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Börsen-Zeitung: Italiens erster großer Test, Börsenkommentar "Marktplatz", von Kai Johannsen.

Geschrieben am 27-01-2012

Frankfurt (ots) - Den Finanzmärkten steht der erste große Test des
Jahres 2012 bevor, und bestehen muss ihn der größte Wackelkandidat in
der Eurozone: Italien. Die Fixed-Income-Investoren warten auf die
Italiener in der neuen Woche gleich zweimal - einmal, wenn sie zur
Kasse gebeten werden, weil Italien frisches Geld braucht, und ein
weiteres Mal, wenn sie den Staat selbst zur Kasse bitten, weil
Italien Fälligkeiten bedienen muss.

Unmittelbar zum Wochenauftakt ist der Blick schon gen Italien
gerichtet. Die italienischen Schuldenmanager veranstalten ihre
reguläre Monatsendauktion. Unter den Hammer kommen Papiere für bis zu
8 Mrd. Euro. Da es jüngst für die Italiener an den Märkten recht gut
gelaufen ist - wenn auch nicht so gut wie für Spanien - ist davon
auszugehen, dass das Land die Versteigerung wohl ohne größere
Schwierigkeiten über die Bühne bringen wird. Sollte das Vertrauen in
die Zins- und Schuldendienstfähigkeit der Italiener am Montag enorm
schwinden, wäre das wahrlich ein schlechtes Omen für Mittwoch. Denn
zur Wochenmitte werden die Italiener noch etwas sehnsüchtiger
erwartet, denn Schuldentilgung und Zinszahlung sind angesagt. Der
offenstehende und fällige Betrag ist kein Pappenstiel: Exakt
25807727000 Euro nebst 5% Zinsen für ein halbes Jahr müssen die
Italiener dann auf den Tisch legen, um die Anfang August 2001
aufgelegte Staatsanleihe des Landes zu tilgen. Einen Tag zuvor warten
die Anleger zudem noch auf 7,5 Mrd. Euro aus fälligen
Geldmarktpapieren. Aber dabei handelt es sich um weitgehend
rollierende Geschäfte, die bei Italien (noch) nicht weiter
beunruhigen sollten. Schließlich steht Italien (noch) nicht so mit
dem Rücken zur Wand wie einst Griechenland im April 2010. Drastischer
Wechsel

Die überwiegende Mehrheit der Marktteilnehmer geht nicht davon
aus, dass zur Wochenmitte bei der Rückzahlung des Kapitalmarktpapiers
ein Desaster droht. Italien hat nun seit geraumer Zeit verfolgen
dürfen, in welch prekäre Lage drei Länder geraten sind, die
schließlich in Brüssel um Hilfe der Gemeinschaft bitten durften.
Italien dürfte Vorsorge getroffen haben. Es wird fest damit
gerechnet, dass es zur Rückzahlung kommt. Alles andere wäre eine
faustdicke Überraschung, und die würde an den Märkten, die jüngst von
einem verbesserten Sentiment - insbesondere auf der Primärmarktseite
- geprägt waren, für einen drastischen Stimmungswechsel sorgen. Die
Gläubigerverhandlungen in Athen würden sofort in den Hintergrund
treten. Die Dimension Italien entspricht in etwa Griechenland
multipliziert mit dem Faktor 6 - zumindest mit Blick auf die
ausstehende Schuld.

Griechenlands Verhandlungen mit den Gläubigern werden neben
Italien das zweite zentrale Thema an den Märkten sein, schon allein
deshalb, weil die Verhandlungen mittlerweile sehr negativ auf ein
weiteres Land der Eurozone abfärben. Portugal wird arg in
Mitleidenschaft gezogen. Am Bondmarkt ziehen die Renditen der
Staatsanleihen aus Lissabon kräftig an. Bei den fünfjährigen Papieren
der Portugiesen wurde in der gerade abgelaufenen Woche erstmals seit
Bestehen der Gemeinschaftswährung die Marke von 20% übersprungen. Bei
den zehnjährigen Sätzen weist der Weg ebenfalls steil nach oben. Bei
rund 15% wurde der Rekord in den vergangenen Tagen markiert.

Bei den CDS auf portugiesisches Staatskreditrisiko ist das Bild
ebenfalls eindeutig. Rund 1430 Basispunkte Spread waren es in der
abgelaufenen Woche - ein Rekord. Zur Erinnerung: Anfang des Jahres
und auch noch vor zwei Wochen war es noch ein Spread von rund 1080
BP. Um dies einzuordnen: Mit diesem Spread-Niveau liegt Portugal weit
vor Venezuela (851 BP) und Argentinien (786 BP) - zwei Ländern, die
auf der internationalen Schuldnerbühne nicht unbedingt zu den
solidesten Adressen zählen. Die beiden weltweit schwächsten
Staaten-Credits finden sich demzufolge in der Eurozone: Griechenland
und Portugal.

Hinter diesen Spread-Ausweitungen bzw. anhaltend hohen Spreads
steht nur eines: Sollten die Gläubigerverhandlungen in Athen
scheitern, droht den Märkten ein chaotischer Default der Hellenen -
eine Bondfälligkeit steht am 20. März an, etwas Zeit bleibt also
noch. An den Märkten wird demzufolge befürchtet, dass Athen womöglich
zur Blaupause für Lissabon wird und damit in Portugal ein ähnliches
Gezerre zwischen Gläubigern und Schuldner stattfinden wird, das dann
ein recht ungutes Ende nehmen könnte. Jedes negative Signal, das in
den kommenden Tagen aus Athen eintrifft, wird demzufolge unmittelbar
im Portugal-Spread reflektiert.

(Börsen-Zeitung, 28.1.2012)



Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion

Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de


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