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Börsen-Zeitung: Verschobene Risiken, Börsenkommentar "Marktplatz", von Georg Blaha.

Geschrieben am 21-09-2012

Frankfurt (ots) - Die neue Risikofreude an den Finanzmärkten ist
beinahe mit Händen zu greifen. Anleger nehmen schwache
Konjunkturdaten, ganz gleich ob sie aus Europa, den USA oder China
kommen, offenbar nur flüchtig oder kurzzeitig wahr. Nach den
Stützungsmaßnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB), der
US-Notenbank Federal Reserve (Fed) und zuletzt der Bank of Japan
(BoJ) scheint die Kauflust bei Risikoassets keine Grenzen zu kennen.
Vor dem Wochenschluss kletterte der Dax auf ein neues 14-Monats-Hoch.
Auch die Aktienmärkte in den USA und Japan rückten vor. Am
Rohstoffmarkt ist der Preis für Kupfer, traditionell äußerst
konjunktursensibel, im September von 7600 auf aktuell nahe 8300
Dollar je Tonne gesprungen - obwohl die Einkaufsmanagerindizes von
China, dem größten Verbraucher, den elften Monat in Folge einen
Rückgang der ökonomischen Aktivität anzeigen.

Für die Risikofreude gibt es sicherlich gute Gründe. Nach der
Ankündigung der EZB, hoch verschuldeten Euro-Mitgliedsländern mit
Bondkäufen zur Seite zu stehen, sowie dem grünen Licht des deutschen
Bundesverfassungsgerichts für den dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM
ist die Gefahr eines Auseinanderbrechens der Währungsunion zwar nicht
völlig gebannt, aber doch deutlich in den Hintergrund gerückt. Dass
die Fed mit zeitlich unbefristeten Assetkäufen die US-Wirtschaft
stützt, mag langfristig Inflation mit sich bringen. Kurz- und
mittelfristig ist es jedoch positiv für Risikoanlagen. Auch die
Währungshüter in Asien stehen nicht abseits, wie sich an der
Ausweitung des Anleihekaufprogramms der BoJ gezeigt hat.

Und doch bleibt ein mulmiges Gefühl bei dieser Risikorally. Die
Elemente mögen nicht recht zusammenpassen und die Diskrepanz zwischen
der Kursentwicklung von Aktien und Rohstoffen und den
Konjunkturindikatoren mahnt zur Vorsicht. Aufschluss darüber, ob die
jüngsten Gewinne vielleicht doch nicht nachhaltig sind, könnte der
Devisenmarkt geben. Anders als bei früheren Marktphasen im
Risk-on-Modus erscheint die Entwicklung diesmal weit uneinheitlicher
und diffuser. So hat der Dollar zwar auf breiter Front nachgegeben,
was man als Maß für Risikofreude am Markt nehmen kann. Der
Dollar-Index, der den Greenback gegen einen Währungskorb bestehend
aus Euro, japanischem Yen, britischem Pfund, Schweizer Franken,
kanadischem Dollar und schwedischer Krone misst, gab vom Jahreshoch
bei 84 Punkten Ende Juli deutlich auf Kursstände um 79 Zähler nach.
Der erste Abwärtsschub kam von der Entspannung in der Euroland-Krise,
der zweite von der jüngsten geldpolitischen Lockerung der Fed,
inoffiziell Quantitative Easing 3 genannt.

Vergleicht man die Entwicklung jedoch mit früheren Risk-on-Phasen,
etwa dem Herbst 2010 (nach "Quantitative Easing 2"), dem ersten
Quartal 2011 oder der Periode zwischen Dezember 2011 und April 2012
(nach den EZB-Dreijahrestendern), fällt auf, dass diesmal andere
sichere Häfen abseits des Dollar am Devisenmarkt weiter gefragt sind
und Risiko- und Rohstoffwährungen tendenziell eher gemieden werden.
So hat der japanische Yen als klassische Fluchtwährung weder auf die
Fed-Ankündigungen noch auf die BoJ-Anleihekäufe nachhaltig mit
Kursverlusten reagiert, wie sie zu erwarten gewesen wären. Bei 78 Yen
je Dollar notiert die japanische Valute immer noch in Schlagweite
eines Jahreshochs.

Dagegen hat der australische Dollar als typische Risikowährung in
den vergangenen Wochen sogar Kursverluste verzeichnet. Die Devise
leidet darunter, dass sich der Risikofokus nach Asien verschiebt; die
Abschwächung des Wachstums in China belastet ebenso wie der
Inselstreit zwischen Peking und Tokio. Andere Risikowährungen, die
typischerweise in Bullenmärkten zulegen, etwa der russische Rubel,
die indische Rupie oder die türkische Lira, reagierten mit bislang
nur verhaltenen Kursgewinnen. Auch der Euro scheint sich unter 1,30
Dollar wohler zu fühlen als darüber.

Gerade die Entwicklung vom "Aussie"-Dollar spricht dafür, dass die
konjunkturellen Risiken vor allem in Asien nicht unerheblich sind.
Zwar ist es positiv, dass große Adressen offenbar Mittel in
Euro-Assets umschichten. Wenn sich allerdings die Risiken nur
geografisch verschieben, ist für die globalen Märkte nicht viel
gewonnen. Das gilt auch für die Probleme in den USA. Die "fiskalische
Klippe" mit auslaufenden Steuersenkungen, Ausgabenkürzungen und
politischer Unsicherheit im Rahmen der Präsidentschaftswahlen mahnt
zur Vorsicht.

(Börsen-Zeitung, 22.9.2012)



Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de


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