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FocusPoint: Anpfiff zum Euro-Endspiel?

Geschrieben am 04-10-2011

Den Haag/Frankfurt am Main (ots) - Im September bestimmten die
zunehmenden Spannungen im Hinblick auf die Auszahlung der nächsten
Darlehens-Tranche an Griechenland durch die Troika aus EU/IWF/EZB das
Marktklima. Themen wie Hinweise auf einen Moral-Hazard-Effekt in
Italien, Verknappung der Interbankenfinanzierung sowie die Diskussion
um Garantien für die EFSF sorgten erneut für Verunsicherung. In
diesem FocusPoint skizzieren wir unsere Einschätzung. Wir diskutieren
vier mögliche Szenarien und ihre Folgen für die Renditeentwicklung am
Anleihemarkt.

Wir möchten allerdings betonen, dass ein Zusammenbruch bzw. das
Ende der Eurozone keinesfalls unser Basisszenario ist. Desgleichen
erwarten wir keinen "Rauswurf" Griechenlands aus der EWU.

Unsere Szenarien-Analysen

Wie sehr der Druck noch steigen wird und wie letztlich das
Endspiel verläuft, lässt sich nicht zuverlässig vorhersagen.
Vorstellbar sind indes verschiedene Szenarien. Anhand von vier
möglichen Szenarien wollen wir die Folgen für bzw. die potenziellen
Renditechancen an den Anleihemärkten aufzeigen. Desgleichen
analysieren wir ihre Wirkung auf europäische Benchmark-Staatsanleihen
über einen Zeithorizont von ein bis drei Jahren.

Neben unserem Basisszenario analysieren wir auch zwei
pessimistischere und ein positiveres Szenario. Der stärkere Fokus auf
Wahrscheinlichkeiten führt zu einer negativeren Ausrichtung der
Szenarien und beruht auf der eher ungünstigen Risikobilanz der
skizzierten Perspektiven.

1. Durchwurschteln (unser Basiszenario)

Im Rahmen des ersten Szenarios gehen wir von einer Art
"Durchwurschtelei" aus, bei der Marktvolatilität die politischen
Entscheidungsträger dazu zwingt, die erforderlichen Mindestmaßnahmen
für fortgesetzte Integration zu ergreifen. Das würde zwar zu
wirksameren Lenkungsmechanismen führen, jedoch nicht zu einer
langfristig glaubwürdigen Verhütung von Moral-Hazard-Effekten
aufseiten von Regierungen und Finanzinstituten in der Eurozone. Bei
diesem Szenario gehen wir von einem Risikoabschlag in Höhe von 60%
auf griechische Anleihen aus. Auch bei einer Staatspleite würde
Griechenland Teil der Währungsunion bleiben. Die Pleite eines anderen
Landes bzw. einer systemtragenden Bank wird nicht angenommen. Auf
Jahressicht könnte dieses Szenario mit einer 60%igen
Wahrscheinlichkeit eintreten, die über einen Dreijahreszeitraum indes
auf 10% sinkt. Über einen längeren Zeitraum ist eine glaubwürdigere
und längerfristig angelegte Lösung nach unserem Dafürhalten
unumgänglich, da der Druck noch zunehmen würde, sofern die Krise
unbewältigt bleibt.

2. Lösung

Bei diesem Szenario wird eine langfristige und glaubwürdige
Governance-Lösung mit einer nur begrenzten Umschuldung Griechenlands
erreicht (Risikoabschlag von ca. 30%, wie im Rahmen des aktuellen
PSI-Programms zur Beteiligung der Privatwirtschaft angenommen). Dabei
würden wirksamere Lenkungsmechanismen umgesetzt, die
Moral-Hazard-Effekte aufseiten von Regierungen und Finanzinstituten
unterbinden. Zugleich würde das zu einer weiteren politischen und
fiskali-schen Integration führen und eine Form der gemeinsamen
fiskalischen Verantwortung schaffen (Stichwort: Eurobond). Zudem
würde auf Dauer ein "Lender of last Resort" für solvente Banken und
Regierungen eingerichtet (eine EFSF-Bank oder ein dauerhaftes
Securities Markets Program (SMP)). Für die Umschuldung insolventer
Banken und Staaten gäbe es Einrichtungen zur juristischen Lösung. Wir
gehen zudem davon aus, dass die Zinsen in AAA-gerateten Ländern
deutlich steigen werden und in den Ländern ohne Top-Rating eine
Erleichterungs-Rally stattfinden wird. Auf Jahressicht könnte dieses
Szenario mit einer 10%igen Wahrscheinlichkeit eintreten, die über
einen Dreijahreszeitraum indes auf 50% steigt.

3. Mühsames Überleben

Das dritte Szenario ist sehr viel pessimistischer. Hier führt das
Unvermögen der Politiker, die Krise in den Griff zu bekommen, zu
einem ungeordneten Austritt Griechenlands aus der Eurozone. Im
Ergebnis kommt es zu derartig katastrophalen Wirtschafts- und
Finanzbedingungen in Griechenland (Depression,
Massenarbeitslosigkeit, Unruhen, Ansturm auf Banken sowie
Kapitalflucht), dass Pleite und Währungsabwertung gegenüber der
Einhaltung der Troika-Auflagen als das kleinere Übel erscheinen. Da
wir davon ausgehen, dass es sich dabei um eine einseitige
Entscheidung Griechenlands handeln würde, wäre es in diesem Fall kaum
möglich, Dominoeffekte an anderen europäischen Staatsanleihe- und
Bankenmärkten zu vermeiden.

Die Kollateralschäden für die Realwirtschaft (schwere Rezession)
sowie für die Bilanzen der öffentlichen Hand und des Finanzsektors
wären dann so erheblich, dass eine breiter angelegte Umschuldung
unumgänglich wäre. Bei diesem Szenario müssten griechische
Staatsanleihen um 70%, irische und portugiesische Staatsanleihen um
40% und italienische und spanische Staatsanleihen um 20%
wertberichtigt werden. Dabei gehen wir davon aus, dass die jeweiligen
Regierungen systemtragende Banken vor einer Pleite retten würden.
Wenn auch in weitaus geringerem Maße als beim zweiten Szenario würden
wir in Ländern, die ihre Schulden-last abbauen, eine
Erleichterungs-Rally bei Staatsanleihen erleben. Auf Jahressicht
könnte dieses Szenario mit einer 25%igen Wahrscheinlichkeit
eintreten, die über einen Dreijahreszeitraum auf 30% steigt.

4. Zusammenbruch der Eurozone

Dies ist das Worst-Case-Szenario: Nicht nur würden mehrere Länder
einen Staatsbankrott anmelden und die EWU verlas-sen, auch die
deutsch-französische Achse würde zerbrechen und damit die Europäische
Union. Am Ende stünde lediglich eine Euro-Mark-Zone, der Deutschland,
die Niederlande, Finnland, Österreich und Luxemburg angehören. Die
übrigen EWU-Mitglieder würden dann wieder ihre alten Währungssysteme
einführen. Im Rahmen dieses Szenarios gehen wir von folgenden
Risikoabschlägen aus: 80% für Griechenland, 60% für Irland und
Portugal, 40% für Italien und Spanien sowie 20% für Belgien und
Frankreich. Auf Jahressicht könn-te dieses Szenario mit einer 5%igen
Wahrscheinlichkeit ein-treten, die über einen Dreijahreszeitraum auf
10% steigt.

Ertragsszenarien

Die höhere Wahrscheinlichkeit der negativen Szenarien auf
Jahressicht beruht auf der kurzfristig eher ungünstigen Risikobilanz.

Über einen Zeithorizont von drei Jahren sind wir dagegen weitaus
optimistischer, wie sich von den angepassten Wahrscheinlichkeiten der
einzelnen Szenarien ablesen lässt. Dabei möchten wir betonen, dass
unsere Ertragserwartungen stark von den
Wahrscheinlichkeitsgewichtungen der einzelnen Szenarien abhängen.

Barclays Euro-Treasury-Tabelle gibt einen Überblick über (1) die
Eintrittswahrscheinlichkeit der einzelnen Szenarien, (2) die mit
europäischen Staatsanleihen generierten Erträge (die sich aus den
Renditevorteilen gegenüber deutschen Werten sowie aus
Spreadbewegungen ergeben) sowie (3) Durationserträge, die sich aus
Veränderungen bei Haltekosten und Renditen ergeben. Zusätzlich haben
wir den szenariogewichteten Gesamtertrag einbezogen. Es ist zu
beachten, dass es sich bei den über einen Dreijahreshorizont
erzielten Ertragszahlen nicht um annualisierte Erträge handelt.

Fazit: Wir setzen auf Diversifizierung

Diese Ausführungen sind natürlich im Kontext der eigenen
Einschätzung des weiteren Verlaufs der europäischen Schuldenkrise zu
sehen. Ist man überzeugt, dass die EWU die aktuelle Krise nicht
überstehen wird, so mag es sinnvoll sein, sich an AAA-gerateten
Benchmark-Staatsanleihen zu orientieren. Wir wären hier allerdings
vorsichtig, denn eine solche Herangehensweise würde die
Diversifikation stark verringern. Zudem könnte sich ein
Auseinanderfallen der Eurozone auch auf die AAA-gerateten Länder
negativ auswirken.

Mit anderen Worten: Will man sich völlig gegenüber der
Staatsschuldenkrise in Europa absichern, so muss man alle auf Euro
lautenden Werte verkaufen. Aber auch dieses Konzept wäre fragwürdig,
denn ein Zusammenbruch der EWU würde die Finanzmärkte weltweit
belasten.

Grundsätzlich legen die Resultate nahe, dass ein diversifiziertes
Portfolio aus Euro-Benchmark-Staatsanleihen in drei der vier
analysierten Szenarien stagnierende bis leicht positive Erträge
generieren würde. Das gilt auch bei einer
wahrscheinlichkeitsgewichteten Ertragserwartung bei allen vier
Szenarien, die über einen Ein- sowie einen Dreijahreshorizont bei
knapp 1% liegt. Das ändert sich natürlich grundlegend, wenn man davon
ausgeht, dass die Wahrscheinlichkeit eines Euro-Kollapses 5 bis 10%
deutlich übersteigt.



Pressekontakt:
ING Investment Management
Birgit Stocker
Head of PR D/A/CH
T: +49 69 50 95 49 - 15
e-mail: birgit.stocker@ingim.com
www.ingim.de


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