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DER STANDARD - Kommentar: "ÖVP ist päpstlicher als der Papst" von Michael Simoner

Geschrieben am 04-09-2013

"Österreich kann sich Flüchtlinge nicht nach deren
Religionsbekenntnis aussuchen" (Ausgabe vom 5/9/2013)

Wien (ots) - Ist Vizekanzler Michael Spindelegger im Umgang mit
der Flüchtlingskatastrophe in Syrien päpstlicher als der Papst?
Franziskus ruft für kommenden Samstag zu einem weltweiten Fasttag
auf, um ein Zeichen für Frieden in der Krisenregion zu setzen und
geistliche Unterstützung für die Millionen vertriebener Menschen zu
signalisieren. Der Pontifex macht keinen Unterschied, welcher
Religion die Opfer angehören. Ausdrücklich hat das Oberhaupt der
katholischen Kirche auch alle anderen Religionen zu der
Solidaritätsaktion eingeladen. Michael Spindelegger hingegen,
Oberhirte der christdemokratischen Volkspartei in Österreich, will
die schützende Hand der Republik in erster Linie über vertriebene
Christen halten. Und er löste damit prompt eine Welle der Empörung
aus. Im Wiener Büro des UN-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR) heißt
es zwar, dass die Bevorzugung von Christen nicht Teil der Abmachung
sei. Doch Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, ebenfalls von der
ÖVP, bekräftigte inzwischen, dass vor allem Frauen, Kinder und eben
Christen nach Österreich geholt werden sollen. "So manche versuchen
zu negieren, dass Christen besonders gefährdet sind", sagte sie am
Mittwoch. Insgesamt geht es um 500 syrische Flüchtlinge, die von der
Uno ausgewählt werden sollen. Als perfides Element in der Diskussion
kommt hinzu, dass Österreich gerade im Wahlkampffieber liegt. Und das
ist ohnehin schon durch die umstrittenen "Nächstenliebe"Plakate der
FPÖ christlich aufgeheizt. Gut möglich, dass die ÖVP ein wenig
Terrain gutmachen will. Fehlendes Engagement in der Syrienhilfe kann
man der rot-schwarzen Regierung wohl nicht vorwerfen. Auch wenn die
sechs Millionen Euro, die SPÖ und ÖVP für die Hilfe von Vertriebenen
bisher lockergemacht hat, wohl eine Selbstverständlichkeit im Rahmen
einer EU-weiten Unterstützungswelle sind. Das Dilemma der aktuellen
Debatte liegt darin, dass die Frage der Auswahl der Flüchtlinge so
typisch österreichisch, nämlich patschert, angegangen wird. Dieses
Mitbestimmenwollen der Politik, wer denn im Fall der humanitären
Katastrophe in Syrien am schlimmsten betroffen ist, zeugt von
Überforderung und Selbstüberschätzung. Wir müssen uns darauf
verlassen (können), dass die Vereinten Nationen und
Hilfsorganisationen, die in der Krisenregion direkt vertreten sind,
uns diese Entscheidung verlässlich abnehmen. Selbstverständlich
werden unter den betroffenen Flüchtlingen auch Christen sein.
Selbstverständlich auch Muslime. Selbstverständlich auch Menschen,
die angesichts des Bürgerkrieges ihren Glauben an Gott oder Allah
verloren haben. Auch in Deutschland wird die Christenverfolgung in
Syrien als ein Grund für Rettungsaktionen genannt. Allerdings als ein
Grund von vielen, also ohne diese in der ÖVP vorherrschende
Bevorzugungstendenz. Welchen Grund sollte es auch geben, das blanke
Überleben in erster Linie Christen zu sichern? Weil sie im Hinblick
auf eine Integration besser in den abendländischen Kulturkreis
passen? Humbug. Natürlich kann sich ein Land "seine"Flüchtlinge nicht
einfach so nach deren religiösen und kulturellen Bekenntnissen
aussuchen. Das wäre weder mit den Allgemeinen Erklärung der
Menschenrechte noch mit der Genfer Flüchtlingskonvention vereinbar.
Und auch nicht mit christlicher Nächstenliebe.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom

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