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Tatort Amtsstube: Kriminalität in Behörden verursacht Milliardenschäden

Geschrieben am 09-11-2010

Frankfurt am Main (ots) - Erstmalige repräsentative Studie zu
Kriminalität in öffentlicher Verwaltung / Jede zweite Behörde in
Deutschland ist betroffen / Bevölkerung hat nur wenig Vertrauen in
Prävention

Korruption, Unterschlagung und andere Straftaten sind nicht nur in
Unternehmen, sondern auch in der öffentlichen Verwaltung ein
gravierendes Problem. In deutschen Behörden verursachen kriminelle
Handlungen jährlich direkte finanzielle Schäden von mindestens zwei
Milliarden Euro, wobei sich allein die Korruptionsfälle
(Bestechlichkeit und Vorteilsannahme) auf wenigstens 20.000 Delikte
pro Jahr addieren dürften, wie aus einer Studie der
Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC und der
Martin-Luther-Universität Halle Wittenberg hervor geht. Zwischen 2008
und 2010 gab es bei 52 Prozent der befragten Behörden mindestens eine
nachgewiesene Straftat oder einen konkreten Verdacht auf kriminelle
Handlungen.

Die Studie erfasst erstmals repräsentativ die
Kriminalitätsbelastung der öffentlichen Verwaltung in Deutschland.
Untersuchungsbasis ist eine Befragung von 500 Behördenvertretern
sowie 1.000 Bundesbürgern durch TNS Emnid.

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die öffentliche Verwaltung
zwar seltener von Straftaten betroffen ist als Unternehmen.
Gleichzeitig unterschätzen die befragten Behörden jedoch das für sie
bestehende Kriminalitätsrisiko. Dies schlägt sich auch in einer
mangelhaften Prävention nieder.

Alarmierend ist die Einschätzung der Bevölkerung zur Verbreitung
von Korruption und anderen Delikten in Behörden. So glauben 53
Prozent der Befragten, dass Vermögensdelikte in der öffentlichen
Verwaltung (sehr) häufig vorkommen, fast 50 Prozent halten auch
Korruption für stark verbreitet. In der Realität waren von diesen
Straftaten rund 30 Prozent der Behörden in den vergangenen zwei
Jahren betroffen. "In der Bevölkerung besteht die Wahrnehmung, dass
Bestechung und Unterschlagung in öffentlichen Verwaltungen üblich
sind. Dies ist - ohne die Kriminalitätsrisiken in Behörden
verharmlosen zu wollen - ein Zerrbild. Doch je weniger die Bürger
davon überzeugt sind, dass ihre Anliegen nach 'Recht und Gesetz'
behandelt werden, desto größer ist auf Dauer die Neigung,
Behördenentscheidungen anzufechten oder gar selbst Bestechungsgelder
anzubieten", kommentiert PwC-Partner und Forensic-Experte Steffen
Salvenmoser.

Der Vergleich der vorliegenden Ergebnisse mit denen der jüngsten
PwC-Studie zur Wirtschaftskriminalität von 2009 zeigt, dass die
öffentliche Verwaltung seltener von Straftaten betroffen ist als die
Privatwirtschaft. Soweit vergleichbar gab es bei 22 Prozent der
Behörden nachgewiesene Delikte, jedoch bei 48 Prozent der befragten
Unternehmen.

Korruption und Vermögensdelikte sind am häufigsten Am häufigsten
berichteten die Behörden über nachgewiesene bzw. vermutete
Korruptionsfälle (32 Prozent der Behörden) und Vermögensdelikte (30
Prozent) wie beispielsweise Betrug oder Unterschlagung. Deutlich
seltener waren die Befragten von wettbewerbswidrigen Absprachen (18
Prozent), Urkundenfälschung (16 Prozent) und Subventionsbetrug (7
Prozent) betroffen. "Allerdings dürfte die tatsächliche
Kriminalitätsbelastung höher sein. Darauf deutet die klare
Unterschätzung des konkreten Kriminalitätsrisikos durch die befragten
Behörden hin", so die Einschätzung von Salvenmoser.

Tatsächlich glauben nur zehn bzw. sechs Prozent der
Behördenvertreter, dass ihre Verwaltungsstelle wahrscheinlich oder
sehr wahrscheinlich durch Vorteilsannahme oder Bestechlichkeit
geschädigt wird. Für die öffentliche Verwaltung in Deutschland
insgesamt schätzen die Befragten die Risiken demgegenüber weitaus
höher ein: Jeder vierte hält Fälle von Vorteilsannahme für häufig bis
sehr häufig, an verbreitete Bestechlichkeit glaubt knapp jeder fünfte
Befragte. Auch Vermögensdelikte hält gut jeder fünfte
Behördenvertreter insgesamt für verbreitet, während nur acht Prozent
das Deliktrisiko für die eigene Behörde als hoch einschätzen.
Weiteres Indiz für eine Unterschätzung des Korruptionsrisikos ist die
Häufigkeit der berichteten Bestechungsversuche. Gut jeder fünfte
Behördenmitarbeiter sieht sich demnach gelegentlich oder sogar oft
Korruptionsversuchen von Unternehmen oder auch Privatpersonen
ausgesetzt.

Reputationsverlust wiegt schwer

Durch Delikte wie Unterschlagung, Subventionsbetrug oder auch
Preisabsprachen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge entstehen
Behörden und damit letztlich dem Steuerzahler erhebliche finanzielle
Belastungen. Die direkten Schäden durch die 251 schwersten
berichteten Straftaten beliefen sich in den Behörden insgesamt auf
mindestens 274 Millionen Euro, woraus sich hochgerechnet die
Gesamtbelastung von mindestens zwei Milliarden Euro ergibt. Besonders
hoch sind die durchschnittlichen Schadenssummen bei Subventionsbetrug
(7.131.600 Euro) und wettbewerbswidrigen Absprachen (2.325.300 Euro),
Vermögensdelikte verursachen im Durchschnitt finanzielle Schäden von
412.500 Euro und Korruptionsfälle von 234.900 Euro.

Zu den direkten Schäden müssen außerdem die indirekten
Kriminalitätsbelastungen addiert werden. So berichten die Befragten
bei annähernd zwei Drittel der Fälle über einen erheblichen
Zeitaufwand zur Aufarbeitung der Kriminalitätsfolgen. Bei 29 Prozent
der Straftaten wiegt der Reputationsverlust schwer - im Zusammenhang
mit Korruptionsdelikten trifft dies sogar noch häufiger zu. "Die
mittelbaren Kriminalitätsfolgen sind häufig die eigentlichen Schäden.
Das gilt besonders dann, wenn hochrangige Beamte oder andere
Bedienstete in Korruptionsfälle und andere Straftaten verwickelt
sind", kommentiert Salvenmoser. So gab es bei annähernd 60 Prozent
der Korruptionsdelikte, an denen die Leitungsebene einer Behörde
beteiligt war, nach Angaben der betroffenen Behörden einen massiven
Rufschaden.

Täter sind meist Insider

Ebenso wie in der Privatwirtschaft ist an den weitaus meisten
Straftaten in der öffentlichen Verwaltung ein interner Täter
beteiligt. Bei den befragten Behörden waren eigene Angestellte oder
Beamte in vier von fünf Delikten involviert. Die relativ größte
Tätergruppe sind Mitarbeiter unterer Hierarchiestufen (Beteiligung an
42 Prozent der Fälle).

An Korruptionsdelikten allerdings beteiligen sich in der Tendenz
häufiger Beamte und Bedienstete höherer Ebenen. So waren Beamte im
gehobenen Dienst bzw. vergleichbare Angestellte an gut vier von zehn
Korruptionsfällen beteiligt, während Bedienstete der unteren Ränge
nur bei jedem vierten Fall als Täter in Erscheinung traten. Bei fast
jedem dritten Korruptionsdelikt waren die internen Beteiligten seit
mehr als zehn Jahren im Dienst. Diese Ergebnisse zeigen, dass
unabhängig von Status, Hierarchiestufe und Beschäftigungs- bzw.
Dienstjahren grundsätzlich jeder Mitarbeiter ein potenzieller Täter
sein kann.

Entdeckte Täter in den Behörden müssen in aller Regel (81 Prozent
der Korruptionsfälle und 80 Prozent der Vermögensdelikte) mit einer
Strafanzeige rechnen. Demgegenüber ziehen Behörden weitaus seltener
Konsequenzen gegenüber externen Tatbeteiligten. So wird nur gegen 62
Prozent der in Vermögensdelikte involvierten Unternehmen und
Privatpersonen eine Strafanzeige gestellt, in Korruptionsfällen sinkt
die Quote sogar auf 51 Prozent.

Prävention kommt zu kurz

Die starke Beteiligung interner Täter an Straftaten in der
öffentlichen Verwaltung unterstreicht die Notwendigkeit
systematischer Kontroll- und Präventionsmaßnahmen. Hier zeigen die
befragten Behörden jedoch deutliche Defizite - 70 Prozent aller
Delikte wurden eher zufällig entdeckt.

So gingen zwei Drittel aller Ermittlungen interne oder externe
Hinweise voraus. Ein behördeninternes Kontroll- oder
Hinweisgebersystem führte hingegen nur bei jeder 20. berichteten
Straftat zur Aufdeckung.

Tatsächlich fehlen bei vielen Behörden wesentliche
Sicherheitsvorkehrungen. Fast jede zweite Behörde hat beispielsweise
keinen Korruptionsbeauftragten, und über 70 Prozent verzichten sowohl
auf eine Personalrotation als auch ein Hinweisgebersystem, bei dem
Bürger, Mitarbeiter oder Unternehmen einen Verdacht auf Korruption
und andere Delikte anonym melden können.

"Die mangelnde Präventionskultur in der öffentlichen Verwaltung
ist aus mehreren Gründen verhängnisvoll. Erstens wiegen sich Behörden
in einer trügerischen Sicherheit, weil sie mangels ausreichender
Präventionsmaßnahmen und Sensibilität das ganze Ausmaß der Straftaten
nicht einmal abschätzen können. Zweitens verführen mangelnde
Präventionssysteme potenzielle Täter zu kriminellen Handlungen. Und
drittens begünstigen diese Schwächen medienwirksame Korruptionsfälle,
die das Vertrauen der Bevölkerung in die Integrität des öffentlichen
Dienstes beeinträchtigen", betont Frank Weise, PwC-Partner und
Experte für die Öffentliche Hand. Verstärkte Präventionsmaßnahmen,
beispielsweise Hinweisgebersysteme oder Mitarbeiterschulungen zur
Kriminalitätsprävention, sind daher auch in Zeiten angespannter
Budgets unabdingbar und eine lohnende Zukunftsinvestition.

Originaltext: PwC PriceWaterhouseCoopers
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/8664
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_8664.rss2

Pressekontakt:
Karim Schäfer
PwC
Presseabteilung
Tel.: (069) 95 85 - 54 35
E-Mail: karim.schaefer@de.pwc.com
www.pwc.de

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