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BERLINER MORGENPOST: Der Diktator ist tot, die Diktatur bleibt - Leitartikel

Geschrieben am 19-12-2011

Berlin (ots) - Bis zum Schluss bleibt das Jahr 2011 eines, das im
Guten wie im Schlechten im Zeichen der Freiheit steht. Gerade hat die
Welt in Václav Havel den sanften Revolutionär der Freiheit verloren
und in Christopher Hitchens ihren scharfzüngigsten Verteidiger. Nun
stirbt mit Kim Jong-il gewissermaßen der ontologische Widersacher
dieser beiden, der schlimmste Diktator unserer Zeit. Das Regime
vereint Elemente eines Steinzeitkommunismus mit einer koreanischen
Version rassistischen Herrenmenschentums. Pjöngjangs
Propagandamaschine stellt die koreanische Rasse als allen anderen
Rassen überlegen dar. Ein häufiger Vorwurf gegenüber Südkorea ist,
dass die dortigen laschen Sitten zu einer Vermischung der "reinen"
koreanischen Rasse führen würden. Anders jedoch als in anderen
rassistischen Ideologien macht ihre "Reinheit" die Koreaner nicht
automatisch stärker. So sei es gerade ihre Tugendhaftigkeit, die die
Koreaner gegenüber den "bösen Mächten" da draußen - vor allem den
Japanern, den amerikanischen "Bastarden" und den Juden - verwundbar
mache. Deshalb benötigten die Koreaner einen väterlichen Führer, der
die Wehrhaftigkeit sicherstellt. Die Kims sind "das Gehirn im
nationalen Organismus", wie es im Jargon heißt. Bis zu 200.000
Menschen müssen in Straflagern vegetieren, in denen härteste
Sklavenarbeit, verbunden mit systematischer Unterernährung, für viele
das Todesurteil bedeutet. Frauen werden zu Abtreibungen gezwungen
oder Babys gar nach der Geburt umgebracht und Kinder nach
Fluchtversuchen erschossen. Auch außerhalb der Lager wird intensive
Gedankenkontrolle betrieben und Denunziation befördert. Koreaner
werden zum Hass auf Fremde erzogen. Die allgemeine Versorgungslage
ist so schlecht, dass Nordkoreaner und Südkoreaner sich heute in
ihrer Durchschnittsgröße erheblich unterscheiden. Die Differenz kann
bei den Jungen zehn Zentimeter und mehr betragen. Das Regime hungert
seine Bevölkerung zu Tode - oder zu Zwergen. Christopher Hitchens hat
deshalb einmal zu Recht geschrieben, dass Nordkorea nicht nur
Konzentrationslager unterhält, sondern ein Konzentrationslager ist.
Der Tod Kim Jong-ils ist also erst einmal eine gute Nachricht, so,
wie der Tod Adolf Hitlers, Josef Stalins oder Saddam Husseins gute
Nachrichten waren. Jeder moralisch empfindende Mensch ist
unwillkürlich erleichtert, das Angesicht der Erde nicht mehr mit
diesen Diktatoren teilen zu müssen. Das heißt aber nicht etwa, dass
die Lage für die Nordkoreaner nun besser werden wird. Schon steht der
nächste Kim bereit. Ostasien stehen turbulente Monate und vielleicht
Jahre bevor. Denn der noch nicht mal 30-jährige neue Führer sitzt
keineswegs sicher im Sattel. Und so wird er die Militärs von seiner
Verlässlichkeit überzeugen wollen, indem er aggressiv nach innen und
nach außen agiert. So, wie er es 2010 tat, als er als Nachfolger in
Stellung gebracht wurde. Damals attackierte Nordkorea eine
südkoreanische Insel und versenkte ein Kriegsschiff. Westliche
Sicherheitskreise gehen davon aus, dass Kim Jong-un an der Planung
dieser Anschläge beteiligt war. Eine Art nordkoreanische
Bewährungsprobe. Davon wird es nun wohl noch mehr geben.



Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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