(Registrieren)

Börsen-Zeitung: Vor dem Lackmustest, Marktkommentar von Christopher Kalbhenn

Geschrieben am 05-10-2012

Frankfurt (ots) - Mit der Ankündigung umfangreicher
Staatsanleihekäufe hat der Präsident der Europäischen Zentralbank
(EZB), Mario Draghi, den Aktienmärkten den wahrscheinlich stärksten
Impuls dieses Jahres beschert. Die Entwicklung der Indizes im
zurückliegenden Quartal zeigt deutlich, dass Draghi eine Zäsur
gesetzt hat. Manche Indizes erzielten das stärkste Quartalsresultat
seit Jahren. So haben der amerikanische S&P 500 und der Dax um 5,8%
bzw. 12,5% zugelegt, und wenig verwunderlich sind auch die Indizes
bedrängter Peripherieländer, darunter der spanische Ibex 35 mit einem
Gewinn von 8,5%, überproportional gestiegen. Selbst der von vielen
totgesagte griechische Aktienmarkt gibt wieder Lebenszeichen von
sich. Stolze 21% hat der Athex Composite im dritten Quartal gewonnen.
Das Ausmaß seiner Erholungsbewegung dürfte aber weniger einer
unverhofften Hellenen-Euphorie geschuldet sein, sondern vielmehr dem
doch arg gedrückten Kursniveau. Die Marktkapitalisierung betrug Ende
Juli nur noch rund 29 Mrd. US-Dollar, Ende Mai hatte er mit 25,8 Mrd.
Euro sogar einen niedrigeren Wert als der jordanische Aktienmarkt.

Risikofaktor Spanien

Mit dem Beginn des vierten Quartals bahnt sich eine neue Zäsur an
den Aktienmärkten an. Es wird sich nämlich bald herausstellen, ob die
"Draghi-Rally" nachhaltiger Natur und das erreichte Kursniveau, auf
dem der Markt derzeit stagniert, tragfähig ist oder sogar noch mehr
Spielraum nach oben besteht. Das von der Schuldenkrise ausgehende
Maximalrisiko, ein Auseinanderbrechen der Währungsunion, kann nun für
die nahe Zukunft ad acta gelegt werden. Allerdings bedeutet das
keineswegs, dass neuerliche Irritationen ausgeschlossen sind. Im
Gegenteil: Spanien läuft Gefahr, neue Verunsicherung in die Märkte zu
tragen.

Gespannt warten die Marktteilnehmer darauf, ob die spanische
Regierung einen Hilfsantrag stellt und damit unter den Rettungsschirm
schlüpft. Doch das könnte sich als Geduldsprobe erweisen. Denn die
Ankündigung der Anleihekäufe hat bereits den erwünschten Effekt, die
Anleihezinsen der Peripherieländer deutlich zu senken. Damit
reduziert sich aber auch für die spanische Regierung die Motivation,
den Hilfsantrag als eine der Voraussetzungen für Anleihekäufe zu
stellen und sich den damit verbundenen Spar- und Reformauflagen zu
unterwerfen. Somit wird es möglicherweise erst zu neuerlichen
Turbulenzen am Anleihemarkt kommen (müssen), bis der für die Märkte
beruhigende Hilfsantrag gestellt wird. Erschwerend kommt die alles
andere als ermutigende Entwicklung der Wirtschaft und der Finanzen
Spaniens hinzu. So befürchtet die UBS, dass die von der spanischen
Regierung für 2012 und 2013 veranschlagten Budgetdefizite um jeweils
mehr als einen Prozentpunkt zu niedrig angesetzt sind und schätzt sie
stattdessen auf 7,5% und 6% des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Außerdem
erwartet die Bank für das nächste Jahr anstelle des offiziell
angesetzten BIP-Rückgangs von 0,5% eine Schrumpfung der
Wirtschaftsleistung um 1,7%.

Derzeit hat die von Draghi bewirkte Entschärfung der Schuldenkrise
den Effekt, dass der Spielraum für die Bewertung des Aktienmarktes
gestiegen ist. Dieser Spielraum ist nun jedoch zu einem guten Teil
ausgeschöpft. Das europaweite Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) hat bei 11
die in der Krise neu etablierte Obergrenze erreicht. Damit wird die
in der neuen Woche in den USA beginnende Quartalsberichtssaison, die
am Dienstag vom Aluminiumproduzenten Alcoa gestartet wird, zum
Lackmustest für den Aktienmarkt. Die Gewinn- und Umsatzwarnungen der
vergangenen Wochen deuten auf enttäuschende Zahlen hin. Laut der
Citigroup haben die Verlautbarungen von 120 Unternehmen ein
Verhältnis von negativen zu positiven Überraschungen von 4,3
aufgewiesen. Das ist der höchste Stand seit dem ersten Quartal 2009.
Die Bank glaubt, dass die Unternehmen zudem mit ihren Ausblicken die
Investoren enttäuschen werden, und befürchtet, dass das vom Konsens
für das kommende Jahr erwartete Wachstum der Gewinne je Aktie der S&P
500-Unternehmen mit 11% zu hoch ist. Ähnliches ließe sich sicherlich
für das vom Konsens für den Stoxx 600 erwartete Gewinnwachstum von
13% konstatieren.

In der aktuellen Konstellation ist das Ausmaß an
Ergebnisenttäuschungen, das die Aktienmärkte verkraften können, ohne
dass eine substanzielle Korrektur einsetzt, begrenzt. Werden die
Ergebniserwartungen der Marktteilnehmer sehr deutlich unterboten,
müssen die Notierungen an den europäischen Aktienmärkten nach unten
folgen - oder aber das KGV müsste den bei 11 liegenden Deckel
sprengen.



Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

421509

weitere Artikel:
  • Aserbaidschanischer Präsident Aliyev fordert Beilegung des schwelenden Bergkarabachkonflikts Baku, Aserbaidschan (ots/PRNewswire) - In seiner Rede auf dem Baku International Humanitarian Forum sagte der aserbaidschanische Präsident Ilham Aliyev, dass es nunmehr an der Zeit sei, den Bergkarabachkonflikt beizulegen, und dass Armenien den erlassenen Resolutionen internationaler Organisationen Folge leisten müsse. "Es ist an der Zeit, den Konflikt beizulegen", sagte Aliyev im Rahmen der Eröffnung der Konferenz. "Armenien muss die Völkerrechtsnormen einhalten und seine Truppen aus aserbaidschanischen Gebieten abziehen - dann mehr...

  • Neue OZ: Kommentar zu Unterhaltungselektronik/Sony/Samsung/Apple Osnabrück (ots) - Sony abgehängt, Apple im Visier Das zeitliche Zusammentreffen hat Symbolwert: Während der japanische Elektronikkonzern Sony seinen Tablet-Computer Xperia S wegen eines Produktionsfehlers beschämt aus dem Handel zieht, trumpft sein koreanischer Erzkonkurrent Samsung Electronics mit einem phänomenalen Gewinnsprung auf. Lange belächelten die japanischen Manager Samsung als hinterwäldlerischen Teilelieferanten aus dem vermeintlich rückständigen Südkorea. Dem Hochmut folgte der Fall: Samsung hat - Kopf an Kopf mehr...

  • Mittelbayerische Zeitung: Kommentar zu Facebook/Börsengang Regensburg (ots) - Mark Zuckerberg hat ein Problem: Zwar verfügt sein Netzwerk nun über mehr als eine Milliarde Nutzer, doch bislang lässt sich mit den vielen Mitgliedern noch nicht viel Geld verdienen. Facebook ist überwiegend von Werbeeinnahmen abhängig - und die sind den Aktionären noch nicht hoch genug. Das Wertpapier ist im Dauersinkflug. Und eines steht fest: Um die Talfahrt zu beenden, wird das Unternehmen auch die Nutzer zur Kasse bitten. Am Donnerstag sorgte deshalb die Ankündigung der "Promoted Posts" für Aufregung: In einem mehr...

  • Achtung Hoteliers: neue Regeln bei Google! - BILD Harte Bandagen bei Google-Richtlinienmissbrauch: Hohe Strafen und unsichtbare Websites! Salzburg (ots) - Google hat vergangenen Mittwoch seine Webmasterrichtlinien einem Update unterzogen. Die Richtlinien dienen Webmastern, Agenturen und Programmierern als Grundlage für den Aufbau einer Webseite. Sie untergliedern sich in drei Hauptbereiche - technisch, Gestaltung und Inhalt sowie allgemeine Qualitätsrichtlinien. Allen voran steht aber die oberste Empfehlung: Erstellen Sie Seiten in erster Linie für Nutzer, nicht für Suchmaschinen. mehr...

  • Northrop Grumman hebt Leistungsfähigkeit seiner Lösung Airport Realtime Collaboration bei der Konferenz Airport IT&T in München hervor London (ots/PRNewswire) - Die in Europa ansässige Airport Systems Group der Northrop Grumman Corporation nimmt an der Konferenz Airport IT&T in München teil, wo es die Leistungsfähigkeit seiner ARC-Suite (Airport Realtime Collaboration) vorführen wird. Die Konferenz, welche von International Airport Review organisiert wird, findet vom 10. bis 11. Oktober im Municon Tagungszentrum in München statt und zielt darauf ab, Flughäfen dabei zu unterstützen, Betriebskosten zu senken während gleichzeitig die betriebliche Effizienz erhöht wird. mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Wirtschaftsnews

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

DBV löst Berechtigungsscheine von knapp 344 Mio. EUR ein

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht