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Die Inklusion mit Leben füllen - doch die Realität in vielen Schulen sind ganz anders aus

Geschrieben am 10-09-2012

Berlin/Recklinghausen (ots) - Die Bilanz ist nicht berauschend:
Rund 70 Prozent der Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf (6,2
Prozent aller Kinder) besuchen in Deutschland nach wie vor
Förderschulen, nur knapp 30 Prozent werden integrativ in den
Regelschulen gefördert.

So die jüngsten nüchternen Zahlen aus dem Nationalen
Bildungsbericht "Bildung in Deutschland 2012." Sie belegen aus Sicht
der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin
(DGSPJ), dass die 2009 in Kraftgetretene UN-Konvention über die
Rechte von Menschen mit Behinderung für die sonderpädagogische
Förderung in Deutschland immer noch nicht richtig Tritt gefasst hat.
Die Quote der in Regelschulen inkludiert geförderten Kinder ist heute
zwar doppelt so hoch wie noch im Schuljahr 2000/2001. Aber diese
Vergleichswerte liegen nun auch schonüber zehn Jahre zurück.

Vor allem in den Schwerpunktbereichen Sprache, geistige,
emotionale und soziale Entwicklung auch die
"Förderschul-Besuchsquote" stetig angewachsen, stellt Dr. Ulrike
Horacek, Vorstandsmitglied in der DGSP, fest. Lediglich in Thüringen
und Schleswig-Holstein zeichnen sich laut Horacek "echte"
Verschiebungseffekte in Richtung inklusive Beschulung ab.

Doch was bedeuten diese Globalzahlen nun für betroffene Kinder und
ihre Familien? Um dies herauszufinden, sind im Rahmen einer
Dissertationsarbeit an der Universitäts-Kinderklinikum Ulm in der
"Sektion Sozialpädiatrisches Zentrum und Kinderneurologie" 155
Elternvon betroffenen Schulkindern und 54 Eltern von Vorschulkindern
befragt worden. Dabei zeigt sich, dass die meisten Eltern von
Kindernmit sonderpädagogischem Förderbedarf auch in Deutschland einem
gemeinsamen Unterricht von Kindern grundsätzlich positiv
gegenüberstehen. Dabei müssen aber bestimmte Voraussetzungen erfüllt
sein: kleine Klassen, speziell ausgebildete Lehrer und die
Wohnortnähe. Bei Eltern von Kindern, die schwerwiegendere
Beeinträchtigungen haben, kommen weitere Voraussetzungen
(Einzelbetreuung, rollstuhlgerechte Einrichtung, Pflege- und
spezielle Therapieangebote) hinzu.

Mehrheitlich befürworten Eltern von Vorschulkindern mit leichteren
Beeinträchtigungen den Besuch einer Regelschule, auch wenn 60 Prozent
von ihnen eine Integrationshilfe benötigen. Sehr viel skeptischer
bewerten die meisten Eltern einen Regelschulbesuch bei schwereren
Beeinträchtigungen ihrer Kinder. Diese fühlen sich auf einer
Förderschule meist gut aufgehoben, weil das Lerntempo langsamer ist,
Freundschaften leichter geschlossen werden können und die Lehrer
verständnisvoller sind. Immer noch werden Kinder in Förderschulen
nach Einschätzung der Eltern allerdings häufiger stigmatisiert. Als
vorteilhaft wird eine Regelschule aber nur dann angesehen, wenn
gezielte und fachlich geschulte Betreuungsfachkräfte für das Kind
zurVerfügung stünden. Diese müssen (Einzel)-Förderungen,
Integrationshilfestellungen und im Bedarfsfall auch spezielle
medizinisch-pflegerische Leistungen sicherstellen. Diese
inklusionsfördernden Rahmenbedingungen sind nach den Ergebnissen der
Ulmer Studie selbst in Förderschulen nicht selbstverständlich und in
Regelschulen gar die Ausnahme, kritisiert Ulrike Horacek.

Um den allseits eingeforderten Inklusionsgedanken aber auch in den
Regelschulen leben zu können, fordern die DGSPJ im Einzelnen:

- Inklusion muss als Aufgabe für die gesamte Gesellschaft begriffen
und umgesetzt werden

- Bereits in Krippen und Kindergärten müssen vermehrt
inklusionsfördernde Rahmenbedingungen bereitgestellt werden. Dazu
gehören vor allem nicht zu große Gruppen und eine ausreichende Zahl
qualifizierter Betreuungskräfte.

- In den Regelschulen, die die Inklusion umsetzen, ist die
fachliche Qualifizierung des pädagogischen Personals im
Hinblick auf die speziellen gesundheitlichen Besonderheiten der
Kinder sicher zu stellen. Dazu sind umfassende Investitionen in die
Lehrerausbildung und eine Anpassung der Gehälter unabdingbar.

- Die deutlich zu verbessernde fachliche Beratung der Eltern bei der
Schulwahl sollte gerade auch im Hinblick auf die geforderte Stärkung
des Elternwahlrechts durch unabhängige Fachleute erfolgen: zum
Beispiel im Schulärztlichen Dienst der Gesundheitsämter oder den
Sozialpädiatrischen Zentren. Dabei müssen verstärkt gesundheitliche
und psychosoziale Aspekte berücksichtigt werden.

- Auch Kinder mit komplexen Mehrfachbehinderungen oder mit
erhöhtem Förderbedarf bei der geistigen Entwicklung sollten in
Modellklassen von Regelschulen gefördert werden können, die im
Erfolgsfall langfristig auch ausreichend finanziert werden müssen.



Pressekontakt:
Dr. Ulrike Horacek
Kinder- und Jugendärztin
Leiterin des Gesundheitsamtes Kreis Recklinghausen
DGSPJ-Vorstandsmitglied
Mail: u.horacek@kreis-re.de


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