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DER STANDARD-Kommentar: "Vertrauen sieht anders aus" von Alexandra Föderl-Schmid

Geschrieben am 20-12-2013

"Die Koalition schränkt das freie Mandat ein und verhindert
mehr Mitbestimmung"; Ausgabe vom 21.12.2013

Wien (ots) - Bundespräsident Heinz Fischer hat öffentlich um
Vertrauensvorschuss für die Regierung geworben. Dabei gehen SPÖ und
ÖVP mit einem Misstrauensvorschuss in die auf fünf Jahre angelegte
Zusammenarbeit. Dem Arbeitsprogramm ist eine Präambel vorangestellt,
aus der sich Abneigung lesen lässt. Darin heißt es, Klubobleute und
Fraktionen "stimmen das parlamentarische Vorgehen im Interesse einer
sachlichen Kooperation zeitgerecht ab und stellen eine gemeinsame
Arbeit einschließlich der Abstimmungen sicher". Sogar die
Scheidungsmodalitäten dieser Koalition sind geregelt: "Für den Fall,
dass eine Partei die andere bei Gesetzesbeschlüssen,
Beschlussfassungen über Volksabstimmungen oder sonstigen
parlamentarischen Beschlüssen überstimmt, verpflichten sich die
beiden Koalitionsparteien, gemeinsam einen Neuwahlantrag zu
beschließen." Der parlamentarische Spielraum wurde damit auf null
reduziert, der Klubzwang zur Koalitionsbedingung hochstilisiert.
Dabei ist eigentlich das freie Mandat in Artikel 56 der
Bundesverfassung garantiert: "Die Mitglieder des Nationalrates und
die Mitglieder des Bundesrates sind bei der Ausübung dieses Berufes
an keinen Auftrag gebunden." Dagegen gilt in den nächsten fünf
Jahren, dass alle SPÖ- und ÖVP-Abgeordneten an den Koalitionserhalt
gebunden sind. Dabei wäre ein koalitionsfreier Raum ein Beispiel für
den während der Koalitionsverhandlungen versprochenen "neuen Stil".
Regierungsparteien könnten auch mit Oppositionspolitikern Mehrheiten
schmieden. Das verspricht nicht nur eine lebendigere Volksvertretung,
sondern könnte seit Jahren bestehende Blockaden, etwa bei
Studiengebühren oder Schulformen, auflösen. Apropos Opposition: Wie
in Deutschland sollte die Einrichtung eines parlamentarischen
Untersuchungsausschusses zum selbstverständlichen Recht der
Opposition werden. SPÖ und ÖVP sollten ihre diesbezüglichen
Ankündigungen endlich umsetzen. Die Koalitionsparteien haben auch
verpasst, eine Mitgliederbefragung wie die SPD in Deutschland zu
machen. Parteichef Sigmar Gabriel ist damit ein hohes Risiko
eingegangen, geht aber durch das Mitgliedervotum gestärkt als
Vizekanzler in die große Koalition. Die SPD hat damit mehr bei den
Verhandlungen herausschlagen können. Ein Hearing der
Ministerkandidaten im Parlament wäre auch eine Möglichkeit gewesen,
Misstrauen abzubauen. Die neuen Minister hätten ihre Kompetenz für
ihre Verantwortungsbereiche unter Beweis stellen können. Auf EU-Ebene
müssen sich Kommissare einem solchen Verfahren stellen, ehe sie ihre
Arbeit aufnehmen können. Insbesondere die SPÖ könnte sich ein
Beispiel an Willy Brandt nehmen, bei dessen 100-Jahr-Feier
Bundespräsident Fischer diese Woche eine Rede hielt. Brandts erste
Regierungserklärung 1969 trug die Überschrift "Mehr Demokratie
wagen". Darin hieß es: "Mitbestimmung, Mitverantwortung in den
verschiedenen Bereichen unserer Gesellschaft wird eine bewegende
Kraft der kommenden Jahre sein. Wir können nicht die perfekte
Demokratie schaffen. Wir wollen eine Gesellschaft, die mehr Freiheit
bietet und mehr Mitverantwortung fordert." Die neue Bundesregierung
gewährt nicht einmal Mitstreitern Mitbestimmung und mehr Freiheit.
Vertrauen sieht anders aus.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom

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