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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Bundespräsidenten

Geschrieben am 13-12-2011

Bielefeld (ots) - Bundespräsident Christian Wulff hat seit gestern
mehr als ein Problem. Als Ministerpräsident hat er den
niedersächsischen Landtag im vergangenen Jahr nicht korrekt
informiert, womöglich raffiniert getäuscht. Die Grünen hatten per
Anfrage wissen wollen, ob Wulff geschäftliche Beziehungen zu einem
Herrn im Ruhestand unterhalte, der drei Mal auf eigene Kosten
Wirtschaftsdelegationen des Landes im Ausland begleitet hatte. Wulffs
Antwort lautete nein, obwohl er bei dessen Frau mit 500 000 Euro in
der Kreide stand. Die hochnotpeinliche Rückzugsposition des
Bundespräsidialamtes lautete gestern spitzfindig, Wulff hab keine
falschen Angaben gemacht. Juristisch ist das korrekt. Allerdings:
Jeder niedersächsische Landesbeamte hätte sich in der gleichen
Situation sich ein Verfahren wegen Korruption eingehandelt.

Mehr noch: Der Volksmund lässt sich von juristischen Wortwendungen
nicht beirren und nennt das Ganze mogeln oder rausreden, wenn nicht
so gar lügen und betrügen. Inzwischen ist Wulff Bundespräsident und
die Hannoveraner Frage, nämlich nach Täuschung des Parlaments, ist
nicht einmal die entscheidende.

In Berlin geht es seit gestern um die Integrität und
Glaubwürdigkeit des deutschen Staatsoberhauptes. Wer als Politiker in
einem herausragenden Amt nicht genug Fingerspitzengefühl für die
Trennung von Amt und Privat beweist, wirft Zweifel an seiner Eignung
auf. Das gilt mitnichten für Landesväter, aber ganz besonders für
Bundespräsidenten, die nicht nur eine hohe moralische Instanz sein
sollen, sondern auch sein müssen.

Trotz allem: Wulff muss nicht zurücktreten. Das wäre viel zu
einfach. Er muss zu seinem Fehler, nicht dem ersten dieser Art,
stehen und zumindest bis zur nächsten Wahl seine Arbeit machen. Alle
weiteren Argumente, die für sein Verbleiben im Amt sprechen, sind
schwache Verweise auf einzelne Vorgänger.

Auch Johannes Rau durfte Bundespräsident bleiben, obwohl er sich
zu seiner Zeit als Ministerpräsidenten einen Dienstjet auf Kosten des
West-LB leistete. Selbst Horst Köhler sollte nach Ansicht aller
Beteiligten im Amt bleiben, obwohl er zusehends und stetig Nerven und
Übersicht verlor. Der selbst gewählte Abgang war der letzte Beleg für
sein einsames Scheitern, aber auch für die Geduld der Deutschen mit
ihrem ersten Mann im Staate.

Schließlich sind auch schon andere hohe Repräsentanten dieser
Republik durch Ungeschick, Unfähigkeit oder falsche Freunde
aufgefallen und trotzdem im Amt geblieben. Wulff wird es jetzt noch
schwerer haben, etwa den Zwist mit dem hartleibigen und
ambitionierten Bundestagspräsidenten Norbert Lammert zu beenden. Vor
allem muss er versuchen, endlich seinen eigenen präsidialen Stil zu
finden. Der ist nach gut eineinhalb Jahren im Schloß Bellevue immer
noch nicht zu erkennen.



Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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