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Börsen-Zeitung: Lizenz zum Tapern, Börsenkommentar "Marktplatz", von Grit Beecken.

Geschrieben am 06-09-2013

Frankfurt (ots) - Die weltweit wichtigste ökonomische Kennziffer
dürfte derzeit die Arbeitslosenquote in den USA sein. Die
geldpolitische Gangart in Übersee hängt schließlich vor allem davon
ab, wie sich der dortige Jobmarkt entwickelt. Bei einer Quote von 7%
sollen die monatlichen Anleihenkäufe beendet sein, verkündeten die
Notenbanker im Juni. Und der Leitzins bleibe niedrig, bis die 6,5%
erreicht sind. Aktuell sind wir bei 7,3%.

Demnach müsste die Federal Reserve (Fed) zügig, und zwar
eigentlich in diesem Monat, mit der Drosselung ihrer Anleihenkäufe,
dem sogenannten Tapering, beginnen. Denn noch liegt das Volumen bei
monatlich 85 Mrd. Dollar. Wenn die Notenbanker bei 7% gar nicht mehr
kaufen wollen und die Märkte nicht mit einem kalten Entzug quälen
möchten, wird es Zeit für die Drosselung.

Die Fed könnte also die "Lizenz zum Tapern" haben, schreiben die
Analysten der Commerzbank. Ob die Arbeitsmarktdaten diese Lizenz
wirklich hergeben, ist allerdings nicht klar. Denn parallel zur
sinkenden Quote kamen auch schlechte Nachrichten: Es wurden weniger
Stellen geschaffen als erwartet. Und die Fed hat auch angedeutet,
dass die Zahl der neuen Jobs im Sechsmonatsdurchschnitt um mindestens
200000 steigen sollte, ehe die Käufe auslaufen. Davon sind wir
derzeit noch weit entfernt.

Also sind die Marktteilnehmer nach dem Arbeitsmarktbericht genau
so schlau als wie zuvor. Dabei hatten sie sich tagelang mit größeren
Engagements zurückgehalten - in der Hoffnung, das Zahlenwerk bringe
Klarheit darüber, ob die Anleihenkäufe bereits im September oder erst
später zurückgefahren werden. Schließlich hat die Frage, wie viel
Liquidität die Fed in die Finanzmärkte pumpt, massive Auswirkungen
auf die Preise nahezu aller Anlageklassen weltweit.

Nun geht das Rätseln weiter. Investoren müssen sich bis zur
Pressekonferenz nach dem kommenden Treffen der amerikanischen
Währungshüter gedulden - und das findet erst am 18. September statt.
Bis dahin dürften die Märkte weltweit volatil bleiben. Wie nervös die
Anleger sind, zeigte sich in den vergangenen Wochen nicht nur an der
Kapitalflucht aus den Schwellenländern, sondern auch an den stark
gestiegenen Renditen von Anleihen bonitätsstarker Staaten wie
Deutschland, Großbritannien und den USA.

Zwar interpretierten viele Marktbeobachter die Arbeitsmarktdaten
dahingehend, dass das Tapering erst im vierten Quartal starte, viele
orakelten, es werde Dezember sein. Doch die vergangenen Wochen haben
gezeigt, dass die Unsicherheit über den geldpolitischen Kurs in den
USA die Märkte stark unter Druck setzt. Und das "dramatisch
beeinträchtigende Unsicherheitsmoment", wie die Baader Bank
formuliert, ist noch nicht ausgeräumt.

Wenn die Fed sich die Lizenz zum Tapern nicht schon in diesem
Monat erteilt, dann spricht einiges dafür, dass es erst im Dezember
so weit sein wird. Denn die Währungshüter halten nur eine
Pressekonferenz pro Quartal. Und Marktbeobachter gehen davon aus,
dass Fed-Chef Ben Bernanke es sich nicht nehmen lassen wird, eine
Tapering-Entscheidung persönlich zu erläutern und Raum für Rückfragen
zu geben.

Zwar könnte er auch im Oktober oder November eine außerplanmäßige
Pressekonferenz halten. Doch es ist leicht auszumalen, was allein die
Ankündigung einer solchen Veranstaltung an den Märkten auslösen
würde. Und gerade nach den Ermahnungen auf dem jüngsten G20-Gipfel,
sorgsam mit den Finanzmärkten der gebeutelten Schwellenländer
umzugehen, erscheint eine solche Hauruck-Aktion unwahrscheinlich.

Am Freitag fühlten sich die Investoren aber erst einmal sicher, in
den USA verbuchten Staatsanleihen und Aktien Kursgewinne, auch
Europas Börsen legten zu. Die Marktbeobachtung der vergangenen Monate
(das bevorstehende Tapering sorgt seit dem 22. Mai für Unruhe) zeigt
aber, dass derartige Überzeugungen zumeist nicht von Dauer sind und
Investoren Konjunkturdaten mit Argusaugen auf weitere Anzeichen für
den Beginn des Ausstiegs untersuchen.

In der neuen Woche stehen nur wenige relevante Zahlenwerke auf dem
Kalender. Dafür wird die weitere Entwicklung der Syrien-Krise
entscheidend für die Kursentwicklung sein. Sollte der Konflikt
eskalieren, ist es Analysten zufolge unwahrscheinlich, dass die Fed
Liquidität aus dem Markt nimmt und somit einen etwaigen Preisverfall
weiter beschleunigen würde.

(Börsen-Zeitung, 7.9.2013)



Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de


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