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"DER STANDARD"-Kommentar: "Obama zieht die Notbremse" von Alexandra Föderl-Schmid

Geschrieben am 01-09-2013

Der US-Präsident zögert im Syrienkonflikt zu Recht und gibt
sich als Anti-Bush - Ausgabe vom 2.9.2013

Wien (ots) - Taktisch klug ist Barack Obamas Zickzackkurs der
vergangenen Tage zu Syrien nicht. Nach der anschwellenden
Kriegsrhetorik und der Ankündigung in Washington, es gebe Beweise für
den Chemiewaffeneinsatz durch das Assad-Regime, war es überraschend,
dass Obama so abrupt auf die Bremse steigt. Obama hatte selbst diese
Entwicklung in Gang gesetzt, indem er mit dem Chemiewaffeneinsatz
eine "rote Linie" zog und nach dem offensichtlichen Giftgaseinsatz
nicht nur bei der syrischen Opposition Erwartungen geweckt hatte,
dass ein Militärschlag unmittelbar bevorstehe. Zwar hätte Obama sein
einstiges Versprechen, er werde in solchen Fällen den Kongress
einbeziehen, früher einfallen können. Er reagiert auf Entwicklungen
der vergangenen Tage und gab sein Dilemma ungewöhnlich deutlich
öffentlich zu: Einerseits müsse es eine Reaktion auf den
Giftgasanschlag geben, andererseits wolle er nicht an seinem Volk
vorbei über Leben und Tod entscheiden. Außenminister John Kerry gibt
den Scharfmacher, Obama den Zauderer und Anti-Bush: Er reagiert auf
Kritik und zieht seinen Plan nicht stur durch. Der US-Präsident will
den Kongress nicht nur deshalb einbeziehen, weil er die Weigerung,
die Abgeordneten bei Militäreinsätzen mitbestimmen zu lassen, bei
seinem Vorgänger George W. Bush kritisiert hat. Es geht ihm nicht nur
um seine eigene Glaubwürdigkeit, die seit den Enthüllungen über die
NSA-Überwachung stark beschädigt ist. Er reagiert damit auch auf
Umfragen, dass drei Viertel der Amerikaner einen Angriff in Syrien
ablehnen, solange das eigene Parlament nicht darüber beraten hat.
Obama will einen weiteren Fehler vermeiden, den er Bush immer wieder
vorgehalten hat: den Unilateralismus und damit die Missachtung der
Vereinten Nationen. Spät, aber doch hat der Demokrat erkannt, dass es
klüger ist, die Ergebnisse der Mission der UN-Inspektoren in Syrien
abzuwarten, statt vorzupreschen und nur Erkenntnisse der eigenen
Geheimdienste vorweisen zu können. Zu frisch sind noch die
Erinnerungen an den Irakkrieg 2003: Die vom damaligen Außenminister
Colin Powell präsentierten Massenvernichtungswaffen haben sich als
Schimäre erwiesen. Handfeste Beweise der UN-Mission würden zudem die
Chancen erhöhen, dass Russland und China im Sicherheitsrat von ihrer
Vetoposition abrücken. Obamas Notbremse ist auch eine Reaktion auf
die Entscheidung des britischen Parlaments, kein grünes Licht für
eine britische Beteiligung an einem Militärschlag zu geben. Damit ist
Washington der wichtigste Verbündete aus dem Irakkrieg
abhandengekommen. Ob tatsächlich Frankreich als Allianzpartner
bleibt, ist längst nicht mehr sicher. Nach der Abfuhr, die sich der
britische Premier David Cameron vom Parlament geholt hat, wird
Francois Hollande zwar vermeiden wollen, die Nationalversammlung
einzubinden. Aber der Druck nimmt nach Obamas Entscheidung zu, denn
wie der französische Präsident hätte auch er einen Militäreinsatz im
Alleingang anordnen können. Die Situation in Syrien ist nicht mit
jener in Mali zu Jahresbeginn zu vergleichen, wo der französische
Truppeneinsatz erfolgreich war. Auch wenn Obamas Zögern von
Beobachtern als Schwäche ausgelegt wird: Damit gibt es noch eine
Chance auf eine politische Lösung, ein übereilter Angriff ohne
nachhaltige Folgen für das Regime in Syrien hätte die Weltmacht USA
erst recht blamiert.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom

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