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DER STANDARD-Kommentar: "Mehr Macht für Brüssel" von Alexandra Föderl-Schmid

Geschrieben am 02-12-2011

Die Krise erzwingt eine neue Konstruktion der Europäischen
Union // Ausgabe vom 03.12.2011

Wien (ots) - Die Eurokrise wirkt als Katalysator: Bei den Staats-
und Regierungschefs setzt sich endlich die Einsicht durch, dass der
Konstruktionsfehler der Währungsunion, fehlende
Steuerungskompetenzen, rasch behoben werden muss. Im Klartext heißt
das aber: Die Nationalstaaten müssen Macht an Brüssel abgeben. Das
ist unabdingbar.
Die nationalistischen Töne und das Verfolgen protektionistischer
Praktiken nach der Finanzkrise 2008 sind Hauptgründe für den
derzeitigen Zustand der Union. Die Hoffnung, dass die
Stabilitätskriterien von den Mitgliedsstaaten eingehalten werden, ist
zerplatzt. In den vergangenen Jahren hatten Verfehlungen keine
Konsequenzen - die Folge ist eine Krise mit globalen Auswirkungen.
Nur wenn es zentrale Durchgriffsmöglichkeiten auf das Budget der
Eurostaaten gibt und Fehlverhalten tatsächlich Sanktionen nach sich
zieht, hat der aus 17 Staaten bestehende Währungsverbund eine
Überlebenschance.
Wie diese zentrale Steuerung in der Realität funktioniert, wer diese
Kontroll- und Sanktionsaufgaben vornimmt, und auf welche Bereiche
sich die Brüsseler Oberaufsicht erstreckt, muss geklärt werden. Es
stellen sich viele Fragen, auf die beim EU-Gipfel kommende Woche
Antworten gefunden werden sollten: Darf Brüssel nur einschreiten,
wenn die 60-Prozent-Grenze bei der Verschuldung überschritten wird?
Erstreckt sich die Eingriffsmöglichkeit auf alle nationalen
Politikbereiche - von der Finanz- über die Sozialpolitik bis zur
Bildung? Dies wäre ein Eingriff in die Kernaufgaben der Parlamente
jedes Mitgliedsstaats.
Dass in jedem Fall eine Änderung der EU-Verträge vorgenommen werden
muss, scheint immer mehr Staats- und Regierungschefs klarzuwerden. Am
deutlichsten hat das bisher die deutsche Bundeskanzlerin Angela
Merkel am Freitag ausgesprochen: "Es führt kein Weg daran vorbei, die
EU-Verträge zu ändern."
Konsequenterweise muss es dann Volksabstimmungen geben - trotz der
für viele noch als traumatisch in Erinnerung gebliebenen Ablehnung
des Lissabon-Vertrag durch die Bürger in Frankreich und den
Niederlanden. Ein Verlust der Budgethoheit wäre in Österreich eine
wesentliche Änderung der Verfassung und würde eine Volksabstimmung
erfordern.
Das ist eine Chance, Europa neu zu konstruieren und die Menschen vom
europäischen Projekt zu überzeugen. Man muss nicht so weit gehen, wie
der US-Autor Jeremy Rifkin, der in seinem gleichnamigen Buch vom
"Europäischen Traum" schwärmt. Es ist viel zu wenig bekannt, dass die
Vorgänge im EU-Parlament viel transparenter sind als in den
nationalen Parlamenten. Die Mitbestimmungsrechte der gewählten
Abgeordneten sollten noch weiter ausgebaut werden, als dies durch den
Lissabon-Vertrag geschehen ist.
Keine demokratische Legitimation haben die EU-Kommissare. Die
EU-Abgeordneten oder die Bürger sollten darüber abstimmen können, wer
in der EU-Kommission sitzt, die derzeit eine sehr schwache Figur
abgibt. Damit könnten nicht mehr so einfach zu Hause abgehalfterte
Politiker nach Brüssel entsandt werden.
Die von Jürgen Habermas in seinem gerade erschienenen Essay Zur
Verfassung Europas beschworene Idee einer "transnationalen
Demokratie" könnte in den nächsten Monaten umgesetzt werden. Dazu
bedarf es aber Politiker, die über die Grenzen des eigenen Landes
hinausdenken und den Mut haben, Macht abzugeben.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom


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