(Registrieren)

Marketexpress: Wann handelt die EZB?

Geschrieben am 24-11-2011

Frankfurt am Main (ots) - Der Antritt technokratischer Regierungen
in Griechenland und Italien hat die Staatsanleihenmärkte in der EWU
(Europäische Währungsunion) bislang noch nicht beruhigen können. Die
Risikoaufschläge sowie die Spreads zwischen AAA-gerateten
niederländischen und finnischen Papieren zu Bundesanleihen steigen
weiter. Auf der EWU lasten nach wie vor Liquiditätsprobleme, die
zuallererst bewältigt werden müssen.

Risikozuschläge steigen weiter

Die Eurokrise bestimmt Märkte und Politik. Die Bevölkerung
reagiert zunehmend mit Überdruss, Unverständnis und Verwirrung. In
einigen Segmenten des Finanzmarktes scheint sich ein falsches Gefühl
der Sicherheit auszubreiten, da Aktien- und Rohstoffmärkte die
Risiken aus der anhaltenden Eurokrise nicht so rasch einpreisen wie
die Anleihemärkte. Die Staatsanleihenmärkte der Eurozone erreichten
dagegen neue Extreme: Auf zehnjährige italienische Staatsanleihen
zahlen Anleger jetzt ca. 7% Zinsen und die Spreads für Spanien (530
Bp.), Belgien (455 Bp.) und Frankreich (190 Bp. - höchster Stand seit
21 Jahren) gegenüber Bundesanleihen kletterten auf ein neues Hoch.
Das bedeutet, dass der Markt die Ausfallwahrscheinlichkeit dieser
Länder höher einschätzt, als ihre Ratings vermuten lassen.

Das heißt aber nicht, dass die Ratingagenturen geschlafen haben,
sondern spiegelt ein irrationales Marktverhalten wider, das
weitgehend vom Herdentrieb der institutionellen Investoren ausgelöst
wird. Derzeit bestimmen weniger die Fundamentalanalyse der
Wachstumsaussichten und Solvenz der jeweiligen Länder die
Anlageentscheidungen, sondern das Bemühen um Absicherung gegen
Kursrückgänge sowie die Steuerung des Reputationsrisikos.

Der Markt schafft hier seine eigenen Realitäten: Die selbst
auferlegte Liquiditätsverknappung könnte spekulativen Angriffen den
Weg bahnen. Zu betonen ist jedoch, dass diese Entwicklung recht
unkoordiniert verläuft und jedenfalls nicht von zentraler Hand durch
einzelne Spekulanten gesteuert wird.

Angesichts des "Run" auf Staatsanleihen jener EWU-Staaten, die als
Wackelkandidaten gelten, schwindet die Bedeutung von Fundamentaldaten
für den Markt. Tatsächlich scheinen die Fundamentaldaten vom Markt
abzuhängen und nicht umgekehrt.

Negativspirale dreht sich weiter

Deshalb konnten die neuen technokratischen Regierungen in
Griechenland und Italien der Schuldenkrise bisher keinen Einhalt
gebieten. Zudem deuten die schwachen BIP-Zahlen der Eurozone in Q3
darauf hin, dass sich die Negativspirale aus Schuldenproblemen,
getrübter Stimmung, verschärfter Kreditvergabe, öffentlichem
Sparkurs, rückläufigem Wachstum und weiterem Schuldenstress immer
schneller dreht.

Genau darin besteht die akuteste Gefahr eines Run auf
Staatsanleihen: der Kombination von höheren Kosten für die
Privatwirtschaft mit einer erheblichen Verschärfung der
Kreditvergabekriterien. Die kurzzeitigen Folgen für die staatlichen
Finanzierungskosten sind dabei eher zweitrangig. Zusammen mit den
negativen Auswirkungen auf die Marktstimmung könnte das reichen, um
das Wachstum wieder in den negativen Bereich zu drehen. Das würde die
Finanzlage der betroffenen Länder noch weiter belasten; drastischere
Sparmaßnahmen wären die Folge. Aber auch ein strikter Sparkurs ist
schließlich kontraproduktiv, da Wachstum und Steuereinnahmen weiter
gedrosselt werden.

Glaubwürdiger Lender of Last Resort dringend gefragt

Derzeit ist die Stabilisierung des "Patienten" Europa am
dringendsten geboten. Das bedeutet, dass zuerst die
Liquiditätsprobleme bewältigt und zeitgleich stringente Maßnahmen zur
Solvenzsicherung umgesetzt werden müssen. Insofern ist die Schaffung
einer Liquiditätsreserve für Banken und fiskalpolitische Instanzen
der Eurozone geboten. Ohne ein solches Instrument wären Banken und
Regierungen in der EWU dem Risiko spekulativer Attacken auf den
Finanzierungsmärkten ausgesetzt. Diese Reserve sollte jedoch nur zur
Bewältigung von Liquiditätsklemmen und nicht zur Lösung von
Solvenzproblemen eingesetzt werden, denn das käme der Finanzierung
staatlicher Defizite durch geldpolitische Instrumente gleich.

Länder wie Spanien und Italien sowie das leistungsfähigere Segment
des europäischen Bankensektors sehen sich weniger einem
Solvenzproblem als vielmehr einem Liquiditätsproblem gegenüber. Ein
vollwertiger Lender of Last Resort (LOLR) für Regierungen und Banken
würde sicherlich einen Beitrag zur Lösung der anhaltenden Eurokrise
leisten. Bislang erfüllt die EZB über ihr Securities Markets Program
(SMP) und die Bereitstellung unbegrenzter Liquidität für Banken eine
Überbrückungsfunktion. Doch die vorübergehende Natur dieser
Programme, die von der EZB öffentlich angemeldeten Bedenken und der
massive Widerstand vonseiten Deutschlands beeinträchtigen ihre
Wirksamkeit in der Praxis. Die zentrale Funktion eines LOLR besteht
darin, sich selbst erfüllende Prophezeiungen zu verhindern. Sofern
die EZB sich mit der gebotenen Entschlossenheit zur Übernahme der
Funktion einer letzten Instanz verpflichtet, könnte die Zentralbank
ihre Anleihekäufe zurückfahren und Verluste weitgehend vermeiden.

Die genaue Ausgestaltung eines LOLR, ob als eigenständige Stelle
oder im Rahmen einer neu strukturierten EFSF, sowie die
Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit die EZB diese Rolle
übernimmt, wären zu diskutieren. Hier geht es vor allem darum, einen
EWU-weiten Lenkungsmechanismus zu schaffen, der Moral-Hazard-Effekte
aufseiten von Regierungen und Finanzinstituten wirksam unterbindet.

Wir bleiben bei unserer vorsichtigen Haltung

Doch bis die EZB diese Rolle übernehmen kann, wird die
Ansteckungsgefahr weiter steigen und die Krise anhalten. Die Krise
ist noch lange nicht überwunden und wir bleiben bei unserer
vorsichtigen Haltung gegenüber Spread-Produkten und Staatsanleihen
von der Euro-Peripherie. Über kurz oder lang wird der "Leidensdruck"
sicherlich so hoch, dass die EZB sich nicht mehr gegen die Rolle als
LOLR sträuben kann. Dann wird wahrscheinlich auch unser Risikoappetit
steigen. Das richtige Timing ist zurzeit die größte Herausforderung
für Investoren.



Pressekontakt:
Birgit Stocker

-Head of PR D/A/CH-

ING Investment Management

Westhafenplatz 1

60327 Frankfurt am Main, Germany

T +49 69 50 95 49-15, F +49 69 50 95 49-31

E birgit.stocker@ingim.com

W www.ingim.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

365384

weitere Artikel:
  • WGF AG vermietet weitere 400 qm Bürofläche im Kaiserpalais Offenbach Düsseldorf (ots) - Im Kaiserpalais Offenbach gibt es zwei neue Mieter. Das Unternehmen MedizinInkasso Schlotmann & Sterz GmbH mietet 250 qm Bürofläche, Rechtsanwalt Jürgen Wahl, Kanzlei für Versicherungs- und Medizinrecht, 150 qm Bürofläche. Die Mietverträge sind gültig ab dem 1. Februar 2012 und laufen über 7 Jahre. Beide Unternehmen waren bereits bisher in Offenbach ansässig. Das Düsseldorfer Immobilienunternehmen WGF AG hatte die ehemalige Goldpfeil-Firmenzentrale im November 2010 gekauft. Das repräsentative Büro- und Geschäftshaus mehr...

  • Berenberg Bank erneut mit Bestnoten in der Elite der Vermögensverwalter Hamburg/München (ots) - Berenberg erhält zum dritten Mal die Höchstpunktzahl und wurde zum achten Mal in Folge mit "summa cum laude" ausgezeichnet. Das Private Banking der Berenberg Bank wurde gestern in München erneut vom "Elite Report" als Sieger ausgezeichnet. Bei der jährlichen Branchenstudie untersuchte der Report "Die Elite der Vermögensverwalter" in Zusammenarbeit mit dem Handelsblatt 348 Finanzdienstleister im deutschsprachigen Raum. Gerade einmal ein Siebtel der erfassten Institute wurde als besonders empfehlenswert mehr...

  • Der neue Bookman-Service von Lexware: So geht Buchhaltung heute! Freiburg (ots) - Der innovative Buchhaltungsservice Bookman macht Buchhaltung für den Anwender zur Nebensache. Denn in Kooperation zwischen Lexware und der Bookman Deutschland GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft wurde ein Service realisiert, der dafür sorgt, dass kleine und mittlere Unternehmen sich intensiv ihrem Kerngeschäft widmen können - und trotzdem immer alle aktuellen und für das Unternehmen wichtigen Zahlen im Blick haben. Die Buchhaltung mit Bookman nimmt nur noch wenig Zeit in Anspruch: Der Anwender muss lediglich seine mehr...

  • Ausgezeichnete Vermögensverwaltung: summa cum laude für das Haspa Private Banking Hamburg (ots) - Der Elite Report in München und das Handelsblatt bewerteten rund 350 Finanzdienstleister im gesamten deutschsprachigen Raum. Mit 500 Punkten belegt das Private Banking der Hamburger Sparkasse auch in diesem Jahr wieder den Spitzenplatz mit der höchsten erzielten Punktzahl bei der Auszeichnung "Bester Vermögensverwalter". Bereits seit neun Jahren in Folge behauptet das Haspa Private Banking kontinuierlich diese Spitzenposition. Die Vermögensverwaltung der Hamburger Sparkasse hat mit diesem Ergebnis unter Beweis mehr...

  • EANS-News: ANDRITZ receives another major order for pumped storage power station in Portugal -------------------------------------------------------------------------------- Corporate news transmitted by euro adhoc. The issuer/originator is solely responsible for the content of this announcement. -------------------------------------------------------------------------------- Company Information Graz (euro adhoc) - Graz/Vienna, November 25, 2011. EDP - Gestão da Produção de Energia, S.A., has awarded the consortium ANDRITZ HYDRO (leader of the consortium), EFACEC Engenharia, and SMM-Sociedade de Montagens Metalomecânicas mehr...

Mehr zu dem Thema Finanzen

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

Century Casinos wurde in Russell 2000 Index aufgenommen

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht