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Westdeutsche Zeitung: Walter Kempowski = von Sophia Willems

Geschrieben am 05-10-2007

Düsseldorf (ots) - Einer der größten Schriftsteller des 20.
Jahrhunderts sei gestorben, hört und liest man jetzt vielfach - doch
er hat sich stets beklagt, er werde zu wenig geachtet und geehrt.
Gewiss, Walter Kempowski musste seine Situation so begreifen. Dabei
bedachte er wohl kaum, dass er selber diese Rolle herbeigeführt
hatte: Als Mensch, der seine Existenz in grandioser
Ausschließlichkeit begriff als Leben im Kriegszustand. Dem Respekt zu
zollen, war die Öffentlichkeit angehalten. "Der Block" heißt der
Roman, in dem er seine Zeit im Bautzener DDR-Gefängnis verarbeitete.
Und diesen Block, man kann sich des Eindrucks bis heute nicht
erwehren, hat Kempowski seelisch niemals verlassen.
Nach anfangs zu Recht errungener Aufmerksamkeit - seine
literarischen Collagen wiesen ihn zunächst als Autor der Moderne aus
- verdankte er in den 70er Jahren seine Bekanntheit den Massenmedien
Film und Fernsehen. Sie hatten längst den Hauptanteil an seiner
Popularität, was Kempowski geflissentlich übersah. Als weitere Filme
ausblieben, wurde es still um den emsig hortenden Archivar.
Denn die Menschen, endlich angekommen im heiß ersehnten Wohlstand,
wühlten längst viel wollüstiger in den Kaufhäusern als in Kempowskis
riesigen Sammelstellen verlorener Lebensläufe. Eigenem Bekunden
zufolge hegte der Volksschullehrer der 68er Bewegung gegenüber
geradezu "Hass". Ein Autor, der einer nachwachsenden Generation den
Rücken kehrt, spricht dann auch irgendwann an ihr vorbei und sie
schließlich nicht mehr mit ihm.
Es kümmerte Kempowski wenig. Er konnte sich das mittlerweile
eingetragene Warenzeichen "Chronist deutscher Geschichte" an die
Brust heften, freilich eine Leerformel, die die fehlende
Gegenwärtigkeit seiner Literatur schmerzhaft verdeutlicht. Gepeinigt
musste man zuletzt zur Kenntnis nehmen, wie diktatorisch er seine
unheilbare Krankheit inszenierte. Da wurden Journalisten zur
Aufwartung herangekarrt und das Dorf Nartum zur nationalen
Wallfahrtsstätte umgewidmet. Denn dies war Kempowskis größte
Botschaft: Meiner sollt Ihr gedenken. Die Geschichte tritt da eher
ins zweite Glied. Das sollte auch einen Bundespräsidenten Köhler vor
dem kolossalen Missverständnis bewahren, in ihm dem "Volksdichter"
huldigen zu müssen.

Originaltext: Westdeutsche Zeitung
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Westdeutsche Zeitung
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Telefon: 0211/ 8382-2358
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