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Börsen-Zeitung: Ausgeträumt, Kommentar zur untersagten Börsenfusion von Christopher Kalbhenn

Geschrieben am 01-02-2012

Frankfurt (ots) - Einer der bekanntesten griechischen Mythen ist
der des Sisyphos, der dazu verdammt war, ewig einen Felsblock einen
steilen Berg hinaufzurollen, der kurz vor Erreichen des Ziels
entglitt und hinunterrollte, so dass der arme Held wieder von vorn
beginnen musste. Seine Leiden dürften für Reto Francioni, den
Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Börse, nur zu gut nachvollziehbar
sein. Denn nach dem aktuellen Veto der EU-Wettbewerbshüter ist schon
wieder ein Versuch des Frankfurter Marktbetreibers, sich mit einem
Konkurrenten zusammenzuschließen, gescheitert.

Die Liste der Pleiten der Deutschen Börse ist mittlerweile sehr
lang: zwei in den Jahren 2000 und 2005 gescheiterte Versuche, die
London Stock Exchange (LSE) an Land zu ziehen, im Jahr 2004 die
Ablehnung eines Fusionsvorschlags durch die Schweizer Börse, als
deren Verwaltungsratspräsident seinerzeit übrigens Reto Francioni
amtierte, die Konsolidierungsgespräche mit der Borsa Italiana sowie
die Niederlage gegen die New York Stock Exchange (Nyse) im Ringen um
Euronext im Jahr 2006 und nun der geplante Zusammenschluss mit der
Nyse Euronext. Zählt man noch das Vorhaben des Jahres 1998, im Rahmen
einer Kooperation mit der LSE eine paneuropäische
Aktienhandelsplattform zu errichten, und den 2003 beendeten Versuch,
gemeinsam mit der Terminbörse Chicago Board of Trade den
amerikanischen Derivatemarkt zu erschließen, hinzu, ergeben sich acht
gescheiterte Versuche, mit anderen globalen Börsen ins Geschäft zu
kommen.

Ressourcen vergeudet

Welch eine Vergeudung von finanziellen und personellen Ressourcen!
Ein ganzes Jahr lang waren beim jüngsten Fusionsprojekt große Teile
des Managements der Deutschen Börse mit dem Fusionsprojekt
beschäftigt bzw. blockiert. Dazu noch der lähmende Effekt, den die
unsichere Zukunft auf Teile der Belegschaft hatte. Die Folge dürfte
sein, dass große Fusionsprojekte, wenn schon nicht ein für alle mal,
so doch zumindest für einen längeren Zeitraum für die
Unternehmensleitung tabu sind, weil sie nach dem erneuten Scheitern
kaum zu rechtfertigen sein werden. Der Sisyphos-Mythos passt daher
nur bedingt. Denn im Falle der Deutschen Börse wird der Felsblock nun
möglicherweise für immer am Fuß des Berges liegen bleiben.

Organisches Wachstum wird in den kommenden Jahren wieder im Fokus
des Managements stehen, wie gestern angekündigt wurde. Zu den
Prioritäten werden dabei die Erschließung der dynamischen
Wachstumsmärkte insbesondere in Asien, sowie die Nutzung der
Potenziale, die sich aus der Regulierung u.a. des außerbörslichen
Derivatemarkts ergeben, zählen. Letzterer soll zentrale
Clearing-Stellen, also z.B. Eurex Clearing, nutzen und möglichst auch
auf börsliche Handelsplattformen gebracht werden. Ohne Perspektive
ist die Deutsche Börse nach dem Scheitern der Fusion also keineswegs.
Sie bleibt das wirtschaftlich stärkste und am besten aufgestellte
Börsenbetreiberunternehmen weltweit. Mit der Terminbörse Eurex und
dem Abwickler und Verwahrer Clearstream verfügt sie über zwei globale
Standbeine, und sie hat gute Aussichten, die von den Schwellenländern
und der Regulierung ausgehenden Potenziale auszuschöpfen. Nyse
Euronext, deren Geschäft nicht so gut diversifiziert ist, hat
wesentlich bessere Gründe, der geplatzten Fusion nachzutrauern. Einen
Erfolg hat Francioni im Zuge des Fusionsprojekts im Übrigen erzielt:
den Erwerb der Eurex-Anteile des Schweizer Börsenbetreibers SIX
Group.

Große Herausforderungen

Allerdings steht auch das Management der Deutschen Börse vor
großen Herausforderungen. Wie die anderen etablierten Marktbetreiber
muss sie den Übergang vom Monopol- zum Wettbewerbszeitalter
bewältigen, was im übrigen eines der wichtigsten Motive der geplanten
Börsenfusion war. Welche Folgen der Wettbewerb für die etablierten
Börsen hat, zeigt der Erfolg der alternativen
Aktienhandelsplattformen wie der kürzlich zusammengeschlossenen Chi-X
und Bats Trading: sinkende Marktanteile sowie infolge der durch den
Wettbewerb erzwungenen Preisnachlässe schrumpfende Margen.

Für die Deutsche Börse ist das zwar weniger schlimm als
beispielsweise für die immer noch weitestgehend vom Aktienhandel
abhängige LSE. Kritisch würde die Lage jedoch auch für den
Frankfurter Marktbetreiber, wenn er eines Tages auch im
Derivatehandel einem Wettbewerb wie im Aktiengeschäft ausgesetzt
werden sollte. Das würde zwar nicht den Bestand des Unternehmens
gefährden - bei Margen von 40% und mehr besteht ein erhebliches
Polster. Das Management würde aber bei abbröckelnder Profitabilität
unter heftigen Druck seitens seiner Anteilseigner geraten.

Nachdem der Traum von der großen Fusion ausgeträumt ist, wird es
nun umso mehr darauf ankommen, eine überzeugende Strategie für das
neue Wettbewerbsumfeld zu entwickeln, und die Ressourcen wieder auf
das organische Wachstum zu konzentrieren. Vor diesem Hintergrund wird
es sehr interessant sein zu verfolgen, mit welchem Engagement sich
die Führungsriege der Deutschen Börse nach dem Scheitern des
Zusammenschlusses mit der Nyse Euronext dieser Aufgabe widmen wird.
Möglicherweise bahnt sich hier in absehbarer Zeit eine weitere Zäsur
an. Ab Dezember beginnen die Gespräche über eine weitere Amtszeit
Francionis, dessen Vertrag bis Ende 2013 läuft. Der Finanzplatz wird
sich bald mit der Frage beschäftigen, ob der 56-jährige Schweizer
eine weitere fünfjährige Amtsperiode anstreben wird.



Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de


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