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"Willkommen im digitalen Zeitalter" von Gianluca Wallisch

Geschrieben am 31-07-2013

Mit dem harten Wikileaks-Urteil verfolgen die US-Behörden eine
falsche Strategie - Ausgabe vom 1. August 2013

Wien (ots) - Bradley Manning hat also nicht "dem Feind" geholfen.
Zumindest in diesem, dem schwerstwiegenden Anklagepunkt gegen den
Obergefreiten der US-Armee, der die Enthüllungsplattform Wikileaks
mit geheimen Dokumenten belieferte, hat das Militärgericht die
Anklage nicht bestätigt. Gut so. Wäre Manning tatsächlich in diesem
Punkt schuldiggesprochen worden, hätte das eine schlechte Nachricht
für die Medien bedeutet. Das Urteil hätte - eher über kurz denn über
lang - den Tod des investigativen Journalismus bedeuten können;
zumindest in den USA. Das mag wohl auch Richterin Denise Lind bedacht
haben, die mit einem solchen Verdikt jedes Medium, das investigativ
arbeitet - also Missstände, Korruption und Geheimnisse aufzudecken
trachtet -, ultimativ kriminalisiert hätte; mit unabsehbaren Folgen
für die Freiheit der Medien. Keine Rede mehr dann von kritischer
Berichterstattung, egal ob zu Innen-, Verteidigungs- oder
Außenpolitik. Die Medien stünden dann prinzipiell unter dem
Generalverdacht, immer und überall "der Feind" zu sein. Doch damit
sind die Möglichkeiten für eine positive Beurteilung des Urteils in
der Causa Bradley Manning bereits erschöpft: Das US-Militärgericht
hat indirekt bestätigt, dass etwa die Aufdeckung von Folterpraktiken
offenbar nur dann straffrei bleiben kann, wenn dadurch nicht die
eigenen Behörden belastet werden - so wahr die Information auch sein
möge. Andernfalls, wie bei Manning, wiegt der Tatbestand des Verrats
in der Lesart der US-Militärjustiz wohl mehr als der Artikel 5 der
Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen:
"Niemand darf der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder
erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden." Die Härte
des Manning-Urteils ist wohl Teil einer Strategie, weitere
Whistleblower innerhalb des US-Machtapparats abzuschrecken. Wer soll
noch genug Courage aufbringen, Geheimnisse der US-Regierung - vor
allem kriminelle - weiterzugeben, wenn die Mindeststrafe automatisch
mehrfach lebenslänglich ist? Diese Strategie wird nicht aufgehen, und
der nach Moskau geflüchtete NSA-Whistleblower Ed Snowden ist mit
Sicherheit nicht der letzte Fall gewesen. Die USA täten gut daran,
sich von der Vorstellung zu verabschieden, sie könnten im digitalen
Zeitalter den Fluss von Informationen kontrollieren - geschweige denn
im eigenen Sinn bändigen. Das hat nicht einmal 1971 funktioniert, als
durch Daniel Ellsberg die Täuschungsmanöver der US-Regierung
gegenüber der eigenen Bevölkerung in Bezug auf den katastrophal
verlaufenden Vietnamkrieg aufflogen. Ohne es bisher offen
einzugestehen, wissen es die Entscheidungsträger in Washington
ohnehin: Die wahl-, plan- und lückenlose Überwachung der globalen
Kommunikationsströme kann schwerlich als Ultima Ratio im Kampf für
nationale Sicherheit und gegen den internationalen Terrorismus
gewertet werden. Immerhin reagiert man nun im US-Kongress mit der
stückweisen Freigabe bisher geheimer Dokumente, wie etwa jener, die
den Telekomanbieter Verizon zur Weitergabe von Verbindungsdaten
verpflichten. Ohne Snowden wäre es wohl noch nicht dazu gekommen.
Viele Regierungen müssen erst in der digitalen Gegenwart ankommen.
Das bewies - für Spott und Häme sorgend - auch die deutsche Kanzlerin
Angela Merkel: Sie bezeichnete unlängst das Internet als "Neuland".

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom

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