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BERLINER MORGENPOST: Lachende Autokraten - Kommentar

Geschrieben am 06-09-2013

Berlin (ots) - Der G-20-Gipfel in St. Petersburg ist so
ausgegangen, wie zu erwarten war. Russlands Präsident Wladimir Putin
leugnet weiter mit großer Kaltschnäuzigkeit - und gegen jede Evidenz
-, dass Syriens Präsident Baschar al-Assad Giftgas eingesetzt hat.
Barack Obama hat die internationale Bühne nicht wirklich nutzen
können, um die Rebellen im US-Kongress davon zu überzeugen, dass hier
nicht nur seine Glaubwürdigkeit, sondern auch die der USA als
globaler Akteur auf dem Spiel steht. Und die Bundesregierung bewegt
sich weiter in ihrer ganz eigenen diplomatischen Parallelwelt und tut
so, als gäbe es noch immer Hoffnung auf Verhandlungen und eine
Bewegung im UN-Sicherheitsrat.

In Berlin scheint man inzwischen nicht mal mehr so etwas wie einen
Phantomschmerz zu empfinden, wenn Worte und Taten in der Außenpolitik
keinerlei kausale Verbindung mehr zu haben scheinen. Klar, das Regime
in Damaskus soll für den Chemiewaffeneinsatz bestraft werden, heißt
es. Aber - natürlich - Deutschland würde niemals bei so etwas
mitmachen. Die Drecksarbeit sollen, wie üblich, andere übernehmen die
sich dann bei der erstbesten Gelegenheit wieder moralingeschwängerte
Vorhaltungen aus Deutschland machen lassen müssen. Denn wer handelt,
macht dabei zuweilen eben auch mal Fehler. Eine Gefahr, in die sich
die Deutschen jenseits Europas am liebsten gar nicht mehr begeben
wollen. "Deutschland ist das Gespenst der internationalen
Beziehungen", hat "New York Times"-Kolumnist Roger Cohen gerade
geschrieben. Zu Recht.

Nach dem Fall der Mauer war die Hoffnung im Westen weit
verbreitet, die Vereinten Nationen könnten zu einer Art Weltregierung
werden oder mindestens zu einer Organisation, die globale Normen
durchsetzt und zu ihrem Recht verhilft. Selten hat sich das so
deutlich als Schimäre erwiesen wie derzeit. Es zeigt sich, dass die
USA immer noch unverzichtbar sind zur Bereitstellung der
Machtressourcen, die nötig sind, um internationale Normen
durchzusetzen. Und wenn deren Wille erlahmt, dann kann jeder
dahergelaufene Diktator ungestraft mit viel Mühe aufgerichtete Tabus
der Weltpolitik einreißen. Viele haben wie einst Gerhard Schröder und
Jacques Chirac von der multipolaren Weltordnung geträumt. Im Fall
Syriens haben wir in den vergangenen zwei Jahren erlebt, wie die
aussehen könnte.

Der Westen und seine Führungsmacht sind offenbar müde und haben
nur noch wenig Ehrgeiz, Weltgeschichte zu prägen und Ordnungspolitik
zu betreiben. Dazu kam zum Schluss dann auch noch dilettantisches
Politikmanagement. Das Ergebnis dieser glorreichen Wochen des Westens
lässt sich knapp so zusammenfassen: Cameron ist raus, Obama wankt,
und Merkel schwebt auf Wahlkampfwolke sieben. "Last man standing" im
Westen ist der zuvor so viel geschmähte französische Präsident
François Hollande. Und die Autokratenallianz von Putin über Assad,
Irans Chamenei bis zu Chinas Xi Jinping klopft sich lachend auf die
Schenkel bei so viel westlichem Talent zur Selbstbeschädigung.



Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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