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Neue Bausteine für die Energiewende - Innovative Verfahren zur Verwertung von Biomasse - Forschungseinrichtungen zeigen konkrete Lösungsansätze auf der Research & Technology

Geschrieben am 11-04-2012

Hannover (ots) - Nach Einschätzung der Bundesregierung geht die
Energiewende in Deutschland programmgemäß voran. Im März dieses
Jahres wurde in Berlin der von Bundeswirtschaftsminister Philipp
Rösler und Bundesumweltminister Norbert Röttgen vorgelegte Bericht
zur Umsetzung des Zehn-Punkte-Sofortprogramms zum Energiekonzept
beschlossen. Dennoch stellen die Energiewende und deren Umsetzungen
Forschung und Entwicklung vor enorme Herausforderungen. Dass dennoch
bereits zahlreiche Lösungen marktreif sind, zeigen unter anderem die
vielfältigen Präsentationen und Exponate der unterschiedlichen
Forschungseinrichtungen auf der HANNOVER MESSE 2012, die in Halle 2
zum Thema Research & Technology ausstellen.

Abgesehen von Wind und Sonne sind innovative Verfahren zur
Verwertung von Biomasse eine wichtige Option für die Zukunft.
Forscher der Jülich Aachen Research Alliance (JARA) gehen weg vom
Konzept "Weizen in den Tank". Vielmehr entwickeln sie Biokraftstoffe
aus Pflanzenbestandteilen, die nicht für die Nahrungsmittelproduktion
benötigt werden, sondern die aus Grünabfällen, Holz und Stroh
gewonnen werden sollen. Hierbei decken die Teams des
Exzellenzclusters "Maßgeschneiderte Kraftstoffe aus Biomasse (TMFB)"
gemeinsam mit Partnern aus Wissenschaft und Industrie alle
Prozessschritte ab - von der Pflanzenforschung über die
Kraftstoffentwicklung bis zum optimierten Motorenkonzept.

Das Ziel der Forscher: Pflanzenanbau, Biokraftstoff und Motoren
müssen umweltverträglich, nachhaltig und wirtschaftlich sein. Sie
konzentrieren sich einerseits auf verwertbare Biomasse, die lokal
angebaut wird, und andererseits auf kostengünstige und
umweltschonende Verfahren bei der Herstellung und Verbrennung des
Kraftstoffs. Biologen, Chemiker und Verfahrenstechniker arbeiten eng
zusammen, um unter anderem den Hauptbestandteil der holzigen Pflanzen
- die Lignozellulose - so weit aufzuschließen, wie es für die Nutzung
als Kraftstoff notwendig ist. Zum Einsatz kommen innovative
biologische, chemische und physikalische Verfahren. Ihnen ist
gemeinsam, dass sie wenig Energie benötigen, wenig Abfall und
Abwässer produzieren und zahlreiche Recycling-Schritte enthalten.

So werden zum Beispiel die zur Holzaufspaltung eingesetzten Hefen
und Enzyme sowie wertvolle Restbestandteile physikalisch von den
Kraftstoffelementen abgetrennt und wiederverwertet. Erste Erfolge
dieses interdisziplinären Projekts sind neuartige Biokraftstoffe mit
überzeugenden Eigenschaften. In Motorenversuchen bestätigte sich,
dass einer der Biokraftstoffe im Dieselmotor nahezu ruß- und
stickoxidfrei verbrennt. Ein anderer Kraftstoffkandidat auf Biobasis
erzielte im Ottomotor einen bis zu zehn Prozent höheren Wirkungsgrad
als konventioneller Ottokraftstoff, ohne dabei zu höheren Emissionen
zu führen.

Damit bieten die Forscher der JARA einen Blick in eine
zukunftsweisende Mobilität, die sowohl die Umwelt als auch das Klima
schont.

Biogas aus Getreidestroh

"Mais gehört auf den Teller, nicht in Biogasanlagen." Diesem Motto
haben sich auch Forscher des Fraunhofer-Instituts für Keramische
Technologien und Systeme (IKTS, Dresden) gemeinsam mit mehreren
kleinen und mittelständischen Unternehmen verschrieben. In enger
Zusammenarbeit haben sie erstmals eine Pilot-Biogasanlage
ausschließlich mit Getreidestroh betrieben, ein Rohstoff, welcher mit
einer verfügbaren Menge von acht bis 13 Millionen Tonnen pro Jahr ein
sehr großes Energiepotenzial in Deutschland darstellt.

Bisher konnten Biogasanlagen nur einen gewissen Anteil an
derartigen Reststoffen verarbeiten, da sich diese meist schwieriger
in Biogas umwandeln lassen als etwa reines Getreide oder Mais.
Üblicherweise benötigt Stroh für einen guten Abbaugrad 80 Tage im
Fermenter und neigt dabei stark zur Bildung von Schwimmschichten.
"Durch eine geeignete Vorbehandlung dauert dies mit dem neuen
Verfahren nur noch etwa 30 Tage, Probleme mit der Durchmischung des
Reaktors treten nicht auf", erklärt Dr. Ingolf Voigt,
Abteilungsleiter des Forschungsfeldes Umwelttechnik und Bioenergie am
IKTS.

Während der siebenmonatigen Versuche im Zehn-Kubikmeter-Maßstab
konnte mit alleinigem Stroheinsatz ein mittlerer Methanertrag von 270
Normkubikmetern pro Kilogramm erreicht werden, was etwa 70 Prozent
des Ertrages von Maissilage entspricht. Auch die Verstromung des
Biogases haben die Forscher optimiert. Sie lenken das Gas in eine
Hochtemperaturbrennstoffzelle, die einen elektrischen Wirkungsgrad
von 40 bis 55 Prozent hat und so herkömmlichen Gasmotoren mit einem
durchschnittlichen Wirkungsgrad von 38 Prozent überlegen ist. Die
Brennstoffzelle arbeitet bei 850 Grad Celsius, die Wärme eignet sich
zum Heizen oder lässt sich ins Nahwärmenetz einspeisen. Rechnet man
den elektrischen und thermischen Wirkungsgrad zusammen, hat die
Brennstoffzelle einen Gesamtwirkungsgrad von bis zu 85 Prozent.

Abfälle aus Olivenölproduktion werden zu Biogas

Auch das Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und
Bioverfahrenstechnik (IGB, Stuttgart) setzt auf Abfälle - speziell
aus der Produktion von Olivenöl, bei der umweltbelastende flüssige
und feste Reststoffe anfallen. Nach den Untersuchungen des IGB lassen
sich mehr als zwei Drittel der enthaltenen organischen
Trockensubstanz zu Biogas umwandeln. "Würden alle Reststoffe der
Olivenproduktion in Europa zu Biogas vergoren, entspräche die
gewonnene Bioenergie einer Menge, für die Mais auf einer Fläche von 2
800 Quadratkilometern angebaut werden müsste. Das entspricht der
Größe des Saarlandes", erläutert IGB-Projektleiter Professor Dieter
Bryniok. Statt Flächen der Lebensmittelproduktion zu entziehen, kann
die Vergärung organischer Reststoffe aus diesen Herstellprozessen
also einen nachhaltigen Beitrag zu einer dezentralen
Energieversorgung leisten.

Das längste Supraleiterkabel der Welt

Von großer Bedeutung für die Energiewende sind auch die
notwendigen Übertragungs- und Verteilnetze zum Stromtransport. Hier
haben Forscher des Karlsruhe Instituts für Technologie (KIT) zusammen
mit dem RWE-Konzern (Essen) und Nexans an der Entwicklung des
weltweit längsten Supraleiterkabel mitgewirkt, das im Projekt
"AmpaCity" auf rund einem Kilometer Länge zum Einsatz kommen und in
der Essener Innenstadt zwei Umspannstationen verbinden soll.

Das Projekt könnte der Auftakt zur Umstrukturierung eines
innerstädtischen Netzes in neuen Dimensionen sein: Nach erfolgreichem
Abschluss eines zweijährigen Feldtests wäre es denkbar, das Rückgrat
des Essener Verteilnetzes weitgehend auf Zehn-Kilovolt-Supraleiter
umzustellen und von einigen Hochspannungsanlagen zu befreien. Dies
würde mittelfristig zu mehr Effizienz sowie niedrigeren Betriebs- und
Instandhaltungskosten bei gleichzeitig geringerem Flächenverbrauch
führen. In der Innenstadt würden wertvolle Grundstücke frei, denn
etliche 110/10-Kilovolt-Umspannstationen könnten abgebaut werden.

AmpaCity wird vom Energieforschungsreferat des Bundesministeriums
für Wirtschaft und Technologie (BMWi) mit 6,3 Millionen Euro
gefördert, die Gesamtkosten belaufen sich auf rund 13,5 Millionen
Euro. "Bisher haben Elektroingenieure die Supraleitung nicht in ihrem
,Werkzeugkasten', künftig werden sie sie als zusätzliches
Betriebsmittel nutzen können", erklärt Professor Mathias Noe, Leiter
des Instituts für Technische Physik (ITEP) am KIT. "Das Projekt in
Essen, das in rund zwei Jahren fertig gestellt sein soll, wird die
sichere Anwendung der Supraleitung demonstrieren." Auf der Research &
Technology wird das KIT innovative Anwendungen der Supraleitung
zeigen.

Geheimrezept "Elektrochemische Speicher"

Energiequellen und Leitungssysteme sind unverzichtbare Teile der
"neuen Energielandschaft" - leistungsfähige Energiespeicher ebenso.
Elektrochemische Speicher sind die Schlüsselkomponente in einer
Vielzahl künftiger stationärer und mobiler Anwendungen. Bei der
Produktion dieser Systeme liegt heute der Anteil der Prozess- und
Fertigungskosten im Bereich von rund 70 Prozent der Herstellkosten,
die übrigen 30 Prozent entfallen auf Rohstoffe. Um eine signifikante
Reduktion dieser Kosten etwa auf ein Drittel der heutigen
Aufwendungen zu erreichen, sind eine gesamtheitliche Entwicklung von
Batterie und elektrischem Antrieb sowie ein darauf abgestimmtes
zuverlässiges und kostengünstiges Produktionsverfahren unabdingbare
Voraussetzung.

Vor diesem Hintergrund hat das KIT das Projekt "Competence E"
aufgesetzt, das ein systemisches Entwicklungskonzept in Bezug auf das
Produktdesign und die Produktionsverfahren umsetzt. "Ein solches
Konzept im Rahmen eines Forschungs- und Entwicklungsvorhabens zu
verfolgen, ist bisher europaweit einmalig", betont Dr. Andreas
Gutsch, Koordinator Competence E.

Das KIT hat dazu alle Arbeiten auf dem Gebiet elektrische
Energiespeicher und elektrische Antriebssysteme durch die
Zusammenarbeit von 26 Instituten aus den Bereichen Chemie,
Materialforschung, Produktions- und Verfahrenstechnik,
Elektrotechnik, Produktentwicklung, Fahrzeugsysteme, Informatik und
Technikfolgenabschätzung gebündelt. So wird es möglich, industriell
anwendbare kostengünstige Lösungen für Batterien und Antriebssysteme
der zukünftigen Generationen zu entwickeln. Dabei wird ein
integrierter Ansatz vom Molekül über die Batterie, den Elektromotor
mit Leistungselektronik bis hin zum vollständigen funktionsfähigen
elektrischen Antrieb in der jeweiligen Applikation verfolgt.

Parallel zur Entwicklung und zum prototypischen Aufbau von
neuartigen Zellen, Batterien und Antriebssträngen werden neue
Fertigungsverfahren für die kostengünstige Herstellung dieser
Komponenten entwickelt und dargestellt. Dafür soll am KIT eine frei
zugängliche Infrastruktur, das "System Engineering Center",
entstehen, die alle relevanten Entwicklungs-, Fertigungs- und
Integrationsprozesse umfasst und somit die vorhandenen Lücken in der
Innovations- und Wertschöpfungskette schließt. Bei der
Rohstoffauswahl für Energiespeicher und Elektromotoren steht der
Einsatz von kostengünstigen und nachhaltig verfügbaren Rohstoffen im
Mittelpunkt, beispielsweise Substitution von seltenen Erden, Kobalt
und Nickel.

Ziel von Competence E ist es, innerhalb von sieben Jahren
Batteriesysteme für den Einsatz in Fahrzeugen und stationären
Anwendungen zu entwickeln, die eine Energiedichte von 250 Wattstunden
pro Kilogramm aufweisen und im industriellen Maßstab zu Kosten von
250 Euro pro Kilowattstunde herstellbar sind. "Komplette
Batteriesysteme inklusive Gehäuse erreichen heute etwa die Hälfte
dieser Energiedichte bei einem doppelten Preis - wir streben also
eine Vervierfachung des Preis-Leistungs-Verhältnisses an", erklärt
Dr. Olaf Wollersheim, stellvertretender Koordinator von Competence E.

Viele Bausteine für die Zukunft der Energie werden auf der
Research & Technology Hannover bereits anschaulich dargestellt. Der
Besuch der Messestände von Forschungseinrichtungen und
-gesellschaften ist angesichts der Energiewende besonders relevant.
Insbesondere in Verbindung mit den Leitmessen Energy sowie der neuen
IndustrialGreenTec, die zeitgleich ausgerichtet werden, können sich
Besucher ein umfassendes Bild über die künftigen Lösungen für die
Anforderungen der Energiewende verschaffen.

Über die HANNOVER MESSE

Das weltweit bedeutendste Technologieereignis wird vom 23. bis 27.
April 2012 in Hannover ausgerichtet. Die HANNOVER MESSE 2012 vereint
acht Leitmessen an einem Ort: Industrial Automation, Energy,
MobiliTec, Digital Factory, Industrial Supply, CoilTechnica,
IndustrialGreenTec und Research & Technology. Die zentralen Themen
der HANNOVER MESSE 2012 sind Industrieautomation und IT, Energie- und
Umwelttechnologien, Industrielle Zulieferung, Produktionstechnologien
und Dienstleistungen sowie Forschung und Entwicklung. China ist das
Partnerland der HANNOVER MESSE 2012.



Ansprechpartnerin für die Redaktion:
Silke Tatge
Tel.: +49 511 89-31614
E-Mail: silke.tatge@messe.de


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