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BERLINER MORGENPOST: Stellvertreterkriege mit Rolf Hochhuth / Leitartikel von Stefan Kirschner

Geschrieben am 10-06-2013

Berlin (ots) - Der Konflikt zwischen dem Dramatiker Rolf Hochhuth
und dem Theaterleiter Claus Peymann erinnert an einen Vulkan: Unter
der Oberfläche brodelt es permanent, es gibt längere, trügerische
Ruhephasen, plötzlich kommt es zum Ausbruch. Meistens im Sommer. Mit
einer fristlosen Kündigung hat Rolf Hochhuth diesmal seinen Anspruch
auf das Berliner Ensemble (BE) angemeldet - also eines der
wichtigsten Kulturinstitutionen Berlins mit internationaler
Strahlkraft. Das Theater gehört der von Hochhuth gegründeten
Ilse-Holzapfel-Stiftung. Die Stiftung hat die Theater-Immobilie ans
Land Berlin vermietet, BE-Intendant Claus Peymann ist der
Untermieter. Die Miete liegt bei 214.000 Euro pro Jahr, ein
Schnäppchen für diese Lage, auch das nervt Hochhuth immer wieder,
obwohl er doch an den entsprechenden Verhandlungen beteiligt war.
Rolf Hochhuth, mittlerweile 82 Jahre alt, hat mit seinem
"Stellvertreter" Theatergeschichte geschrieben. Das Stück beschäftigt
sich mit der Rolle von Papst Pius XII. im Holocaust und sorgte bei
seiner Uraufführung vor 50 Jahren für heftige Diskussionen und
Reaktionen. Der katholischen Kirche war das Werk lange ein Dorn im
Auge, aber seit die Hexenverbrennung abgeschafft wurde, sind die
Möglichkeiten der Kirche beschränkter. An den Erfolg des
"Stellvertreter" konnte Hochhuth nicht mehr anknüpfen, seine Dramen
werden vergleichsweise selten gespielt, viele gelten als handlungsarm
und wortlastig. Möglicherweise ärgert es Hochhuth, dass er zu den
wenigen Dramatikern gehört, die über ein eigenes Theater verfügen,
aber dennoch selten aufgeführt werden. Was auch an ihm selbst liegt.
Denn vertraglich hat er das Recht, in der Sommerpause das Berliner
Ensemble zu bespielen. Mitunter hat es nicht geklappt, weil er die
Fristen zur Anmeldung nicht eingehalten hatte. Oder Peymann dringende
Sanierungsarbeiten ankündigt hat. Die beiden haben das auch schon
gerichtlich ausgefochten, bei einer Verhandlung verließ Hochhuth
schimpfend und türzuschlagend den Gerichtssaal, durchsetzen konnte er
sich letztlich nicht. Jetzt hat er einen neuen Rechtsanwalt - und
einen neuen Gegner: Das Land Berlin, vertreten durch Kultursenator
Klaus Wowereit. In der Senatsverwaltung reagiert man, wie man in
solchen Fällen reagiert: prüfend. Wahrscheinlich geht die ganze Chose
wieder vor Gericht, denn nach Hochhuths Ansicht hat das Land
Vertragspflichten nicht erfüllt, dazu zählt wohl, dass jedes Jahr im
Oktober "Der Stellvertreter" am Berliner Ensemble gezeigt wird.
Sollte sich der Dramatiker durchsetzen, droht Leerstand: Denn ohne
finanzielle Unterstützung durch das Land dürfte auch Hochhuth nicht
in der Lage sein, das Theater zu bespielen. Wenn man Hochhuth richtig
versteht, geht es ihm um das Verwalten des eigenen Erbes. Aber auch
das Berliner Ensemble hat eine Geschichte, das Erbe von Bertolt
Brecht ist bedeutend. Hochhuth wird als Autor des "Stellvertreters"
in Erinnerung bleiben. Er sollte sich seinen Ruf nicht dadurch
ruinieren, dass er Brecht aus dessen Tempel vertreibt.



Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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