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DER STANDARD-Kommentar: "Die Mär vom Aschenputtel Europas" von Eric Frey

Geschrieben am 21-08-2012

Was immer Studien sagen: Österreich ist heute nicht um ein
Drittel ärmer als früher. (Ausgabe vom 22.8.2012)

Wien (ots) - Das Gefühl, dass das Leben immer teurer wird und das
Geld nicht reicht, ist weitverbreitet. Aber glaubt wirklich
irgendjemand, dass Österreicher quer durch alle Einkommenschichten
heute um fast ein Drittel ärmer sind als vor der Euro-Einführung?
Dass also unser Lebensstandard in den zehn Jahren von 2000 bis 2010
so drastisch gesunken ist, dass wir heute wieder auf dem Niveau der
Siebzigerjahre angelangt sind? Das ist die Aussage jener Studie der
Schweizer Großbank UBS, die am Montag über die Agenturen lief und
von vielen sonst seriös recherchierenden Medien - von der Presse bis
zum ORF - kritiklos übernommen wurde. Auffallend daran ist, dass
Österreich unter den untersuchten Eurostaaten allein so schlecht
abschneidet. Auch Deutschland hat Einbußen hinnehmen müssen, aber
trotz einer Dauerkrise in der ersten Hälfte des Jahrzehnts und der
schmerzhaften Einschnitte durch Hartz IV gingen die verfügbaren
Realeinkommen um weniger als zehn Prozent zurück. Das kann stimmen.
Auch die Ergebnisse für die Niederlande und Belgien sind
glaubwürdig: Die Ärmsten haben dort verloren, die Reichen hingegen
zugelegt. Und dass die Einkommen in den meisten südlichen
Euroländern massiv gestiegen sind, ist bekannt - und einer der
Hauptgründe dafür, dass sie heute wettbewerbsunfähig und
überschuldet sind. Aber Österreich, das ist laut UBS das
Aschenputtel Europas. Die Zahlen und Schlussfolgerungen der
UBS_können nicht stimmen. Ob sich ihre Analysten in London einfach
verrechnet haben oder ob es ihre politische Absicht war, den Euro
als Missgeburt darzustellen, bleibt dahingestellt. Nicht allen
Studien und Gutachten, die einen seriösen Autorennamen tragen, kann
man trauen - siehe Causa Birnbacher. Umso ärgerlicher sind die
Folgen einer solchen Desinformation. Populisten aus Politik, Medien
und Wirtschaft dient sie dazu, um gegen Euro und EU_Stimmung zu
machen. Der Euro hat vielen Österreichern vielleicht weniger im
Geldbörsel gebracht, als es einst per "Ederer-Tausender" versprochen
wurde;_das liegt vor allem an den fehlenden Fortschritten bei der
europäischen Integration. Aber er hat das Land nicht verarmen
lassen. Die Qualität vieler Jobs ist heute besser denn je, und die
Lohnabschlüsse waren zwar oft verhalten, aber höher als die
Inflation. Deren Messung durch einen durchschnittlichen Warenkorb
ist nie ganz präzise. Aber die Statistik Austria neigt nicht dazu,
Preissteigerungen zu unterschätzen - anders als in den USA, wo
Qualitätsverbesserungen bei Autos oder Handys als Preissenkungen
gewertet werden. Die Euro-Einführung hat zwar den Kleinen Braunen
oder den Friseurbesuch spürbar verteuert - und der hohe Rohölpreis
das Tanken. Aber viele Großanschaffungen sind seit 2000 nicht viel
teurer geworden. Mehr Einfluss auf die Wohlstandsentwicklung als der
Euro hat in dieser Zeit die Globalisierung gehabt - etwa die
Explosion des Handels mit China. Gerade Niedrigverdiener und
bildungsferne Schichten kamen dadurch unter Druck. Aber im Vergleich
zu anderen Eurostaaten hat Österreich diese Phase gut gemeistert -
auch dank der starken Rolle der Gewerkschaften und der
Sozialpartnerschaft. Den Ländern Südeuropas haben die hohen
Lohnzuwächse rückblickend mehr geschadet als genutzt. An Österreichs
Wirtschaftspolitik lässt sich vieles kritisieren; aber für diese
wichtige Debatte ist die UBS-Studie unbrauchbar.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom


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