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Große Erwartungen an UN-Mission im Libanon - Nachwirkungen des Krieges noch mindestens zwei Jahre spürbar

Geschrieben am 19-09-2006

Friedrichsdorf, 19.09.2006 (ots) - Die Bevölkerung im Süd-Libanon
begrüßt die UN-Mission und erwartet von ihr eine Stabilisierung der
Lage. Diesen Eindruck hat die Menschenrechtsexpertin Doris Knöchel
bei einem vierwöchigen Einsatz für das internationale Hilfswerk WORLD
VISION gewonnen. Lesen Sie hier Auszüge aus einem Interview mit ihr:

Frau Knöchel, was war Ihre Aufgabe im Libanon?

Ich bin in den Libanon gegangen, um unser Nothilfeprogramm mit den
langfristigen Programmen zu verknüpfen und Selbsthilfe-Strukturen zu
fördern. WORLD VISION arbeitet seit 1975 im Libanon und fördert unter
anderem integrierte Dorfentwicklung und organische Landwirtschaft im
Süden.

Warum ist es notwendig, noch Nothilfe zu organisieren?

Man muss sich vorstellen, dass die Schäden ganz beträchtlich sind
in der südlichen Region, dass die Leute keine Häuser mehr haben, ihre
Felder nicht zugänglich sind, dass sie kein Einkommen haben und sie
sich deshalb auch nichts kaufen können. Wir müssen dafür sorgen, dass
wenigstens die Basisbedürfnisse befriedigt werden. Ganz wichtig ist,
dass Trinkwasser verfügbar ist. Denn die Trinkwasserversorgung wird
dort über Wassertanks hergestellt, die auf den Dächern installiert
sind. Diese Tanks sind zerschossen, zerstört, und die Menschen haben
folglich kein Trinkwasser. Außerdem steht der Winter vor der Tür und
die Leute haben Angst zu frieren, weil sie den Diesel für die Heizung
nicht bezahlen können.

Kümmert sich denn nicht der libanesische Staat darum?

Der kümmerst sich auch darum, doch die Aufgabe ist groß. Alle
zusammen, die Zivilbevölkerung, die NGOs und der Staat müssen hier
zusammen arbeiten, um so schnell wie möglich wiederaufzubauen.

Wie kommt der Wiederaufbau voran?

Ich bin sehr beeindruckt von der Dynamik und den Aktivitäten der
lokalen wie auch der internationalen NGO's. Man kann Woche für Woche
Veränderungen beobachten.

Wie sieht es aus in den Dörfern, in denen Sie waren?

In den Dörfern, in denen ich war, sind bis zu zwei Drittel der
Häuser zerstört; es liegen Sprengkörper herum, die nicht explodiert
sind, die eine große Gefahr für die Bevölkerung darstellen. Die Leute
sind fast zu 90 Prozent wieder zurückgekehrt und sind dabei, ihre
Dörfer aufzuräumen. Sie schlafen bei Verwandten oder in den Trümmern,
versuchen irgendwie Präsenz herzustellen, um ihre Dörfer
wiederzubeleben, die sie als ihre Heimat ansehen.

Sie kümmern sich als Menschenrechtsexpertin auch um besonders
benachteiligte und schutzbedürftige Gruppen. Wie finden Sie die und
redet man offen mit ihnen über interne Konflikte?

Ja, wir leisten nicht nur Nothilfe in dem oben beschriebenen
Sinne, Sondern in einer zweiten Welle, die jetzt einsetzt, wollen wir
versuchen, die Bevölkerung zu mobilisieren, um ein soziales Leben
wieder herzustellen. Wir unterstützen die Dörfer dabei, Gruppierungen
und Strukturen aufzubauen, mit denen die Selbsthilfe gefördert wird.
Es ist ganz sicher so, dass die Menschen im Libanon selbsthilfefähig
sind und darin wollen wir sie unterstützen. Wir helfen den Familien
zum Beispiel dabei, Einkommen zu erwirtschaften. Wir kümmern uns um
Frauen, die aus unterschiedlichen Gründen nicht am sozialen Leben
teilzunehmen; wir wollen auch Jugendgruppen initiieren, denn die
Jugend wandert ab aus den Dörfern. Das ist ein Problem, das immer
wieder vorgebracht wurde.

Wie wirkt sich die nicht explodierte Munition auf das Alltagsleben
der Bevölkerung aus?

Das Ende der Kampfhandlungen bedeutet nicht das Ende des Krieges.
Durch die nicht explodierte Munition geht der Krieg weiter.
Statistisch gesehen bleiben 10 Prozent aller abgeworfenen Bomben
aktiv. Dieses Erbe des Krieges wird sich noch ca. zwei Jahre
bemerkbar machen, sagen uns Experten und zwar in einer Weise, die das
ganze Leben paralysiert und einen ungeheuren psychischen Druck auf
die Menschen ausübt. Familien müssen ihre Kinder im Haus einsperren,
weil das Risiko eines Unfalls beim Spiel zu groß ist. Wir müssen uns
weiterhin vorstellen, dass die Ernten nicht eingebracht werden
können. Die Tabakernte ist verloren; jetzt steht es auch um die
Olivenernte nicht gut. Für die Minenräumer haben erst mal Häuser und
Schulen Priorität, danach sind erst die Felder dran. Wir arbeiten
daran, in jedem Dorf wenigstens ein gereinigtes Gelände zu bekommen,
auf dem die Kinder gefahrlos spielen können.

Glaubt die Bevölkerung, dass sich die Lage besser und der "Friede"
anhält". Wir haben die Bevölkerung in allen Dörfern, in denen wir
arbeiten wollen, systematisch mit Fragebögen befragt. Die Angst, dass
der Krieg wiederkommt, schlägt sich in allen Antworten nieder. Die
Angst, dass etwas Unvorhergesehenes passiert, wie sie sich
ausdrücken.

Was erwartet die Bevölkerung von der UN-Mission?

Ich konnte beobachten, dass die UN-Mission eine stabilisierende
Funktion hat. Ich bin etwa vor vier Wochen dort angekommen und fand
in diesem Zeitraum eine bemerkenswerte Entwicklung vor. Sehr große
Unsicherheit am Beginn, praktisch keine Bewegung von Kindern und
Leuten auf der Straße, keine Aktivitäten am Strand trotz der
Sommerhitze. Als ich jetzt wegfuhr, waren die ersten Menschen wieder
am Strand. Das ist ein Indikator dafür, dass allmählich wieder
Vertrauen gefasst wird in eine Normalität, in eine Zukunft, die sich
wieder herstellt. Die Ankunft der internationalen Truppen befördert
die Zuversicht ganz erheblich.

Die Bundeswehr soll ja den Auftrag bekommen, Waffenlieferungen an
die Hisbollah zu unterbinden. Inwieweit beschäftigt dieses Thema die
Bevölkerung?

Was mir begegnet ist, ist das Interesse an einer Stabilisierung
der Lage, die durch neutrale Präsenz befördert wird. Die Bevölkerung
bringt zum Ausdruck, dass sie wenig Vertrauen in ihre eigene
Regierung hat in dieser Hinsicht und viel Vertrauen in internationale
Truppen. Was dabei im einzelnen geschieht, wird jedenfalls nicht
öffentlich diskutiert, denn das bedeutet ja, die Kriegserlebnisse
wieder aufleben zu lassen. Die Bevölkerung möchte sie aber hinter
sich lassen.

HINTERGRUND
WORLD VISION Deutschland e.V. ist ein überkonfessionelles
christliches Hilfswerk mit den Arbeitsschwerpunkten langfristige
Entwicklungshilfe und humanitäre Nothilfe. Rund 200 Projekte werden
momentan in 41 Ländern durchgeführt. WORLD VISION Deutschland ist
Teil der weltweiten WORLD VISION-Partnerschaft mit rund 20.000
Mitarbeitern in fast 100 Ländern. WORLD VISION unterhält offizielle
Arbeitsbeziehungen zur Weltgesundheits¬organisation (WHO) und dem
Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) und arbeitet eng mit
dem Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) zusammen.
Weitere Infos unter www.worldvision.de

Originaltext: World Vision Deutschland e. V.
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=6795
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_6795.rss2

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763-151.


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