(Registrieren)

Mittelbayerische Zeitung: Die Ukraine ist größer als ein Platz

Geschrieben am 11-12-2013

Regensburg (ots) - Von Ulrich Heyden

Über mangelnde Solidaritätsbekundungen westlicher Politiker können
sich die Platzbesetzer in Kiew nicht beklagen. Wer hat nicht alles
auf dem Maidan Hände geschüttelt und Grußworte gesprochen: Der
ehemalige polnische Regierungschef Jaroslaw Kaczyinski von der
konservativen Partei PiS, der amtierende deutsche Außenminister Guido
Westerwelle, der ehemalige georgische Präsident Michail Saakaschwili,
der gegen Russland 2008 schon einen Krieg führte, und die
EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton. Am Mittwoch verteilte dann auch
noch die Sprecherin des Weißen Hauses, Victoria Nuland, auf dem
Maidan Brot und Kekse an Demonstranten und ein paar hungrige
Polizisten. Über die Besuche westlicher Politiker auf dem Maidan
berichtet das russische Fernsehen entweder mit einem grollendem (bei
Nuland), einem süffisanten (bei Saakaschwili) oder einem lakonischen
(bei Westerwelle) Unterton. Tatsächlich stellt sich die Frage, warum
westliche Politiker vor laufenden Fernsehkameras mit ukrainischen
Oppositionsführern über einen Platz laufen, der unerlaubt besetzt
wurde. Aus russischer Sicht ist das einseitige Parteinahme mit einem
Nachbarland, mit sich Russland kulturell und wirtschaftlich eng
verbunden fühlt. Dass dieses Nachbarland über eine EU-Assoziierung
später dann auch in die Nato gelangen könnte, möchte Russland auf
jeden Fall verhindern. Dass das amerikanische Raketenabwehrsystem,
das angeblich nur gegen Nord-Korea gerichtet ist, von dem sich
Russland aber bedroht fühlt, auch in Polen und Rumänien stationiert
wird, ist für Moskau schon Alptraum genug. Nach Meinungsumfragen sind
41 Prozent der Ukrainer für den Assoziierungsvertrag mit der EU und
31 Prozent für den Eintritt der Ukraine in die Zollunion mit
Russland. Die Befürworter der Zollunion leben vor allem im Gebiet
Odessa, auf der Krim und in den ostukrainischen Städten Donezk,
Dnjepropetrowsk und Charkow. Dort gehen jeweils nur ein paar Hundert
Menschen für die EU-Assoziation auf die Straße, weil ihre
Arbeitsplätze im Maschinen- und Waggonbau vom Export nach Russland
abhängen. Die Menschen dort bleiben auch zu Hause, weil ihnen die
Radikalität mancher Maidan-Demonstranten mit schwarz-roten Fahnen der
Ukrainischen Aufständischen Armee (UPA) unheimlich ist. Die UPA
kämpfte 1942 an der Seite der deutschen Wehrmacht und war auch an
Massakern gegen ukrainische Juden beteiligt. Auf dem Maidan stark
vertreten ist die Partei Swoboda, die im letzten Jahr mit
sensationellen zehn Prozent der Stimmen in die Werchowna Rada einzog.
Diese rechtsradikale Partei nutzt die soziale Notlage der Menschen
und gibt sich als Anwalt der kleinen Leute. Gleichzeitig setzt sie
sich dafür ein, dass an den Schulen nur noch Ukrainisch unterrichtet
und der Staatsapparat von "russischen Agenten" gesäubert wird. Der
Parteivorsitzende Oleg Tjagnibok hetzte 2004 in einer Rede gegen die
"jüdische Moskauer Mafia", welche angeblich die Ukraine regiert. Für
den Sieger der orangefarbenen Revolution, den damaligen Präsidenten
Viktor Janukowitsch, war das ein Grund, Tjagnibok aus seiner
Wahlkoalition auszuschließen. Gefährlich ist auch die rechtsradikale
Partei Bratstwo (Brüderschaft) die am 1. Dezember mit 300 Mann, einem
Schaufellader und Stahlkette versuchte durch Polizeiketten zu
brechen, die die Präsidialverwaltung in Kiew schützten. Zu den
Bratstwo-Gründern gehören Leute, die als Freiwillige im
Tschetschenien- und Georgien-Krieg gegen russische Truppen kämpften.
Es wird deshalb Zeit, dass Europa in der Ukraine die Kräfte des
Dialogs unterstützt und sich von Zündlern, wie Oleg Tjagnibok und
dessen militantem Fußvolk, öffentlich abgrenzt. Wer sich demonstrativ
auf die Seite der Demonstranten stellt, droht seine Rolle als
Vermittler aufs Spiel zu setzen.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

501928

weitere Artikel:
  • BERLINER MORGENPOST: Der teure Traum aus Kiew/Leitartikel von Jochim Stoltenberg Berlin (ots) - Das nennt man denn wohl eine Erpressung. Von der EU plötzlich 20 Milliarden Euro Finanzhilfe als Voraussetzung für die Unterzeichnung eines Handelsabkommens zu verlangen ist dreist und zudem politisch durchschaubar. Erst vor ein paar Tagen hat der ukrainische Staatspräsident Viktor Janukowitsch das bereits ausgehandelte Assoziierungsabkommen mit der EU plötzlich verworfen, weil Moskau ihn dazu genötigt hatte. Aber es war nicht allein der Druck Putins, der den Präsidenten veranlasste, die europäischen Regierungschefs mehr...

  • Rheinische Post: Kommentar / Berlin - unsere teure Hauptstadt = Von Birgit Marschall Düsseldorf (ots) - Für den neuen Bundesfinanzminister, der aller Voraussicht nach wieder Wolfgang Schäuble heißt, wird es bald richtig ungemütlich. Denn gleich an mehreren Fronten muss er gegen den Geldhunger der Länder ankämpfen. Für die bedeutet die im Koalitionsvertrag angekündigte Reform der Bund-Länder-Finanzen vor allem eins: dass ihnen der Bund mehr Geld geben soll. Die Länder wollen nicht nur viele Milliarden vom Bund für Schulen, Kitas, Verkehr und Behindertenhilfen. Sie wollen sich auch mindestens die Hälfte der Einnahmen mehr...

  • Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur kommentierten Ausgabe von »Mein Kampf« Bielefeld (ots) - Es gibt einen Kampf, der darf nicht zu Ende sein, solange es Deutsche auf dieser Erde gibt: der Kampf gegen Faschismus, Nationalsozialismus und jede andere Form von menschenverachtendem -ismus. Im Zuge dieses Kampfes haben es viele bislang für notwendig gehalten, Adolf Hitlers unlesbare Hetzschrift »Mein Kampf« zu verbieten. 88 Jahre nach der Erstauflage ist es an der Zeit, diesen Nebenkriegsschauplatz zu räumen. Ansteckungsgefahr geht von Hitlers Buch jedenfalls keine aus. Schon unter den Zeitgenossen hat es nur mehr...

  • Thüringische Landeszeitung: VORAUSMELDUNG: 90.000 altersgerechte Wohnungen fehlen in Thüringen Weimar (ots) - In Thüringen fehlen etwa 90.000 altersgerechte Wohnungen. Der Sozialverband VdK hat jetzt Alarm geschlagen. "Wir brauchen viel mehr bezahlbare altersgerechte Wohnungen", forderte in einem Gespräch mit der Thüringischen Landeszeitung (Donnerstagsausgabe) der Landesvorsitzende des Verbandes, Karl-Winfried Seif. Dann könnte vielen älteren Menschen auch der Wunsch erfüllt werden, so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden wohnen zu bleiben. Sie wollten ihr gewohntes Umfeld und ihre über Jahrzehnte gewachsenen sozialen mehr...

  • Mitteldeutsche Zeitung: zu Landeshaushalt Sachsen-Anhalt Halle (ots) - In der Vergangenheit war das Thema Haushalt meistens etwas für Parlamentarier und von Kürzungen betroffene Interessengruppen. Insofern hat die anfängliche Instinktlosigkeit der politischen Spitze am Ende zur weiteren Demokratisierung des Landes beigetragen. Dem Ministerpräsidenten ist anzurechnen, dass er die Kürzungen an den Hochschulen auf ein vertretbares Maß reduziert hat. Das konnte aber nur erreicht werden, weil auch an den Hochschulen die Debatte nicht wirkungslos geblieben ist. Auf einmal wurden längst überfällige mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht