(Registrieren)

Mittelbayerische Zeitung: Diffuses Gefühl der Ausgegrenztheit Der stille und laute Protest gegen das Sicherheitskonzept offenbart ein Kommunikationsdesaster. Leitartikel von Heinz Gläser

Geschrieben am 12-12-2012

Regensburg (ots) - Ein Befreiungsschlag ist das nicht. Alle
Beteiligten hatten sich, um in der Sprache des Fußballs zu bleiben,
zuletzt ins Abseits manövriert. Also galt für die Deutsche Fußball
Liga (DFL) das ebenfalls aus dem Sport bekannte Motto: Augen zu und
durch! Die Profiklubs der ersten und zweiten Liga winkten das Konzept
"Sicheres Stadionerlebnis" trotz aller Fan-Proteste durch. Sie taten
dies zu Recht. Gewiss hatte der organisierte Fußball in den
Siebziger- und Achtzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts ein weit
gravierenderes Gewaltproblem als heute. Dennoch: Die Exzesse der
vergangenen Spielzeiten dürfen nicht ohne Konsequenzen bleiben. Es
kann nicht Normalität sein, wenn in Bundesliga-Städten an Spieltagen
quasi Ausnahmezustand herrscht. Es ist nicht hinnehmbar, wenn sich
deutschlandweit in den Stadien an jedem Wochenende widerlicher
Fremdenhass manifestiert. Und es ist im Milliarden-Geschäft
Profifußball gesellschaftlich nicht vermittelbar, dass die Kosten für
einen halbwegs geordneten Spielbetrieb auf die Allgemeinheit
abgewälzt werden, ohne diese nach Möglichkeit zu minimieren. Das neue
Sicherheitskonzept ist keine Keule, mit der eine gewachsene
Fan-Kultur in Deutschland zerschlagen wird. Die DFL dreht an einigen
Stellschrauben und bringt in vielen Punkten eine lange geübte Praxis
zu Papier. Nichts, was die lauten Proteste und die stille
"12:12"-Kampagne wert wäre. Hinter der Aufregung verbirgt sich
vielmehr ein riesiges Kommunikationsdesaster. Und es geht um ein
diffuses Gefühl der Ausgegrenztheit, das sich in den Reihen der
Anhänger breitgemacht hat. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und die
DFL hatten in der Debatte über die Legalisierung von Pyrotechnik in
den Stadien falsche Hoffnungen geweckt. Alsdann blieben die Anhänger
bei der Ausarbeitung des Sicherheitskonzepts lange außen vor. Die
Politik, namentlich einige Innenminister, und die
Polizeigewerkschaften, witterten die Chance, sich als Hardliner zu
profilieren, indem sie das Aus für Stehplätze und die Kostenübernahme
für Einsätze ins Spiel brachten. Der Profifußball wähnte sofort das
geheiligte Prinzip der Autonomie des Sports in Gefahr - und natürlich
auch den gedeihlichen Fortgang der Geschäfte. Die Atmosphäre war
vergiftet. Fertig war eine Gemengelage, die fortan jeden Dialog mit
den Fans erschwerte. Die Diskussion um das Sicherheitspapier mag
zweitrangig sein. Aber sie dient als Ventil. In den Kreisen der
klassischen Fußballfans - beziehungsweise jenen, die sich als solche
verstehen - grassiert ein Unbehagen, das sich aus diesem Anlass Luft
macht. Sie fühlen, wie sich ihr Sport ihnen entfremdet. Sie sehen die
kostspieligen VIP-Logen, die sündteuren Business-Seats. Sie sehen,
wie sie zur Staffage werden, zum folkloristischen Element, mehr
geduldet als erwünscht. Sie hören, wie Multimillionäre etwas von
Vereinstreue faseln und wissen, dass das eine hohle Phrase ist. Vor
diesem Hintergrund wäre es höchste Zeit, dass sich beide Parteien,
die (vernünftigen) Fans auf der einen Seite sowie Verbände und
Vereinsfunktionäre auf der anderen, eine Beziehungstherapie gönnen.
Der Gedanke mag realitätsfern, ja allzu romantisch klingen. Aber ohne
Romantik funktioniert Liebe nun mal nicht - auch nicht die Liebe zum
Fußball.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

436777

weitere Artikel:
  • Mitteldeutsche Zeitung: zu HIV-Zwangstests in Sachsen-Anhalt Halle (ots) - Es ist keine Schande, am Ende eines Gesetzgebungs-Prozesses schlauer zu sein als zu Beginn. Im Gegenteil. Der Rückzieher der SPD bei den HIV-Zwangstests ist richtig. Im Lichte von Experten-Bewertungen sind die Sozialdemokraten schlauer geworden und haben ihre Meinung geändert. Das offen zu sagen, ist politische Größe. Das Timing war allerdings lausig. Die CDU fühlt sich zu Recht von den Sozialdemokraten verraten. Erst verhandelt die SPD die Tests in den Koalitionsvertrag, nach einer Welle der Empörung steht die CDU dann mehr...

  • Westfalenpost: NRW / Landeshaushalt 2013 Hagen (ots) - Mutlos steuert die rot-grüne Koalition auf einen neuen Schuldenhaushalt 2013 zu. Wer in einem 60-Milliarden-Haushalt ganze 152 Millionen Euro strukturell kürzt, überfordert die nächste Generation: Vorsorgende und nachhaltige Politik sieht anders aus. "Wir können nicht hexen", hat Ministerpräsident Kraft im Landtag bekannt. Sparen aber ist keine Zauberei.

    NRW spekuliert auf einen Regierungswechsel 2013 im Bund und neue Milliarden durch höhere Steuern. Eine Finanzpolitik, die auf Hoffnungen beruht, ist aber verantwortungslos. mehr...

  • Südwest Presse: LEITARTIKEL · BESCHNEIDUNG Ulm (ots) - Notwendige Wende Die Rechtssicherheit ist wieder hergestellt. Der Bundestag hat das Gesetz zur Beschneidung von Jungen verabschiedet. Das Gesetz bedeutet die Rückkehr zu der Normalität, wie sie vor dem umstrittenen Urteil des Kölner Landgerichts in Deutschland war. Im Sommer werteten Richter Beschneidungen als Körperverletzung und stellten sie unter Strafe. Dem Recht auf körperliche Unversehrtheit räumten sie Vorrang ein vor dem Recht auf Religionsfreiheit und damit verbunden dem Elternrecht, über die religiöse Erziehung mehr...

  • Mitteldeutsche Zeitung: zu Sicherheit in Fußball-Stadien Halle (ots) - Brauchte Fußball-Deutschland dieses Zeichen? Natürlich! Angesichts sich beinahe wöchentlich wiederholender Gewalt-Exzesse oder gefährlichen Pyro-Spuks müssen Mittel gesucht werden, die Unbelehrbaren zur Räson zu bringen. Aber kann ein Konzept, auch wenn es umgesetzt wird, wirklich Ausschreitungen verhindern? Eher nicht! Zum einen wird vieles aus dem Papier schon praktiziert. Und die Erfahrung lehrt: Diejenigen Chaoten, die auf Krawall aus sind, die verbotene Pyrotechnik in die Stadien schmuggeln, lassen sich auch mehr...

  • WAZ: Mehr Transparenz ist nötig. Kommentar von Daniel Freudenreich Essen (ots) - In der Gesundheitsbranche geht es um Milliarden. Deshalb kämpfen die Interessensvertreter dort mit harten Bandagen. Doch der Datenklau im Gesundheitsministerium, hinter dem ein Apothekerlobbyist stehen soll, ist schlicht eine kriminelle Schweinerei. Auch wenn das - hoffentlich - eine Ausnahme bleibt, stellt sich die Frage, wie weit Lobbyisten gehen, um die Wünsche ihrer Branche in Gesetzesform zu gießen. Tausende Interessensvertreter tummeln sich in Berlin. Einen genauen Überblick hat niemand. Ebenso undurchsichtig mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht