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WAZ: Der Uni-Klinik-Skandal: Medizin und Moral - Leitartikel von Tobias Blasius

Geschrieben am 23-05-2007

Essen (ots) - Leute, die Professor Christoph-Erich Broelsch
kennen, beschreiben ihn als gläubigen Menschen. Sozialisiert in einem
Pastorenhaushalt, habe der Leiter der Chirurgie am Essener
Uniklinikum sein berufliches Selbstverständnis stets demonstrativ
über das Christentum definiert. Auch jetzt, in seiner vielleicht
schwersten Ansehenskrise, verteidigt sich der renommierte Chefarzt
mit einer religiösen Selbstauskunft: "Als Christ steht für mich die
Würde und der Schutz des Lebens in der Transplantationsmedizin an
oberster Stelle." Wie passt dieses Bekenntnis zu den Vorwürfen,
Broelsch habe gegen Spenden beschleunigt operiert und Organe an den
gesetzlichen Bestimmungen vorbei verpflanzt? Wie ist es um das
Berufsethos eines Mannes bestellt, der sich täglich in der
Grenzregion zwischen Leben und Tod bewegt? Welche ethischen
Grundsätze leiten jemanden, den offenbar weder plumpe Geldgier treibt
noch kriminelle Energie im herkömmlichen Sinne?

Professor Broelsch gilt als Star der Branche. Wenn es nicht so
abgedroschen wäre, dürfte man ihn einen "Halbgott in Weiß" nennen.
Zupackend, weltgewandt, eine Kapazität im Arztkittel mit
Manschettenknöpfen. Die Eitelkeit, eine kraftvolle menschliche
Triebfeder, mag zu manchem Risiko verleiten. Doch was Broelsch nun
vorgeworfen wird, könnte tiefer wurzeln. Immer mal wieder hat der
62-Jährige erkennen lassen, dass die strengen deutschen
Transplantationsgesetze sein Verständnis von medizinischer Leistung
einengen. Der Mangel an Organen, die langen Wartezeiten für
Patienten, der vorsichtige Umgang mit Lebendspenden - ein
unerträglicher Zustand für einen wie Broelsch, der helfen will und
nicht hoffen, der in den USA "Anreizsysteme" in der Organspende
kennenlernte. In dieser Logik hätte er die Ökonomisierung des
Gesundheitssektors hin zur "Zwei-Klassen-Medizin" konsequent
fortgeführt.

Doch Broelsch, der Bungeespringen für gefährlicher hält als eine
Lebendspende, kann für den Operationssaal keine eigenen moralischen
Maßstäbe reklamieren. Selbst wenn es am Chirurgentisch um Leben und
Tod geht, ist nicht alles medizinisch Denkbare auch moralisch
machbar. Wenn das Vermögen eines Patienten am Ende über seine
Gesundheitsprognose entscheidet, verschieben sich ethische Grenzen
auf gefährliche Weise. Gewiss gibt es längst eine Kluft zwischen
Privat- und Kassenpatienten. Doch im schicksalhaften Kampf um
Organtransplantationen ist dem Gesetzgeber jedes Leben gleich viel
wert. Hier bei allen Schwierigkeiten so etwas wie
Verteilungsgerechtigkeit zu wahren, ist ein Gebot christlicher
Nächstenliebe.

Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=55903
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_55903.rss2

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Rückfragen bitte an:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: (0201) 804-0
zentralredaktion@waz.de


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