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Nachhaltig schenken ist möglich - gerade auch zu Weihnachten / "Nachhaltiger Konsum ist ein Trend mit Wachstumschancen" (BILD)

Geschrieben am 17-12-2012

Berlin (ots) -

Immer mehr Menschen machen sich zu Weihnachten Geschenke, die
nachhaltig sind. "Ich kenne einige Familien, die der
Kommerzialisierung bewusst entgegentreten und ein Geschenkemoratorium
ausgerufen haben - Kinder natürlich ausgenommen", sagt die
Wirtschaftswissenschafts-Professorin Lucia A. Reisch in einem
Interview mit bmbf-online, der Online-Redaktion des
Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Nachhaltig schenken
könne vieles sein: eine Spende für soziale Projekte oder
Umweltprojekte, eine ethisch-ökologische Sparanlage für Jugendliche
bei einer Kirchen- oder Umweltbank. "Das schönste Geschenk aber ist
nach wie vor Hinwendung und Zeit - verpackt in Selbstgemachtes oder
eine gemeinsame Unternehmung", sagt Reisch, die Mitglied im Rat für
Nachhaltige Entwicklung ist, der die nationale
Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung begleitet. Nachhaltiger
Konsum ist nach ihren Worten ein Trend mit Wachstumschancen: fair
gehandelte Waren und regionale Lebensmittel würden immer stärker
nachgefragt, das gelte auch für nachhaltige Mode oder sanften
Tourismus. Doch müsse die Kommunikation für nachhaltigen Konsum noch
mehr die Emotionen ansprechen und damit besser werden. "Über
Vernunftargumente werden nur wenige Konsumenten erreichbar sein".

Interview mit Lucia A. Reisch, Professorin für
Wirtschaftswissenschaften an der Copenhagen Business School und der
Zeppelin Universität Friedrichshafen

bmbf-online: Frau Professor Reisch, Sie erforschen und lehren
Konsumverhalten und Verbraucherpolitik. Nachhaltigkeit ist zu
Weihnachten ein vieldiskutiertes Thema. Nachhaltig schenken - geht
das?

Reisch: Aber unbedingt. Schauen Sie mal in den sozialen Netzwerken
für strategischen Konsum, da gibt es jeden Tag schöne und nützliche
Beispiele. Ich kenne auch einige Familien, die der Kommerzialisierung
bewusst entgegentreten und ein Geschenkemoratorium ausgerufen haben -
Kinder ausgenommen, natürlich - und statt dessen mit einer größeren
Spende gezielt soziale oder Umweltprojekte unterstützen. Ein in
mehrfacher Hinsicht sehr nachhaltiges Geschenk ist sicherlich auch
eine ethisch-ökologische Sparanlage für Kinder und Jugendliche bei
einer Kirchen- oder Umweltbank. In Fachzeitschriften, wie
"Finanztest", kann man nachlesen, was sich für welche Sparziele
eignet. Und nach wie vor ist das schönste Geschenk Hinwendung und
Zeit - verpackt in Selbstgemachtes oder eine gemeinsame Unternehmung.

bmbf-online: Haben wir in Deutschland in den vergangenen Jahren
gelernt, nachhaltiger zu konsumieren?

Reisch: Wenn man den Markt betrachtet, dann sehen wir eine Zunahme
bei fair gehandelten und vor allem bei regionalen Nahrungsmitteln,
eine trotz Finanzkrise stabile Nachfrage an Bio-Lebensmitteln, eine
steigende Nachfrage nach ethisch-ökologischen Geldanlagen,
nachhaltiger Mode, sanftem Tourismus und Ähnlichem. Nachhaltiger
Konsum ist ein Trend mit Wachstumschancen, aber überwiegend noch
nicht massentauglich. Interessant ist aber, dass dieser Trend auch
die konventionellen Produkte beeinflusst - deren Design, Rezepturen
und Transparenzanforderungen.

bmbf-online: Aber ist Konsum nicht noch mehr?

Reisch: Richtig. Konsum ist nicht nur der Akt des Kaufens, sondern
umfasst die ganze Kette von Bedürfnis- und Bedarfsreflexion. Dazu
gehört auch das Nichtkaufen, Selbermachen, Tauschen, Teilen und das
gemeinsame Nutzen. Konsum ist auch Eigenproduktion, denken wir an die
neue Lust am Gärtnern - das "Urban Gardening" -, den Spaß am
gemeinsam Kochen und Designen, Reparieren oder auch die neue
Begeisterung für genossenschaftliche Energieproduktion. Immer mehr
Menschen machen auch Politik mit dem Geldbeutel: Sie organisieren
sich beispielsweise in Flashmobs und bestrafen oder belohnen das
Verhalten von Unternehmen. Die Macht dieser Konsumentenbürger ist
heute deutlich grösser als in vor-virtuellen Zeiten. In der digitalen
Gesellschaft ist Unternehmensgebaren viel transparenter.

bmbf-online: Und im Vergleich der Kulturen: Gibt es da
Unterschiede in Europa?

Reisch: Die gibt es. Der Pro-Kopf-Verbrauch von Biolebensmitteln
beispielsweise ist in Dänemark, Österreich und der Schweiz deutlich
höher als in anderen Ländern. Dies hat aber weniger mit der Kultur zu
tun, als mit Marktstrukturen, Subventionen von Branchen und Sektoren
und glaubwürdigen staatlichen Bio-Siegeln. Wichtig ist auch die Rolle
der Industrie: Wenn beispielsweise in einem Land die Textilwirtschaft
und das Modedesign wirtschaftlich eine große Rolle spielen wie in
Schweden, dann wird dieser Markt auch von Unternehmen mehr gefördert
und es gibt mehr und attraktivere Angebote als in anderen Ländern. Im
Vergleich zu den Vereinigten Staaten sind die Europäer insgesamt
deutlich mehr an nachhaltigen Produkten und Dienstleistungen
interessiert.

bmbf-online: Menschen treffen täglich Konsumentscheidungen und
handeln dabei meist nicht rational. Welche Rolle spielen Emotionen
beim Einkauf?

Reisch: Motivation zum Handeln ist immer auch emotional, so sind
wir Menschen gestrickt. Die Neuroökonomie hat das wunderbar empirisch
gezeigt. Wir reagieren auf Belohnungen und Bestrafungen, vor allem
auf soziale Ausgrenzung. Zudem entwickeln wir emotionale Beziehungen
zu Marken und erleichtern damit unsere Kaufentscheidungen. Insofern
ist zum Beispiel der Markenkauf eine sehr sinnvolle, da energie- und
zeitsparende Strategie der menschlichen Psyche. Die Kommunikation für
nachhaltigen Konsum kann da noch viel vom kommerziellen Marketing
lernen. Über Vernunftargumente werden nur wenige Konsumenten
erreichbar sein. Und gegen soziale Normen - das umfasst auch Moden
und Lebensstile - lässt sich kaum eine Verhaltensänderung
durchsetzen.

bmbf-online: Wäre es nicht einfacher, schlicht weniger zu
konsumieren?

Reisch: Natürlich. Wir nennen das die Suffizienzstrategie, also:
Weniger ist mehr. Allerdings wird sie eher Sache einer Minderheit
bleiben oder sich auf einzelne Produkte begrenzen. Kein Fleisch mehr,
kein Palmöl, keine großen Autos, weniger und langlebige Kleidung. Das
eigentliche Problem dabei: Suffizienz wird wenig diskutiert weil
weniger Konsum unter den Bedingungen des heutigen Wirtschaftssystems
auch weniger Wachstum bedeutet. Richtig wäre die Suffizienzstrategie
natürlich. Und möglich auch, wenn man gleich die Rahmenbedingungen
und Wirtschaftsstrukturen mit verändert.

bmbf-online: Also ist gesellschaftliches Wohlbefinden nicht an
Wirtschaftswachstum gekoppelt?

Reisch: Wenn Sie Wohlfahrt, Zufriedenheit und postmateriellen
Wohlstand meinen, dann eben nur bis zu einem gewissen Punkt.
Wohlstand umfasst ja auch Zeitwohlstand, gesunde Umwelt,
Lebensqualität. Ab einem gewissen materiellen Niveau, das in etwa der
Mittelklasse der heutigen Konsumgesellschaften entspricht, scheint
zusätzliches persönliches Einkommenswachstum nicht oder kaum noch zur
Lebensqualität beizutragen. Dies hängt vor allem mit zwei Dingen
zusammen: Zum einen verwenden die allermeisten Menschen ein relatives
Wohlstandskonzept. Es ist wichtiger, wo in der Wohlstandspyramide
einer Gesellschaft man steht, als wie viel man absolut hat. Zum
anderen tritt ab einem gewissen Einkommen das Materielle in Zeit- und
Aufmerksamkeitskonkurrenz zu anderen erfüllenden Aktivitäten. Und
diese sind laut Glücksforschung genau diejenigen, die uns nicht nur
zufrieden, sondern glücklich machen.

bmbf-online: Sie sind Mitglied im Rat für Nachhaltige Entwicklung.
Seine Aufgabe ist es, die nationale Nachhaltigkeitsstrategie der
Bundesregierung zu begleiten. Das Bundesministerium für Bildung und
Forschung fördert in einem umfassenden Rahmenprogramm die Forschung
für nachhaltige Entwicklungen (FONA)und hat auch sein
"Wissenschaftsjahr 2012" der Nachhaltigkeit gewidmet. Warum sind
diese Projekte und Fördermaßnahmen so wichtig?

Reisch: Die Probleme drängen und die Menschen stellen die sie
bedrängenden Fragen: Kann man den Klimawandel noch stoppen? Wieso
geht es mit der Energiewende nur langsam voran? Welche Möglichkeiten
haben Konsumenten? Wie kommuniziere ich meinen Kunden nachhaltigere
Angebote? Deutschland ist weltweit ein Spitzenreiter in Sachen
Umwelt- und Energie. Spätestens seit der Energiewende schaut die Welt
auf uns. Dies bedeutet auch eine besondere Verantwortung für die
Wissenschaft.

Weitere Informationen finden Sie unter:
http://www.bmbf.de/
http://www.fona.de/
http://www.zukunftsprojekt-erde.de/



Pressekontakt:
Strategische Kommunikation/Internationale Presse
Frau Gabriele Hermani
Bundesministerium für Bildung und Forschung
Hannoversche Straße 28-30, 10115 Berlin
Tel.: +49 (O)30 1857-5491
E-Mail: ls4@bmbf.bund.de


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