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"Auf dünnem Eis" von Gudrun Harrer

Geschrieben am 29-07-2013

Die neuen Nahostverhandlungen werden trotz schwacher Basis
zumindest beginnen - Ausgabe vom 30.7.2013

Wien (ots) - Zwanzig Jahre nach Beginn des Oslo-Friedensprozesses
und 46 Jahre nach der israelischen Besetzung des Westjordanlands -
die die jordanische Besatzung ablöste, so viel Geschichte muss sein -
gehen Israelis und Palästinenser in neue Verhandlungen über einen
Palästinenserstaat. Diese Aussage ist mit der Einschränkung zu
treffen, dass jede der beiden Seiten mit einer neuen Forderung, oder
auch der neuen Formulierung einer alten Forderung, die geplanten
Verhandlungen - für die Montagabend in Washington ja nur die
Vorgespräche begannen - in einer Sekunde platzen lassen kann. Ganz
dünnes Eis ist die Basis, auf der man sich bei der Wiederaufnahme
nach drei verlorenen Jahren bewegt. Aber dennoch ist es eher
wahrscheinlich, dass sie erst einmal hält, das heißt, dass
tatsächlich Verhandlungen starten. Denn beide Seiten wollen sie. Mit
dem "strategischen Interesse", das diese Verhandlungen für Israel
darstellen, konnte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu auch seinem
zögernden Kabinett die prinzipielle Zustimmung zu einer qualitativ
massiven Gefangenenfreilassung abringen. So schmerzlich sie für
Israel sein mag - das derzeitige Risiko, zu viel zu geben, ist nicht
sehr groß, und im Gegenzug handelt sich Israel durch seine Konzession
sogar ein veritables Druckmittel ein: Denn laut New York Times ist
das Tempo der Freilassungen an den Fortschritt der Verhandlungen
gekoppelt, und für die Frage arabischer Israelis ist noch einmal eine
Extra-Hürde eingebaut. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas braucht
diese Freilassungen wie die Luft zum Atmen. Mit ausgelaufener
demokratischer Legitimierung - Präsidenten- und Parlamentswahlen sind
überfällig - und wachsender politischer und vor allem
wirtschaftlicher Unzufriedenheit im Westjordanland und in den eigenen
Reihen muss er den Palästinensern beweisen, dass es auch mit
friedlichen Mitteln gelingt, Gefangene heimzubringen. Die den
Gazastreifen regierende Hamas hat 2011 mit der Freilassung des 2006
gekidnappten israelischen Soldaten Gilad Shalit 1027 Palästinenser
freigepresst, also zehn Mal so viele, wie jetzt Abbas versprochen.
Die Hamas, die durch den Aufstieg der Muslimbrüder in Ägypten und
anderswo und ihre Distanzierung vom Assad-Regime in Syrien
strategisch profitierte, steht heute wieder im Eck. Ob Abbas - der
den Militärs in Ägypten rasch zum Putsch Anfang Juli gratulierte -
das für sich nützen kann, bleibt zu sehen. Aber er hat im Moment eine
recht solide arabische Front im Rücken, vor allem Saudi-Arabien, das
die Schwächung der Muslimbrüder in der Region nützen will.
US-Außenminister John Kerry hat angekündigt, dass ein
Informationsstopp helfen soll, die Gespräche nicht von außen
entgleisen zu lassen. In der Tat können die Verhandler beider Seiten
nicht mit ihnen ständig im Nacken sitzenden Maximalisten und
ideologischen Verweigerern arbeiten. Wenn die Verhandlungen ernst
gemeint sind - und nicht nur strategisches Interesse am Prozess,
statt an dessen Ausgang, vorhanden ist -, muss behutsam ein Stein auf
den anderen geschlichtet werden, bis das Gebäude fertig ist. Und, um
beim Bild zu bleiben, solange der Mörtel nicht trocken ist, kann es
ein Lufthauch zum Einsturz bringen. Diesen Mörtel, die Garantien für
beide Seiten, können nur die USA liefern - und nur, wenn sie beiden
gegenüber ihre Glaubwürdigkeit erst beweisen und dann erhalten.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom

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