich eingeladen hatte. Der Gastgeber hob die zentrale Rolle
hervor, die der Landwirtschaft bei der Beseitigung des Hungers
zukommt -vor allem mit Blick auf eine wachsende Weltbevölkerung,
knapper werdende Ressourcen und die Auswirkungen des Klimawandels. Um
diese Herausforderungen zu meistern, müsse der Agrarsektor
leistungs-, anpassungs- und widerstandsfähiger gemacht werden.
Hierfür seien drei Faktoren entscheidend: Vielfalt, Nachhaltigkeit
und Produktivität.

In ihrem Abschlusskommuniqué erklärten die Regierungsvertreter,
sich für den Erhalt der Vielfalt von genetischen Ressourcen,
Produktionsmethoden und Betriebsformen einzusetzen. Hierfür sollten
unter anderem die Nutzpflanzenforschung und die Einrichtung von
Genbanken gefördert werden. Zudem wollen die Regierungsvertreter die
Landwirtschaft klimafreundlicher gestalten und sich für ein
nachhaltiges Management der knappen natürlichen Ressourcen einsetzen,
damit vor allem Wasser und Böden den Betrieben auch in Zukunft
ausreichend zur Verfügung stehen. Die Ergebnisse des Berliner
Agrarministergipfels fließen in die aktuelle Diskussion der Vereinten
Nationen zur Gestaltung der Post-2015-Agenda ein. Diese löst die
Millenniums-Entwicklungsziele ab, die von der Staatengemeinschaft im
Jahr 2000 in New York festgelegt wurden. Friedrich übergab das
Kommuniqué im Anschluss an das Gipfeltreffen an die Vorsitzende des
Welternährungsausschusses (CFS) bei der FAO, Gerda Verburg, und den
Sonderbeauftragten des UN-Generalsekretärs für Nahrungssicherung und
Ernährung, David Nabarro.

Vor dem Agrarministergipfel hatte Friedrich bereits Vertreter aus
Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft auf dem
internationalen GFFA-Podium begrüßt und dabei die gemeinsame
Verantwortung aller Akteure für die globale Ernährungssicherung
hervorgehoben. "Nur gemeinsam kann die Weltgemeinschaft im Kampf
gegen Hunger erfolgreich sein", sagte der Minister und nannte als
positives Signal zwei jüngste politische Entscheidungen auf EU-Ebene:
die Abschaffung sämtlicher Exporterstattungen für Agrarprodukte und
die Regulierung der Finanzmärkte, mit denen Spekulationen an den
Agrarmärkten eingedämmt werden sollen.

Lösungen für die Stärkung des ländlichen Sektors gibt es bereits
viele, meinte die Vorsitzende des Welternährungsausschusses, Gerda
Verburg, in ihrem Eröffnungsstatement; häufig stehen sie den
Betroffenen jedoch nicht zur Verfügung. "Wir müssen sicherstellen,
dass die Landwirte ausreichend Investitionsmöglichkeiten haben, damit
sie ihr Einkommen sichern können", so Verburg. Zudem bräuchten sie
Zugang zu aktuellen Forschungsergebnissen und neuesten Technologien.
Kleinbauern und speziell Frauen blieben hier oft außen vor.

In der anschließenden Diskussion ging es vor allem um die Frage,
welchen Beitrag Produktionssteigerungen und hier vor allem die
Pflanzenzüchtung zur Ernährungssicherung leisten können und welche
Rolle bäuerliche Familienbetriebe dabei spielen. "Zuallererst ist
wichtig, dass unsere Bauern sich ernähren können. Doch müssen sie
auch ein Einkommen erzielen können, und dafür ist es nötig, die
Produktivität zu steigern", betonte Robert Sichinga,
Landwirtschaftsminister der Republik Sambia. Bei einem
durchschnittlichen Jahreseinkommen von unter 500 US-Dollar müsse der
Staat die Bauern unterstützen, damit sie ihr Einkommen auf dem Land
erwirtschaften und so die Ernährung der Bevölkerung sichern können.
Subventionen für Düngemittel, Saatgut und Agrarberatung machen -
gemeinsam mit Beihilfen für die Konsumenten - die Hälfte des
sambischen Agrarbudgets aus, so Sichinga.

Wie Sambia setzt auch Griechenland auf bäuerliche
Familienbetriebe. Für Agrarminister Athanasios Tsaftaris sind sie der
Garant für Vielfalt. "Wir wollen den Landwirten dabei helfen,
multifunktionale Bewirtschaftungssysteme zu entwickeln", sagte
Tsaftaris. Um die Schlagkraft und Verhandlungsmacht der Betriebe zu
stärken, sollten Bauernzusammenschlüsse gefördert werden. Das
Dilemma, auf der einen Seite mehr produzieren zu müssen, auf der
anderen Seite aber mit knapper werdenden natürlichen Ressourcen und
steigenden Betriebsmittelpreisen agieren zu müssen, lasse sich nur
durch Innovationen lösen. "Hieran hat verbessertes Saatgut einen
entscheidenden Anteil", so Tsafaris. Allerdings sollten sich die
großen Pflanzenzuchtunternehmen nicht nur auf Hauptkulturen wie
Getreide oder Mais konzentrieren.

Die Rolle der Gentechnik wurde erwartungsgemäß kontrovers
diskutiert. Philip von dem Bussche, Vorstandssprecher der KWS Saat
AG, betonte, dass Gentechnik einen Beitrag zur Lösung des
Hungerproblems leisten könne, allerdings nicht den einzigen und auch
nicht den wichtigsten. Von Seiten der Industrie sei der Fehler
begangen worden, zu hohe Erwartungen zu wecken - entsprechende
Fortschritte, etwa bei der Züchtung trockentoleranter Sorten, seien
oft erst nach 20 bis 30 Jahren zu erwarten. "Für uns ist
entscheidend, dass Verbraucher und Landwirte die Wahlfreiheit haben",
stellte von dem Bussche klar.

Hans Herren, Gründer der Biovision Foundation, gab zu bedenken,
dass auf schlechten Böden auch gentechnisch veränderte Sorten keine
guten Erträge bringen werden. In Afrika habe sich gezeigt, dass die
Maiserträge mit lokalen Sorten um das Zehnfache gesteigert werden
können, da diese beispielsweise gut mit Krankheiten und Schädlingen
umgehen können. Zudem bräuchten Hochertragssorten häufig mehr Wasser
und Düngemittel, die in diesen Ländern oft nicht zur Verfügung
stehen. "Es kommt darauf an, das gesamte Produktionssystem zu
verstehen, die Erfahrungen der Bauern einzubeziehen und integrierte
Lösungen zu finden", so der Träger des Alternativen Nobelpreises
2013.

Auf dem Internationalen Wirtschaftspodium standen der Klimawandel
und die Herausforderungen, die er für die Branche mit sich bringt, im
Vordergrund. Hermann Lotze-Campen, Wissenschaftler am
Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, gab zu bedenken, dass die
Auswirkungen klimatischer Veränderungen alle Regionen der Welt
betreffen. Verschieben sich beispielsweise die Monsunregenfälle und
schmelzen zudem die Gletscher ab, sind mehr als zwei Milliarden
Menschen direkt betroffen. Zudem seien Klimasysteme sehr komplex, vor
allem kurzfristig ließen sich kaum Vorhersagen treffen. "Wir müssen
zugeben, dass wir hier an der Grenze dessen sind, was wir wissen", so
Lotze-Campen. Für die Landwirtschaft könnten Faktoren wie
ausbleibende Regenfälle die Folge haben, dass Spezialisierungen
aufgegeben werden und die Produktion insgesamt diversifiziert wird.
Emissionen aus der Landwirtschaft müssten mit Abgaben belegt werden,
so dass die Betriebe einen Anreiz hätten, in neue Technologien zu
investieren.

Mit dem neu erwachten Interesse der Staatengemeinschaft für die
ländlichen Räume seit der Nahrungsmittelpreiskrise im Jahr 2008 sind
auch die Investitionen in die Landwirtschaft wieder gestiegen.
Allerdings, so Rachel Kyte, Sonderbeauftragte für Klimawandel der
Weltbank-Gruppe, beschäftige sich ein Großteil der Agrarforschung mit
den drei Hauptkulturen Reis, Mais und Getreide. Diese seien aber
allesamt anfällig für klimatische Veränderungen. "Wir müssen mehr in
Grundnahrungsmittel investieren, die mit dem Klimawandel besser
umgehen können", forderte Kyte.

Für Lambert Muhr, Abteilungsleiter Special and Financials Risks -
Agro beim Rückversicherer Munich Re, sind unter fragilen Bedingungen
neue Wege im Versicherungswesen vonnöten. Statt herkömmlicher
Verfahren mit individueller Schadensfeststellung sollten
indexbasierte Versicherungen zum Einsatz kommen. Muhr verwies auf die
erfolgreiche Einführung von Mikroversicherungen in Indien und China,
15 Millionen Kleinbauern seien dort bereits entsprechend versichert.
Für ein besseres Risikomanagement biete es sich an, mit
Produzentenorganisationen zu arbeiten, deren Mitglieder unter
ähnlichen sozio-ökonomischen Bedingungen wirtschaften.

Achim Steiner, Exekutivdirektor des UN-Umweltprogramms, gab zu
bedenken, dass dem Klimawandel möglicherweise leichter zu begegnen
sei als dem Welthunger. Einerseits werden immer mehr Nahrungsmittel
benötigt, andererseits geht immer mehr wertvolles Ackerland verloren.
Im Jahr 2020, so Steiner, werden zudem zwei Drittel der Menschen in
Gebieten mit Wasserknappheit leben. Auch erinnerte er daran, dass ein
Drittel aller weltweit produzierten Lebensmittel die Verbraucher nie
erreichen. "Wir müssen uns darauf einstellen, unsere
Lebensmittelerzeugung in Zukunft umzustellen", so Steiner. "Wir
dürfen Landwirte nicht nur als Produktionsmaschinen sehen, sie müssen
auch Hüter der natürlichen Ressourcen sein." Der UNEP-Vertreter
sprach sich dafür aus, Zahlungen für Umweltdienstleistungen fest in
das Produktionssystem zu integrieren.

Martin Richenhagen, Vorstandsvorsitzender der AGCO Corporation,
ist überzeugt, dass es gelingen kann, eine wachsende Weltbevölkerung
zu ernähren. In den vergangenen Jahrzehnten habe es enorme
Fortschritte durch verbesserte Technologien gegeben. "Unsere Branche
investiert Milliarden, um sicherzustellen, dass die Technik den
Bedürfnissen der Landwirte entspricht, dass sie umweltfreundlicher
wird." Richenhagen sieht vor allem in Afrika großes Potenzial, dort
lägen 60 Prozent der weltweiten Ackerreserven, zudem sei das
Lohnniveau niedriger als in China. Allerdings brauche der
Privatsektor geeignete Rahmenbedingungen - und vor allem keine
Einschränkungen durch gesetzliche Regulierungen.

Das Global Forum for Food and Agriculture wird seit 2009 im Rahmen
der Internationalen Grünen Woche veranstaltet. Expertinnen und
Experten aus der ganzen Welt treffen sich in Berlin, um über zentrale
Zukunftsfragen der globalen Landwirtschaft und Ernährung zu
diskutieren. In diesem Jahr stand das GFFA unter dem Motto
"Landwirtschaft stärken: Krisen meistern - Ernährung sichern".



Pressekontakt:
Veranstalter:

Messe Berlin GmbH
Stellv. Pressesprecher
Pressereferent
Wolfgang Rogall
Messedamm 22
14055 Berlin
Tel.: (030) 3038-2218
Fax: (030) 3038-2287
rogall@messe-berlin.de


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