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Börsen-Zeitung: Eine Frage des Vertrauens, Börsenkommentar "Marktplatz", von Dieter Kuckelkorn.

Geschrieben am 30-03-2012

Frankfurt (ots) - Fast 800 Mrd. Euro soll er schwer sein, der
künftige Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM). Dies hat die
österreichische Finanzministerin Maria Fekter am Rande des Treffens
der Eurogruppe in Kopenhagen vorab der Öffentlichkeit verraten und
damit Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker die Schau gestohlen.
Damit, so erhoffen sich Europas Politiker wohl, wird nun endlich für
eine Beruhigung der Märkte gesorgt, so dass die Schuldenkrise ihrer
Lösung ein gutes Stück näher kommt.

Bei einer näheren Betrachtung zeigt sich freilich, dass es mit den
angeblich 800 Mrd. Euro nicht so weit her ist: Neu zugesagt wurden
lediglich 500 Mrd. Euro. Addiert man die von der bisherigen European
Financial Stability Facility (EFSF) zugesagten Hilfen von 190 Mrd.
Euro hinzu, ergibt sich ein Gesamtvolumen des ESM von690 Mrd. Euro.
Damit bleibt man zwar deutlich unter den von Frankreich geforderten
1000 Mrd. Euro. Die Summe dürfte aber ausreichen, um, wie die
Volkswirte der Commerzbank erwarten, Italien und Spanien notfalls für
drei Jahre über Wasser zu halten. Ob das wohl ausreicht, um das
Vertrauen der Marktteilnehmer in die Anleihen dieser und anderer
hochverschuldeter EU-Staaten wieder herzustellen?

Wohl eher nicht. Dafür sprechen mehrere Gründe. So lässt sich
beispielsweise eine Rechnung aufmachen, gemäß der es auch nicht 690
Mrd. Euro sind, über die der ESM verfügt, sondern anfänglich deutlich
weniger. Die Euro-Länder werden das erforderliche ESM-Eigenkapital
von 80 Mrd. Euro erst bis Mitte 2014 eingezahlt haben. Da die
Ratingagenturen für die Erteilung der höchsten Bonitätsstufe aber auf
eine Eigenkapitalunterlegung von 15% Wert legen, wird der ESM
anfänglich nur 213 Mrd. Euro auszahlen können. Dazu addieren sich die
noch nicht ausbezahlten EFSF-Mittel von 250 Mrd. Euro, so dass der
Rettungsschirm nach Commerzbank-Berechnungen zunächst nur mit 463
Mrd. Euro glänzen kann. Das ist nur wenig mehr als die Hälfte der 800
Mrd. Euro, mit denen die europäische Politik prahlt.

Der Hauptgrund dafür, dass die Einigung in Kopenhagen nicht sehr
viel zu einer nachhaltigen Beruhigung der Märkte beitragen dürfte,
liegt aber darin, dass es den Marktteilnehmern nicht nur darauf
ankommt, wie hoch die Summen sind, die notfalls in die angeschlagenen
Länder gepumpt werden können. Vertrauen wird vor allem dadurch
geschaffen, dass die betroffenen Volkswirtschaften saniert und wieder
wettbewerbsfähig gemacht werden. In dieser Hinsicht sieht es in den
Ländern sehr unterschiedlich aus, wobei der Widerstand gegen die
Reformen wegen der enormen Belastungen, die der Bevölkerung zugemutet
werden, in einigen Staaten deutlich zugenommen hat. Dies ist einer
der Aspekte, die dazu geführt haben, dass die Renditen von
Staatsanleihen aus Italien und Spanien zuletzt wieder spürbar
gestiegen sind.

Am Freitag hielt sich auch der Beifall von Akteuren, die an
anderen Märkten unterwegs sind, in engen Grenzen. Der Dax kletterte
zum Wochenausklang gerade um 1% auf 6947 Punkte, womit der deutsche
Leitindex im Verlauf der vergangenen fünf Handelstage insgesamt 0,7%
eingebüßt hat. Für eine Rückeroberung der Marke von 7000 Punkten hat
es also nicht gereicht. Der Euro legte am Freitag zwar bis fast 1,34
Dollar zu. Die Gemeinschaftswährung konnte dieses Niveau allerdings
nicht verteidigen.

Mit Blick auf die Lage an den Aktienmärkten verweisen die
Analysten der Helaba darauf, dass US-Dividendentitel, gemessen am
BenchmarkindexS&P 500, die alten zyklischen Höchststände vom Frühjahr
2011 bereits überschritten haben. Für die europäischen Aktien gilt
dies, wenn man Euro Stoxx 50 und Dax heranzieht, jedoch nicht. Dies
unterstreicht, dass die europäische Schuldenkrise und die nach wie
vor schwierige konjunkturelle Lage auf den europäischen Märkten
lastet. Zudem lässt sich argumentieren, dass ein größerer Teil der
Kursgewinne der europäischen Aktien auf die enormen
Liquiditätsspritzen der Europäischen Zentralbank (EZB) zurückzuführen
ist. Der EZB und weniger den Bemühungen der europäischen Politik ist
es auch zu verdanken, dass in Sachen Schuldenkrise derzeit alles
unter dem Deckel bleibt. Und für die eigentlich erstaunliche
Stabilität des Euro gibt es einen Grund, der mit ESM, EFSF und den
Reformbemühungen der Schuldenländer wenig zu tun hat: Mit den
Bundesanleihen befindet sich einer der sicheren Häfen für Anleger in
der Eurozone. Für eine dauerhafte und aus Marktsicht überzeugende
Lösung der Schuldenkrise kommt es nicht nur auf die Größe des
Rettungsschirms, sondern vor allem auf eine erfolgreiche Sanierung
der Schuldenländer an.

(Börsen-Zeitung, 31.3.2012)



Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de


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