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"DER STANDARD"-Kommentar: "Zu arm, um Österreicher zu werden" von Irene Brickner

Geschrieben am 01-05-2013

Staatsbürgerschaftsnovelle beendet soziale Schieflage bei
Einbürgerungen nicht - Ausgabe vom 2.5.2013

Wien (ots) - Das neue Staatsbürgerschaftsgesetz belohne Leistung.
Einwanderer, die sich rascher als andere integrierten, könnten früher
Österreicher werden - und das nutze dem Land: Das meint man in der
ÖVP, die den ursprünglichen Vorschlag für die aktuelle
Einbürgerungsnovelle unterbreitet hat, welche im Ministerrat
beschlossen wurde. Das neue Staatsbürgerschaftsgesetz stelle viele
Einbürgerungswillige vor unüberwindliche Hürden, entgegnen Grüne,
Wiener SP und mit Migranten arbeitende NGOs. Einkommensschwache
könnten das Verlangte niemals leisten. Also blieben sie als
Nicht-Österreicher vom Wahlrecht dauerhaft ausgeschlossen - was der
Demokratie und dem Land schade. Soweit die zwei wichtigsten Lesarten
der aktuellen Staatsbürgerschaftsnovelle; eine dritte, jede Art von
Einbürgerungsbefürwortung ablehnende Reaktion kam erwartungsgemäß
aus der FPÖ: Als unterschiedliche Interpretationen stehen diese
Ansichten einander gegenüber. Fast so, als wäre von verschiedenen
Gesellschaften die Rede: Bei der Einbürgerungsfrage zeigt sich, dass
es in Österreich höchst unterschiedliche Vorstellungen über den
Zustand des Gemeinwesens und dessen erwünschte Zukunft gibt. Das ist
kein Wunder, denn die Regeln, wie man Staatsbürger wird, sind in
einer Einwanderungesellschaft zentral. Und es eröffnet viele Fragen:
Ist Österreich ein Land, in dem Migranten, die viel leisten, mit
Erfolg rechnen können? Oder eines, in dem dies vielfach verunmöglicht
wird? Ist es für die Zukunft der Nation gut, wenn leistungsstarke
Ausländer bei der Einbürgerung vorgezogen werden? Oder sollte die
Staatsbürgerschaftsfrage, um gerecht gehandhabt zu werden, von der
Erfolgs- und Einkommensfrage überhaupt entkoppelt werden? Eine erste
Antwort kommt aus der Einkommensstatistik. Die rund 1000 Euro netto
pro Monat, die auch nach der Novelle unverändert über längere
Zeiträume hinweg vorzuweisen sind, überfordern große Teile der
heimischen Arbeitnehmer, In- wie Ausländer. Zehn bis 20 Prozent der
männlichen Angestellten sowie 60 bis 70 Prozent aller Arbeiterinnen
liegen mit ihren Löhnen darunter. Diese Einkommensverhältnisse sind
keine Sache der Strebsamkeit und nur bedingt eine des individuellen
Willens. Sie haben vielmehr mit Bildungsstand und
Schichtzugehörigkeit zu tun: Wäre es besagten Arbeiterinnen möglich,
durch mehr Leistung mehr zu verdienen, sie würden wohl nicht zögern -
doch was sie verdienen, liegt im Branchendurchschnitt. Das wiederum
bringt besagte Arbeiterinnen um die Chance, Österreicherinnen zu
werden - was die Frage der Gleichheit aufwirft. Ende März hat der
Verfassungsgerichtshof erkannt, dass es eine unsachliche
Ungleichbehandlung ist, wenn sozial Schwachen die Einbürgerung
erschwert wird: Eine klare Aussage, der in der vorliegenden
Staatsbürgerschaftsnovelle aber leider nicht zum Ausdruck kommt.
Vielmehr nimmt man mit dieser Novelle weiter die soziale Schieflage
beim Staatsbürgerschaftserwerb mit in Kauf. Damit werden aber auch
Wahlen zunehmend unrepräsentativ: Arme stimmen nicht mit. Vor mehr
als hundert Jahren gab es das Zensuswahlrecht: Wählen durfte nur, wer
über genug Finanzmittel verfügte. Diese Zeit ist schon lang vorbei.
Doch wenn bei Einbürgerungen heute über Leistung geredet, aber das
Einkommen gemeint wird, wird die Erinnerung daran wach.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom

*** OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER
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