(Registrieren)

WAZ: Ein Erfolg für Europa. Leitartikel von Ulrich Reitz

Geschrieben am 09-12-2011

Essen (ots) - Hat Angela Merkel den Euro gerettet? Leichte Frage,
unbefriedigende Antwort: Man weiß es nicht. Noch nicht. Die deutsche
Kanzlerin hat das nicht mehr in der Hand, ebenso wenig wie die
anderen Regierungschefs. Das Urteil über diese einmalige
Rettungsaktion wird nicht mehr in der Politik gefällt, sondern von
der Wirtschaft. Hört die Spekulation gegen die Unsoliden auf, steht
Merkel als Euro-Königin in den Geschichtsbüchern. Trauen sie der
Politik nicht, sieht die Kanzlerin aus wie Europas Spalterin.

Fest steht jedenfalls, dass es kein deutscher Alleingang war. Es
gab dieses angebliche deutsche Diktat nie. Nicht nur Frankreichs
Sarkozy stand an der Seite der Deutschen, auch Länder wie Polen.
Merkel hat nur beherzt geführt. Sie hat also die Rolle angenommen,
die viele andere Länder von ihr schon lange gefordert hatten. Ob sie
zu lange gezaudert hat - wer will das beurteilen?

Unter dem Strich hat Europa die Lektion der vergangenen Monate
unter Schmerzen gelernt: Schulden sind von Übel. Sie sind nicht nur
die Steuer-Erhöhungen von morgen, das wusste man schon lange. Sie
bedeuten auch, an den Märkten für Staatskredite dramatisch höhere
Zinsen zahlen zu müssen. Schulden sind doppelt teuer. Dass
Deutschland zuletzt noch einmal seine Schulden erhöhte, ist
ärgerlich.

Um die Briten, die nun in Europa völlig allein dastehen, muss man
nicht trauern. Premier Cameron fährt nun ohne Ergebnis nach Hause.
Erreicht hat er nichts. Europa lässt sich eben auch nicht von der
Londoner City die politischen Spielregeln diktieren. Das wollte der
Briten-Premier, damit ist er gescheitert. Zu Recht. Er erweist sich
unfreiwillig als Enkel der Eisernen Lady Margaret Thatcher, die 1984
auf den Tisch haute: "Ich will mein Geld zurück." Die übrigen
Europäer hat das schon damals nicht aufgehalten.

Natürlich ist die Umsetzung der Gipfel- Beschlüsse weit mehr als
nur ein Detail. Ist der vereinbarte europäische Parallel-Vertrag
überhaupt mit der deutschen Verfassung vereinbar? Muss er durch den
Bundestag? Berührt er den Grundgesetz-Artikel 146, dann müsste es gar
eine Volksabstimmung geben. Viel Arbeit also für Juristen.

Fazit: Diese Einigung, die weniger aus politischer Einsicht als
vielmehr unter dem Druck der Finanzmärkte zustande kam, ist ein
Erfolg. Man mag sich lieber nicht vorstellen, was mit Europa passiert
wäre, hätte der alte Kontinent in dieser Stunde versagt.



Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 - 804 6519
zentralredaktion@waz.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

368189

weitere Artikel:
  • WAZ: In der Zwickmühle. Kommentar von Walter Bau Essen (ots) - Das angestrebte Verbot der NPD bringt den Staat in die Zwickmühle. Wollen die Behörden die Partei verbieten lassen, wofür vieles spricht, müssten sie ausgerechnet in einem Moment, in dem sich die ganze Gefährlichkeit der braunen Banden offenbart hat, auf ein wichtiges Ermittlungsinstrument verzichten: die V-Leute. Wer die rechtsextremen Gruppen bekämpfen will, der muss wissen, wie sie denken und was sie planen. Dafür braucht man diese Kontaktpersonen, die in der Szene heimisch sind und den Behörden Informationen mehr...

  • WAZ: Aufschwung am Geldbeutel vorbei. Kommentar von Wilfried Goebels Essen (ots) - Die meisten Arbeitnehmer spüren es im Geldbeutel: Der Aufschwung am Arbeitsmarkt ist seit der Jahrtausendwende an Millionen Beschäftigten vorbei gegangen. Vor allem untere, mittlere und tariflose Einkommensbezieher mussten bei Einberechnung der Geldentwertung finanzielle Einbußen hinnehmen. Steigende Preise und hohe Sozialabgaben machen auch geringfügig höhere Tariflöhne zum Minusgeschäft. Das Jobwunder mit Rekorden bei den Beschäftigtenzahlen hat einen Preis: Viele Arbeitnehmer haben in den letzten Jahren von mehr...

  • Südwest Presse: LEITARTIKEL · EU-GIPFEL Ulm (ots) - Wer zahlt, schafft an Als gute Vermittlerin, die mit frischen Impulsen und gesundem Menschenverstand die stockenden Verhandlungen über die EU-Finanzen vorangebracht habe, wurde Angela Merkel gefeiert. Das war nach ihrem allerersten EU-Gipfel als Regierungschefin im Jahr 2005. Dem Londoner Premier Tony Blair etwa konnte damals eine milliardenschwere Kürzung des Briten-Rabatts abgetrotzt werden. Den Blair-Nach-Nachfolger David Cameron hat die Bundeskanzlerin in der Nacht zum Freitag nicht ins Boot gebracht. Dennoch geht mehr...

  • Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR Euro-Gipfel Klare Kante STEFAN SCHELP Bielefeld (ots) - Manchmal sind es die kleinen Anekdoten, die Bände sprechen. So berichten Gipfel-Beobachter von einem ungarischen Diplomaten, der sich Freitagmorgen mit der Klarstellung beeilte, Ungarn sperre sich keineswegs gegen die Gipfel-Beschlüsse. "Wir sind nicht Großbritannien", betonte er. Und wer will schon Großbritannien sein? Der Außenseiter, der Spielverderber. Der Unbelehrbare. Derjenige, der künftig nicht mehr mitredet in Europa. Und doch macht Camerons Verhalten aus Londoner Perspektive Sinn - vordergründig. Ein Gutteil mehr...

  • Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar NPD-Verbot Keine Heilung BERNHARD HÄNEL Bielefeld (ots) - Da beißt die Maus keinen Faden ab: Die NPD ist ein Schandfleck in der deutschen Parteienlandschaft und gehört auf den Müllhaufen der Geschichte. Ihr tumbes völkisches Gehabe nervt nicht nur, es ist extrem gefährlich. Diese Partei bietet Menschen Raum, denen das Grundgesetz und die darin formulierte universelle Würde des Menschen zuwider ist. Die Gründe für ein NPD-Verbot sind vielfältig; jeder einzelne ist von schwerstem Gewicht. In der aktuellen Debatte spielen sie eine nachrangige Rolle. Das spricht dafür, dass mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht